Meine Füße baumeln aus der Luke des Flugzeugs. Ich habe nur einen kurzen Moment um nach unten zu schauen, auf die Insel Texel, die drei Kilometer unter mir liegt. „War das jetzt echt ne gute Idee?“ frage ich mich. Doch es ist zu spät. Dirk rutscht hinter mir ein Stück nach vorne und wir fallen zusammen nach unten…
Nein, das ist kein Kamikazesprung, wie ihr vielleicht denkt. Denn dann würde ich ja nicht darüber schreiben können. Ich mache einen Tandemfallschirmsprung über Texel.
Juhu, meine erste Reise ohne Brüder
Ich habe meine Eltern auf ihrer Pressereise nach Texel begleitet. Meine erste Reise ohne irgendwelche nervigen Brüder. Ich ruhte mich gerade von der langen Fahrt aus, wir waren gerade auf Texel angekommen. Da reichte Gabi mir einen Flyer: „Wäre das nicht vielleicht was für dich?“ fragte sie. Ich schaute drauf: Tandemspringen auf Texel. Ja und solche Possen können wir uns normalerweise auch nicht leisten. Dann wollen nämlich alle springen und es summiert sich mal wieder.
Interessiert war ich schon, glaubte aber nicht, dass so kurzfristig noch Termine zu kriegen waren. Übermorgen hatte der Paragliderverein das letzte Mal geöffnet. Und wir waren ja nicht auf Ferien, sondern wegen des Hundetrainings hier.
Es verging der erste Tag, ohne das ich anrief, um nach einem Termin zu fragen. Am nächsten Tag saßen wir im Bus und fuhren gerade zur Hundewaschstraße, da sah ich zwei Tandemspringer am Himmel. Sanft glitten sie in einer Kurve nach unten, und landeten. „Wie toll muss es wohl sein, so elegant nach unten zu schweben“ dachte ich mir.
Am letzt möglichen Tag war ich dann extrem ungeduldig, als die Leute ihre Hunde in der Hundewaschstraße wuschen. Ich konnte nur noch ans Fallschirmspringen denken. Sobald die Hundewascherei vorbei war, fuhren wir direkt zum Parazentrum. Die Uhr zeigte schon auf fast 16:00 Uhr, die Sonne drohte alsbald hinter dem Horziont ins Meer zu plumpsen. Außerdem hing so ein leichter Nebel in der Luft. Ob das was werden würde?
Wir fragen kurz vor Schluß noch schnell, ob ich heute springen darf?
Und tatsächlich! Es waren noch Sprünge frei! Ich musste nur eine halbe Stunde warten. Dabei konnte ich zusehen wie die kleinen Flugzeuge abhoben, und kurz danach Fallschirmspringer nach unten fielen. Ich sah ihnen fasziniert beim Gleiten zu, war voller Vorfreude und Aufregung, und hatte seltsamerweise überhaupt keine Angst. Merkwürdig, normalerweise bin ich nicht der mutige Typ. Während ich so wartete, fragte mich ein großgewachsener Mann: „Springst du zum ersten Mal?“
Ich bejahte. „Bist du schon einmal Bungeejumpen gewesen?“ fragte er dann. Ein Nein. „Dann wir es dich umhauen. Du hast Glück, es ist gleich Sonnenuntergang, es wird wunderschön werden!“
Ich hab fast nicht genug Zeit für die Vorfreude
Diese zwei Sätze steigerten meine Vorfreude so sehr, dass ich es kaum erwarten konnte endlich loszulegen. Ich erfuhr auch, dass ein Fallschirmspringer erst nach mindestens 1000 Absprüngen einen Mitflieger mitnehmen darf.
Ein Tandemsprung ist ganz einfach
Endlich kam ein Instruktor, und rief mich und zwei andere zu sich. Er erklärte uns was wir zu tun hatten, erst den anderen auf Holländisch, dann mir auf Deutsch. Wir bekamen Overalls, damit unsere Kleidung sich nicht beim Springen verheddern würde. Dirk, mein Sprungpartner, hatte schon allein in diesem Jahr 1600 Tandemsprünge gemacht. Anscheinend war die Anfrage ziemlich hoch.
Das Flugzeug war, wie erwähnt, nicht sonderlich groß. Wir waren zu zehnt, und es war eng wie in einer Sardinenbüchse. Dirk saß direkt hinter mir, seine Beine an meinen Seiten. Vor mir ein anderer Tandemspringer, so dicht dass ich mich kaum bewegen konnte. Ich saß an einem kleinen angelaufenem Fenster, und sah wie Texel immer kleiner wurde. Derweil erklärte Dirk mir ein paar Sachen, und beobachtete den Höhenmesser an seinem Handgelenk. Mein Fuß war ganz nah an der Öffnungsklappe, ich spürte den Windzug, der unter uns durchzog.
Die anderen Tandemspringer setzten sich sich auf die Oberschenkel ihrer Mitspringer. Dirk gab mir auch das Signal. Dann schnallte er mich so fest an sich, dass ich nicht mal mehr auf dem Boden sitzen konnte. Die Seitenluke ging auf, und der Wind zerrte an uns. Mir wurde etwas mulmig, und ich zog den Fuß weg. Ich setzte die Windschutzbrille auf, Dirk überprüfte den korrekten Sitz. Ein Kameramann kletterte aus dem Flugzeug, und klammerte sich an die Außenwand. Dann rutschte das erste Tandempaar nach vorne. Es hängte die Füße aus dem Flugzeug, verharrten kurz, und dann sprangen sie. In einem Sekundenbruchteil waren sie weg. Es war ein merkwürdiger Anblick, als ob sie einfach vom Nichts verschluckt worden wären. Wir waren als Dritte an der Reihe. Dirk rutschte mit mir nach vorne, bis unsere Beine über den Rand hingen. Ich zog sie an mich, wie es angewiesen wurde. Mir blieb nicht lange, um nach unten auf Texel zu blicken. Da rutschte Dirk schon vor, und wir fielen vom Flugzeug weg.
Wir rasen mit 180 Sachen im freien Fall auf die Insel Texel zu
Es ist ein einzigartiges Gefühl mit 180 Sachen zu fallen. Mein Bauch rutschte nach oben. Ich versuchte, das Flugzeug zu finden, aber ich sah nur Texel unter mir. Der Wind drückte mir ins Gesicht, irgendwann erinnerte ich mich daran, wieder zu atmen. Das Fallen war äußerst verwirrend, und ich vergaß alle Instruktionen. So musste Dirk mir zweimal das Signal geben, die Arme auszustrecken, bevor ich begriff was er wollte.
30 Sekunden können lang sein
Der freie Fall dauerte nur kurz: 30 Sekunden. Dann gab es einen leichten Ruck als der Fallschirm sich öffnete. Sofort beruhigte sich mein Bauch wieder. Das Atmen ging normal, und ich konnte besser mein Umfeld genießen. Texel war immer noch sehr klein unter uns. „Unglaublich“ war das einzige Wort was aus mir herauskam. Die Sonne schien rosa und orange auf den leichten Nebel der über die Insel zog.
Dirk nahm mir die Brille wieder ab, und löste ein paar Gurte, die nur für den Freifall bestimmt waren. Ich streckte meine Beine und es wurde gemütlicher. Die restlichen Gurte machten einen sicheren Eindruck. Ich behielt Texel im Auge, und beobachtete wie es langsam, sehr langsam, größer wurde. Es bestand fast nur aus viereckigen Feldern, und Häusern. Etwas einseitig, was mich aber nicht am Staunen hinderte. Ich genoss dass Gefühl, die Welt von hier oben aus zu betrachten. Meine Ohren fühlten sich komisch an, alles klang gedämpft.
Ich darf sogar mal den Fallschirm lenken
„Willst du mal lenken?“ fragte Dirk. Überrascht sah ich zu den Lenkgriffen. Unter Dirks Griffen war ein zweites Paar montiert. Ich steckte vorsichtig meine Hände hinein, und zog an dem rechten. Wir lehnten uns ganz leicht zur Seite.
Dirk lachte: „Ein bisschen stärker. So!“ Er zog den rechten Griff ganz weit nach unten, woraufhin wir uns in einem weiten Schwung hineindrehten. Das Gefühl des Fallens stellte sich wieder ein. Die ganze Welt schien sich zu drehen, nur wir uns nicht. Ich spürte die Gurte, wie mein Gewicht an ihnen zerrte. Das normale Gleiten gefiel mir mehr.
Schlagartig wurde es ein ganzes Stück kälter, merkwürdig.
Unten auf Texel konnte ich nun auch Autos sehen, winzige blaue, weiße oder gelbe Pünktchen. Auch die Schafe, sahen eher wie Tupfen weißer Farbe aus. Eine Cart-Rennbahn war einfach eine Acht. Und alles war flach wie ein Brett. Als wären die Autos und Schafe und Felder nur auf einem Spielbrett.
Der Landeplatz kam jetzt näher, da war mir etwas traurig zumute. Bald würde der Sprung zu Ende sein. Wir drehten noch eine letzte Schleife. Der Boden kam rasant näher. Ich konnte aber Gabi und Gunter unter den Wartenden nicht ausmachen.
Ich hob die Beine an, und wir schwebten in einem weiten Bogen nach unten. Ich hatte das Gefühl, wir würden immer schneller.
Die Landung war sanft und federleicht. Kaum spürte ich den Boden mit den Füßen, da saßen wir auch schon auf der Wiese. Ich konnte nicht aufstehen da ich noch an Dirk geschnallt war. Aber das war auch gut so. Ich war völlig überwältigt von dem Sprung. Als ich endlich aufstand dankte ich Dirk vielmals, und schüttelte ihm mehrmals die Hand. Dann lief ich zu Gabi, die am Feldrand auf mich wartete. Ich fühlte wie ein breites Lächeln mein Gesicht verzog. Wenn ich dürfte, würde ich sofort nochmal springen.
Der Sprung kostete 209 Euro. Ein Film und Fotos davon hätten nochmal 150 Euro gekostet, das habe ich mir dann gespart!
Hast Du auch schonmal sowas gemacht? Und wo? Welche verrückten Sachen kannst Du mir noch empfehlen? Ich bin gespannt!