Freilernen und soziale Kontakte – ein Widerspruch? – Vom Leben lernen
Dies ist ein Artikel aus dem Jahr 2015.
Eine der Fragen, die Freilerner und Homeschooler am häufigsten zu hören bekommen, ist die nach den sozialen Kontakten. Viele Menschen glauben, dass Jugendliche zusammen mit 30 Gleichaltrigen in einem Klassenzimmer sitzen müssen, ansonsten verkümmern sie sozial und werden zu Sonderlingen ohne Freunde.
Ich dachte, ich schreibe mal etwas zu diesem Thema, immerhin wird dieser Glaube von vielen vertreten.
Ich habe einen sehr bunten Freundeskreis, in dem sich viele andere Freilerner befinden, aber auch „normale“ Leute jeden Alters. Ich lerne neue Leute auf Reisen kennen, auf Feiern, in Vereinen, auf Konzerten oder im Internet (oft sind es andere Freilerner, die sich über das Lernen austauschen wollen). Ich brauche die Schule dafür nicht.
Weniger Zeit mit anderen, dafür aber bessere Zeit
Der große Unterschied zwischen meinem jetzigen sozialen Leben und meiner Schulzeit ist, dass ich mir nun selbst aussuchen darf, mit wem ich meine Zeit verbringe. Ich sitze nicht mehr zusammen mit 30 zufälligen Menschen die Zeit ab, von denen mir nur eine Handvoll sympathisch sind. Meine jetzigen Freunde haben viel mehr gemeinsam mit mir als nur das Klassenzimmer. Ich kann mich mit den Menschen austauschen, die ähnliche Interessen haben.
In meiner Schulzeit habe ich zwar mehr Zeit mit Gleichaltrigen verbracht als nun. Allerdings ist die Qualität der Zeit, die ich jetzt mit meinen Freunden verbringe, viel höher. Wir schlagen nicht zusammen die Zeit tot, wir unternehmen lieber etwas, machen Projekte oder unterhalten uns ungestört, statt dem Takt der Schule zu folgen. Übrigens geben andere Freilerner erstklassige Freunde ab, denn sie haben auch enorm viel Zeit zu ihrer Verfügung und sind daher eher für interessante Projekte zu haben. Man kann problemlos mehrere Tage oder gar Wochen oder Monate zusammen verbringen und diese Zeit nach belieben mit Aktivitäten füllen.
Dass Schule ein vortrefflicher Ort sei um neue Freunde zu finden und alte zu treffen kann sowieso nicht jeder Schüler bestätigen. Viele werden gemobbt oder fühlen sich der Klassengemeinschaft nicht zugehörig, aus welchem Grund auch immer. Wer ein wenig anders ist, wird schnell zum Außenseiter.
Warum wird eigentlich so ein Wert auf soziale Kontakte im gleichen Alter gelegt?
Ich bin zufrieden mit meinem Freundeskreis aus Leuten aller Altersgruppen. Im „echten Leben“ hat man immerhin auch nicht nur mit Menschen zu tun, die im gleichen Jahr geboren sind wie man selbst. In einem gemischten Umfeld kann man von den Älteren lernen und bekommt einen Sinn für Verantwortung, wenn man den Jüngeren hilft. Von Gleichaltrigen lernt man meist nichts – man lernt mit ihnen, aber das ist etwas anderes.
Alle Freilerner, die ich kenne (und es sind schon einige) sind aufgeschlossene, freundliche Leute mit einem gesunden Freundeskreis.
Es gibt natürlich auch solche Freilerner, die nicht sonderlich viel mit anderen Menschen am Hut haben und selbst ihr bester Freund sind. Das hat allerdings nichts mit Vereinsamung zu tun. Meist sind das genau die, die auch in der Schule immer einen kleinen Freundeskreis hatten und sich unter zu vielen Menschen unwohl fühlten. Manche Menschen sind mit weniger sozialer Interaktion zufrieden als andere.
Klar muss man auch mal schlechte Erfahrungen machen – aber jeden Tag?
Dann gibt es da noch eines meiner „Lieblingsargumente“: „Aber es ist nicht gut, wenn man sich seine Freunde immer selbst aussucht. Man muss auch lernen, mit Leuten umzugehen, die man nicht mag“
Ja, das zu lernen ist sicherlich wichtig. Aber muss ich wirklich Jahre lang jeden Schultag lernen, dass ich mir im Leben nicht aussuchen kann, mit wem ich meine Zeit verbringe? Das kann ich nämlich. Wer Jahrzehnte lang mit Leuten zusammenarbeitet, die er absolut nicht ausstehen kann, hat irgendwas falsch gemacht.
Im Alltag kann man sehr wohl auch unangenehme Erfahrungen mit meinen Mitmenschen machen und daraus lernen. Dazu muss ich nicht in die Schule gehen.
Ich will natürlich nicht sagen, dass man in der Schule zwangsläufig schlechte Erfahrungen machen muss. Natürlich nicht. Aber es gibt eben auch einige, die jeden Tag schlechte Erfahrungen machen müssen.
Wenn ich mir andere Freilerner anschaue, bestätigt sich immer wieder: Man muss nicht in die Schule gehen, um Freunde zu haben und sozial kompetent zu sein. Die Freundschaften werden eher besser, wenn sie nicht mehr davon diktiert werden, mit wem man wann im selben Klassenzimmr sitzt.
Auf dem Foto am Anfan des Beitrags sind ein paar meiner Freunde und ich zu sehen, allesamt Freilerner bis auf Andrew, der Schwarzhaarige in der Mitte.
https://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2020/03/Esra-in-Schweden-e1617469754147.jpg417600Esrahttps://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2021/03/Leuchtturm-o.pngEsra2021-04-01 17:20:082023-03-15 08:30:19Freilernen und soziale Kontakte – kein Widerspruch
Wie es dazu kam, dass wir unsere Kinder aus der Schule nahmen
Die meisten unserer Leser wissen, dass wir unsere Kinder vor zehn Jahren aus der Schule genommen haben. Wir haben viel über unsere gemeinsamen Reisen und über die externen Schulabschlüsse geschrieben. In diesem Artikel rede ich zum ersten Mal über unsere Beweggründe: Wie kam es dazu? Hat sich dieser außergewöhnliche Weg für uns bewährt?
Aus unserer langen Erfahrung mit dem Lernen haben wir den ein oder anderen Ratschlag für dich mit eingebaut, egal ob du Schüler, Lehrer, Elternteil oder einfach „nur“ Fotograf bist.
Die Reicherts Kids vor dem Leuchtturm Rhubjerg Knude.
1. Lernerfahrungen der Eltern
Ich selbst war in der Schule nicht glücklich, ich konnte dort nicht gut lernen. In den ersten Jahren war die Schule für mich ein unbedeutender Nebenschauplatz. Daheim gab es fast täglich Ärger, weil mein Vater abends immer betrunken nachhause kam, regelmäßig die Wohnung demolierte und wiederholt auch meine Mutter verprügelte. Wer denkt da schon an die Deutschhausaufgaben?
Ich war tagsüber müde und unkonzentriert, es hagelte schlechte Noten. Als ich zehn Jahre alt war, versuchten wir endlich, aus diesem nicht enden wollenden Elend zu fliehen. Wir schafften es, uns von ihm zu lösen – eine schwierige Geschichte, die ich hier nicht ausführen möchten. Jedenfalls waren wir danach jahrelang auf der Suche nach bezahlbaren Wohnungen. Wir zogen immer wieder in andere Ortschaften, möglichst weit weg von meinem Vater. Allein in der vierten Klasse wechselte ich wegen Umzügen dreimal die Schule. Tja, da blieb nicht viel Schulisches in meinem Kopf hängen. Die schlechten Noten demotivierten mich noch weiter. Keiner glaubte mehr an mich. Jeder dachte, ich wäre dumm und faul. Das war ich aber nicht!
Später beruhigte sich die Situation daheim, und wollte ich endlich richtig lernen. Wegen meiner schlechten Noten war ich auf der Hauptschule gelandet. Dort waren die Schulklassen extrem laut und unruhig. Das lag vor allem an den Lehrern, die sich nicht durchsetzen konnten.
Meine Lieblingsfächer waren die Naturwissenschaften. Jede Woche wartete ich sehnsüchtig auf den spannenden Biologie-, Chemie- und Physikunterricht. Diese kurze Stunde war mein einziger Lichtblick in der sonst nervigen Woche. Viele meiner Klassenkameraden sahen das nicht so. Die interessierten sich nicht für Physik oder Chemie, sondern unterhielten sich lieber lautstark und störten den Unterricht. Dem Lehrer fiel nichts Besseres ein, als die ruhigen Schüler nach hinten und die lauten nach vorne zu setzen. So landete ich in der letzten Reihe und bekam vom Unterrichtsstoff gar nichts mehr mit. Entsprechend gefrustet und sauer auf den Lehrer und die Klassenkameraden trottete ich Tag für Tag nach Hause.
Bis zur 9. Klasse hatte ich mich gefangen und ich kam besser mit der Schulsituation zurecht, konnte sogar zum Teil zeigen, was in mir steckt. Mein Zeugnis war so gut, dass ich zum freiwilligen 10. Schuljahr mit Realschulabschluss zugelassen wurde. Die Lehrer sagten mir trotzdem immer wieder: „Gabi, mach NIE etwas mit Sprachen. Deine Talente liegen in den Naturwissenschaften.“
Im Anschluss an die Schule absolvierte ich mit Begeisterung eine Ausbildung zur Biologielaborantin. Das hat richtig viel Spaß gemacht in der kleinen Gruppe interessierter Auszubildender und mit fähigen Lehrern. Jeden Tag war ich gespannt auf den Unterricht in Fächern, wie Anatomie, Mikrobiologie, Pflanzenschutz, Physiologie, Pharmakologie, Physik oder Mathematik. Hach, Naturwissenschaften jeden Tag!
Nach dem erfolgreichen Abschluss arbeitete ich ein paar Jahre in der Forschung der medizinischen Pflanzenzucht.
Der Beruf gefiel mir gut. Es war spannend, zu forschen. Aber ich wollte nicht die nächsten 40 Jahre im Labor arbeiten. Dort gab es zu viel Routine und zu wenig Entfaltungs- und Karrieremöglichkeiten. Ich war zu kreativ für eine Laborantin!
Also erfüllte ich mir den großen Wunsch, endlich mal ernsthaft zu lernen. Mit 25 Jahren kündigte ich meinen Job und ging in Mainz auf das Ketteler Kolleg, um mein Abi nachzuholen. Hier konnte ich erleben, wie angenehm das gemeinsame, selbstbestimmte Lernen auch in der Schule sein kann. Ich lernte gern und viel, schrieb zum ersten Mal in meinem Leben sogar in Deutsch und Englisch Einsen und war am Ende so gut, dass ich sogar ein Stipendium bekommen hätte, wäre ich nicht zu alt gewesen.
Die Erfahrung, dass das Abitur jederzeit auf dem zweiten Bildungsweg möglich ist, kam später unseren Kindern zugute.
Gunter quälte ein andere Art von Schulerfahrungen. Er war ein äußerst ruhiger, aber guter Schüler. Weil er früh eingeschult wurde, war er immer ein bisschen der Außenseiter. Bis auf die letzten paar Schuljahre fand er Unterricht total langweilig.
Seine prägende Erfahrung mit dem freien Lernen fing damit an, dass sein Klassenlehrer ihm über die Sommerferien ein Buch über Trigonometrie im Selbststudium ans Herz legte. Gunter war völlig fasziniert von der Möglichkeit, sich so lange wie möglich mit diesem Stoff zu befassen und im eigenen Lerntempo voranzukommen. Diese Sommerferien standen ganz im Zeichen von Mathematik. Alles was mit Trigonometrie zu tun hat, kann er heute, über 40 Jahre später, noch abrufen. Gunter schloss ebenso wie ich, die Hauptschule mit dem freiwilligen 10. Jahr ab und begann die Ausbildung zum Biologielaboranten. Du kannst dir bestimmt denken, wie wir uns kennengelernt haben? Gunter blieb im Job, fing aber an, nach der Arbeit für das Abitur zu lernen. Aufgrund fehlender Perspektiven für Biologen brach er irgendwann trotz guter Leistungen ab. Auch, weil ihm die Forschungsarbeit Freude bereitete und er an interessanten Projekten arbeitete.
Wir hinterfragten das deutsche Schulsystem zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Als unsere Kinder in die Schule kamen, gingen wir unvoreingenommen dran. Wir hätten aber die Signale, dass hier etwas nicht gut lief, dass sich unsere Kinder, genauso wie wir auch Jahre zuvor, sich mit dem Schulunterricht herumquälten, früher erkennen können und darauf reagieren müssen.
Wir hätten erkennen können, dass es für jeden, ganz eigene ideale Möglichkeiten, zum Lernen gibt.
3. Lernlustverlust in der Schule
Als Erstes kam Esra in den Kindergarten, das klappte auch ganz gut. Für den zwei Jahre jüngeren Noah war das schon schwieriger. Er wollte absolut nicht dorthin, es war toootal langweilig, und er versuchte uns jeden Tag davon zu überzeugen, dass er daheim besser spielen kann. Da ich von zuhause aus arbeitete und, seine kleine Schwester Amy noch zu kein für den Kindergarten war, war das auch kein Problem, und ich hatte wenig Gegenargumente. Im letzten Kindergartenjahr haben wir ihn dann gegen den Rat der Erzieherinnen abgemeldet. Er blieb von da an glücklich daheim.
Unsere Kinder haben sich alle auf die Schule gefreut. Irgendwie war die Zeit reif dafür. Sie waren alle drei extrem lernwillig und wollten endlich los legen.
In Esras Schultüte steckte die DVD-Filmbox von Pippi Langstrumpf. Mir war damals nicht bewusst, dass Pippi die berühmteste Freilernerin der Welt ist. Ein interessanter Aspekt, wenn ich so rückwirkend über unseren Lernweg nachdenke.
Jedenfalls verdünnisierte sich diese gewaltige Lernlust extrem schnell. Wir merkten es ganz besonders um das Ferienende herum. Lustige, wuselige, wissbegierige Kids verwandelten sich nach nur ein paar Wochen Schule in streitsüchtige, gereizte, uninteressierte und lustlose Kids. Die Grundschullehrerin offenbarte im Elterngespräch ihre Interpretation der Lage „Ist doch klar, dass die sich in der Schule langweilen. Könnt ihr nicht in den Ferien weniger interessante Sachen machen, als in Nord-Norwegen zu wandern oder auf Wal-Touren zu gehen?“
Auf unsere aufregenden Ferienzeiten verzichten, damit die Schule weniger langweilig wirkt? Was für eine Schnapsidee, und funktioniert hätte das eh nicht. Wir entschieden uns irgendwann für den gegenteiligen Weg. Wir verzichteten auf die fantasielose Schule und verbrachten mehr Zeit auf spannenden Reisen.
Amy und Noah suchen Bernstein
4. Lernen ist ein natürliches Bedürfnis
„Wie einfach kann Lesenlernen sein, und wie schwierig kann man es machen“
Amy fragte eine Weile vor ihrer Einschulung, ob der Bürgermeister das Lesenlernen verboten habe. Zu dieser Zeit hörten wir viel Bibi Blocksberg-Audiobücher, in denen der Bürgermeister eine wichtige Autoritätsperson ist. Wir verneinten und Amy löcherte danach uns und ihre Brüder mit tausend Fragen nach den Buchstaben und Wörtern. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie sich so das Lesen beigebracht. Sie verschlang ganze Bücher. In der Schule ging es mit dem Lesen abrupt wieder rückwärts. „Die Lehrerin hat gesagt, das können wir noch nicht lesen, wir hatten das K und das W noch nicht.“
Solche Sprüche brachten uns zum Zweifeln. Lag das Problem darin, alle Kinder auf den gleichen Wissensstand zu bringen? Die Lernschwachen zu beschleunigen und die Schnellen auszubremsen? Für die einen bedeutet das Stress, für die anderen Langeweile. Das erschien uns kein besonders erfolgreiches Schulkonzept zu sein.
Unsere eigenen Erfahrungen mit dem Lernen hatten uns in aufmerksame Eltern verwandelt. Und wir hatten schwedische Freunde, deren Kinder Freilerner waren und schon sieht man als Familie ganz andere Möglichkeiten der Lebensgestaltung. Es gibt eben nicht nur die strikte Fünf-Tage-Woche, in Schulen, wo eine Stunden nur 45 Minuten lang ist, aber sich wie 80 Minuten anfühlen.
Im Rückblick reagierten wir bei Noah viel zu spät. Noah besuchte bereits die siebte Klasse und war extrem verzweifelt, fast schon depressiv. Der Unterricht an der Gesamtschule war für ihn nur laut und langweilig. Wir hielten eine große Familienkonferenz ab und nahmen schließlich die Kinder mit deren Einverständnis, auf deren Flehen, aus der Schule.
Aufgrund der unflexiblen deutschen Schulpflicht waren wir gezwungen, unser Land zu verlassen. Wie sich das für eine reisefreudige Familie anfühlt, erzähle ich ausführlich in einem anderen Blogbeitrag. Nur kurz vorweg: „Reisen können“ macht Spaß, „reisen müssen“ ist deprimierend und fühlt sich wie eine Flucht an.
Wir wünschen uns von ganzem Herzen, dass die strikte deutsche Schulpflicht endlich aufgehoben wird. Gerade jetzt in Zeiten von Corona würde es viel mehr Sinn machen. Meine Ideen zum Thema Schule in Zeiten von Corona sind ganz simpel und ohne finanzielle Mitten umsetzbar. Diese will ich in Kürze ausführlich darlegen.
6. Wahres Lernen sieht man nicht
Unsere drei Kids waren also einige Jahre mit und einige Jahre ohne Schule. Esra genoss die kürzeste Freilernerzeit, Amy hat die längste schulfreie Zeit erleben dürfen. Anfangs versuchten wir, die Kids in der Freilernerzeit zu „schulischem Lernen“ anzuregen. Das führte zu überhaupt nichts. Wir merkten sehr schnell, dass „sinnbefreites“ Lernen nur Widerstand und Frust zur Folge hat. Von den lieblos hingeschmierten Matheübungen und dem Lesen langweiliger Texte bleibt nichts im Gedächtnis hängen. Kannst du dich noch an die Themen der Sozialkunde Arbeit der 8. Klasse erinnern? Da kann man es auch gleich lassen und die Zeit kreativer oder ausgelassener nutzen.
Das wahre Lernen sieht man von außen nicht. Man kann es aber hören! Begeisterung schwirrt durch die Luft, Ausrufe des Staunens sind zu hören, aufgeregtes Fragen und sehr viel Lachen und gute Laune.
Nichteinmischen wurde unsere Devise.
7. Die Schulentwöhnung lief in einigen Phasen ab.
Zuerst kam die Befreiung vom Zeitdruck mit Abhängen, Spielen und Nichtstun.
Dann das Wiedererwachen der Neugier und Wissbegierde. In dieser Phase lernten die Kinder, auf was sie gerade Lust hatten. Und das ist beileibe nicht wenig gewesen.
Der dritten Phase ging die selbstbestimmte Entscheidung für einen Schulabschluss voran. Jetzt lernten die Kinder in eigener Regie den Schulstoff, der ihnen für das Erreichen des Abschlusses noch fehlte.
Unsere Drei meldeten sich selbstständig zu den externen Prüfungen an und erlangten alle ihre Schulabschlüsse. Den Schulkram kann man effektiv lernen, wenn man den Abschluss als Ziel vor Augen hat. Dazu gibt es ein paar ausführliche Blogbeiträge von Amy und Esra. Freilerner lernen also nicht nur, was sie wollen. Nein, wenn sie sich selbstbestimmt für etwas entscheiden – und das ist der wichtige Aspekt – dann lernen sie auch für Fächer, die sie eher nicht interessieren. Aber völlig ohne äußeren Zwang. Wir haben unsere Kids nach einer Weile NIE wieder zum Lernen aufgefordert oder sie ermuntert. Hört sich an, als seien wir Rabeneltern – wir waren eher das Gegenteil.
8. Auch Freilerner können Abitur machen
Amy und Noah machten den Realschulabschluss quasi als Vorübung für das Abitur. Alle drei haben inzwischen die Abiturprüfung erfolgreich bestanden. Jetzt studieren sie an der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität. Sie fallen auf im Unibetrieb. Entweder durch triviales Wissen, welches sie in den Freilernerzeiten angesammelt haben, oder durch eine gewisse Routine in der eigenständigen, effektiven Planung der Hausarbeiten.
Noah verbringt diesen Winter in Slowenien in seinem Auslandssemester. Wie das in Coronazeiten abläuft, ist ziemlich unvorhersehbar und irgendwie spannend. Zwei Wochen lang konnte Noah in richtigen Klassenräumen mit seinen Kommilitonen lernen, dann war Schluss damit, jetzt läuft alles digital. Da hätte er auch daheim bleiben können. Andererseits lernt er trotzdem neue Leute kennen und genießt den Aufenthalt im fremden Land.
Wir als Eltern wissen jetzt, wie viel Freude das freie Lernen macht und wie effektiv es ist. Lernen ist ein normaler Zustand für Kinder, ausgelöst durch die natürliche Neugierde und Wissbegierde. Ich gehe einmal soweit zu behaupten, dass Lernen der natürliche Zustand aller Menschen ist. Bis ins hohe Erwachsenenalter hinein, wenn er nicht durch festgefahrene Routinen und Angst vor dem Neuen zerstört wird. Oder Angst vor Fehlern, wie sie in vielen Schule kultiviert wird.
Es ist erstaunlich, wie leicht alles ist, wenn die Kinder die Verantwortung für ihr Lernen übernehmen dürfen. Verantwortung klingt vielleicht für kleine Kinder zu „groß.“ Aber selbst im sehr jungen Alter wissen Kinder, wann etwas am besten für sie passt. Wie zum Beispiel Amy, als sie bereit war, Lesen zu lernen. Oder Noah, der ziemlich schnell wusste, dass er wesentlich besser lernen kann, wenn er Ruhe hat. Und er durfte das als Teenager ausführlich ausleben.
10. Die Lernumgebung – Eltern die an den Lernwillen ihrer Kinder glauben
Natürlich spielten wir als Eltern trotzdem eine tragende Rolle. Wir schafften für die Kinder eine angenehme inspirierende Lernumgebung.
Wir Eltern sind richtige Leseratten und Bücher sind in unserem Haus in jedem Raum zu finden. Wir lesen auch viel auf Englisch. Wenn Erwachsene vor der Klotze sitzen und ihren Kindern vorschlagen, sie sollen doch mal Bücher lesen, dann wird das nichts. Wenn Eltern viel lesen und ihren Kindern sagen, sie sollen doch mal mehr Bücher lesen, dann wird das auch nichts. Die Kids müssen sich schon selbst dafür entscheiden, aber es ist hilfreich, wenn spannende Bücher im Haus sind und die Flimmerkiste nicht den ganzen Tag ablenkt.
Als unsere Kinder noch klein waren, zelebrierten wir das abendliche Vorlesen. Die Jungs mochten am liebsten die klassischen Märchen und konnten sich nicht satthören. Einmal wurde Gunter beim Vorlesen durch das Telefon gestört. Der dreijährige Esra nahm sofort das dicke Buch in seine kleinen Hände und tat so, als lese er vor: „…wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte, legte er sich wieder ins Bett …“ Das hat uns voll aus den Socken gehauen. Er kannte Rotkäppchen Wort für Wort auswendig.
Natürlich beantworteten wir auch geduldig die Fragen der Kinder. Es ist ganz wichtig, auf die Fragen zu warten. Das sind die Dinge, die die Kinder interessieren, und die sie sich merken. Pädagogisch sinnvollen Kram zu erzählen, wenn es niemanden interessiert, bringt nichts und fördert eher Lernblockaden und Desinteresse.
11. Freies Lernen bedeutet nicht automatisch antiautoritär
Als die Kids noch jünger waren, gab es auch ein paar Regeln im Hause Reichert. Abgesehen von den elementaren Benimmregeln, erlaubten wir Computerspiele erst nach 18:00 Uhr abends. Wir kontrollierten nicht und vertrauten darauf, dass diese Regel eingehalten wurde. Das klappte ganz wunderbar. Naja, wir wissen es ja nicht zu 100 %, aber Geheimnisse müssen auch sein.
Filme schauen fiel auch in diese Kategorie. Wir Erwachsene schauten englische und amerikanische Filme immer mit Originalton, synchronisierter Ton klingt einfach unecht. Schauten wir zusammen mit den Kindern Filme, schalteten wir immer öfter auf Originalton. Das machte den Kids bald nichts mehr aus, und trieb den Spracherwerb enorm voran.
Wenn die drei allein DVDs schauten, tricksten sie uns manchmal aus. Sie stellten einfach den DVD Player auf doppelte Geschwindigkeit und konnten sich so in zwei Stunden gleich zwei ganze Filme anschauen.
12. Homeschooling ist nicht Freilernen
Was ich damit ausdrücken möchte: Wir machten daheim oder auf Reisen kein „Homeschooling“ Programm. Kein Schulkram, aber jede Menge interessante, anregende Sachen. Nicht andauernd mit den Eltern zusammen, sondern auch nur die Kids allein oder mit ihren Freunden. Mit der kindlichen Phantasie können wir Erwachsene eh nicht mithalten. Letztens, viele Jahre nach den Kinder-Spielzeiten zuhause, sprach mich Noahs bester Freund aus Kindertagen an. „Weißt du eigentlich, warum ich so gerne zu euch zum Spielen gekommen bin? Weil du dich nie in unsere Spiele eingemischt hast. Du hast uns einfach in Ruhe spielen lassen und nicht andauernd irgendwelche langweiligen Bastelsachen vorgeschlagen. Meine eigene Mutter wollte uns permanent sinnvoll und pädagogisch wertvoll beschäftigen. Das hat sowas von genervt!“
Wie einfach es doch sein kann. Während die Kids glücklich spielten und viel dabei lernten, ohne es zu merken, konnte ich in Ruhe meine Fotos entwickeln oder Reportagen schreiben.
13. Freilernende Erwachsene
Zurück zu unserer Freilernerfahrung und unserem Fazit: Für uns Erwachsene bedeutet das, dass wir uns mehr zutrauen sollten. Wenn wir etwas wirklich wollen, dann können wir es auch lernen und tun.
Da möchte ich gerne ein paar Beispiele anbringen. Gunter lernte nicht in einer förmlichen Ausbildung, wie man Computer zusammenschraubt, einrichtet und wartet – nein, wir brauchen leistungsfähige Rechner, dann beschäftigen wir uns mit dem Thema und irgendwann hat man den Dreh raus. Wie sagt man so schön: „Learning by doing“ (Lernen durch Handeln). Und letztes Jahr stellte Amy sich ihren eigenen Computer zusammen, nachdem sie angefangen hatte sich dafür zu interessieren und montierte und setzte ihn mit Gunters dezenter Assistenz alleine auf. Als die beiden fachsimpelten, qualmten mir schon die Ohren.
Mir geht es mit der Fotografie genauso. Immer wieder komme ich an Themen, in die ich mich einarbeiten muss, und dann mache ich das einfach. Wie zum Beispiel eigene Bücher designen und druckfertig machen. Durch das Internet und erschwingliche Software haben wir viel mehr und ganz neue Möglichkeiten, als wir das früher mit Lehrbüchern und Kursangeboten an der VHS oder im Fernsehen oder sowas hatten.
Amy und Esra studieren wegen der Corona-Krise notgedrungen von daheim aus. Sie schauen sich Vorlesungen zu Themen an und schreiben Hausarbeiten drüber. Wenn ich mir das so ansehe, machen Gunter und ich den ganzen Tag ziemlich das Gleiche. Wir recherchieren, bilden uns zu bestimmten Themen, die gerade relevant sind, weiter und wenden das Gelernte direkt an. Wie cool eigentlich – wir studieren mit Mitte 50!
14. Sich etwas zutrauen
Der erste Schritt, etwas Neues zu lernen ist, es sich zuzutrauen. Das alles haben wir bei eigenen Lernenerfahrungen und bei denen unserer Kinder beobachtet.
Der zweite Schritt ist, sich nichts einreden zu lassen. Von Freunden unserer Kinder haben wir oft Sprüche, wie diese gehört: „Ich kann keinen Film im Original schauen, in Englisch hab ich eine VIER!“ Dann gruselt mich das. Kann er den Film nicht auf Englisch schauen, weil er dann nicht genug versteht, oder fühlt er sich durch die schlechte Schulnote einfach disqualifiziert? Es kostete einiges an Überzeugungsarbeit, und die Teilnahme an Online-Games mit englischer Sprache, dann wurde aus dem ehemaligen Viererkandidaten jemand, der ohne Scheu englisch spricht. Ein Ziel, das nicht allzu oft in der Schule erreicht wird.
15. Y-Kollektiv-Reportage über Freilerner und Schulverweigerer: Funktioniert Schule zuhause?
Im Sommer war David vom youtube-Kanal Y-Kollektiv bei uns. Er arbeitete an einer Reportage über das Freilernen und wollte sehen, wie es nach dem Lernen ohne Schule weitergeht. Wir waren da die idealen Ansprechpartner. Alle drei Kids haben ihr Abitur abgelegt, und zwar in 100%iger Eigenleistung und Eigenverantwortung.
Die Reportage hat bereits mehr als 1 Million Zugriffe!
In dieser Reportage werden zwei Familien vorgestellt. Die erste Familie hat noch junge Kinder, die gerade mit dem Freilernen beginnen. Wir sind die zweite Familie mit inzwischen erwachsenen Kindern (hört sich komisch an, oder?) Die Gegenüberstellung der beiden Familien war gut angedacht, kommt aber nicht ganz so wie geplant bei den Zuschauern an. Es würde uns sehr interessieren, was du von der Reportage hälst? Schreib es uns in die Kommentare!
Ich selbst hatte mir gerade durch einen Unfall den Arm und den Fuß mehrfach gebrochen, war also gar nicht fit und nicht so konzentriert bei der Sache, wie ich es gern gewollt hätte. Ich konnte meine Argumente nicht so präzise auf den Punkt bringen. Esra, Noah und Gunter kamen auch zu Wort, jedoch hat David und das Y-Kollektiv-Team deren Interviews nicht in der Veröffentlichung genutzt. Sehr schade.
16. Sind wir privilegiert oder haben wir nur eine Entscheidung getroffen?
Im Video fragt David, ob nur privilegierte Familien das Freilernen in Deutschland leben können. Diese Frage blieb lange in meinen Gedanken hängen. Sind wir privilegiert, weil wir Reisen und deswegen Freilernen können? Nein, meiner Meinung nach sind wir das nicht. Gunter und ich taten uns extrem schwer mit der Entscheidung, seinen gut bezahlten Job zu kündigen und auf das „sichere“ Einkommen zu verzichten. Würden wir es schaffen, als fünfköpfige Familie von der Reisefotografie zu leben? Und dazu müssten wir noch sechs Monate im Jahr außer Landes sein. Mit drei Teenagern eine nicht zu unterschätzende finanzielle Belastung.
17. Es geht um Prioritäten!
Wir brachten dafür große „Opfer.“ Wir verdienten nur einen Bruchteil dessen, was wir vorher zur Verfügung hatten, nehmen eine wesentlich geringere Rente in Kauf, übernahmen die Verantwortung für die Bildung unserer Kinder und riskierten eine Verfolgung durch die Behörden wegen „Schulverweigerung.“
Das waren schon extrem anstrengende Zeiten für uns Eltern. Das Lernen und die Bildung unserer Kinder war dabei das allerkleinste Problem. Jahrelang machte uns das Kindergeldamt mächtig Ärger. Es forderte unrechtmäßig Geld zurück und zahlte das uns monatlich zustehende Kindergeld nicht aus. Bei jedem Gang zum Briefkasten stand mir der Angstschweiß auf der Stirn. Ämter fordern einfach ohne große Vorlauffristen große Geldsummen zurück. Bei drei Kindern und zwei Jahren kommt da eine für Geringverdiener existenzbedrohende Summe zusammen. Und das wusste das Amt genau, die hatten unsere Steuererklärung. Auf Rückfrage sagten sie am Telefon tatsächlich, dass uns nichts zusteht, weil wir ein zu geringes Einkommen hätten und kaum Steuern zahlten. Schriftlich wollte uns die Dame diese Aussage aber nicht geben.
Also: Wir sind nicht privilegiert, wir haben uns für unseren Lebensentwurf mit allen Hochs und Tiefs ganz bewusst entschieden und nahmen dafür einiges in Kauf. Wir bereuten es nie – ganz im Gegenteil!
18. Travelhacks von Reisefamilien – Buchvorstellung
1000 Travel Hacks für Familien – Best of 40 Reise- und Auswandererfamilien
Antje und Boris von https://nooba.co stellten ein ganz wunderbares, sehr umfassendes Buch für angehende oder bereits reisende Familie zusammen. Ich war beim Lesen begeistert, wie vielfältig die Tipps der 40 am Projekt beteiligten Familien sind. Wir haben unsere Tipps vor allem im Bezug auf Lernen ohne Schule und professionell fotografieren mit der Familie gelegt.
Ich hoffe, dass ich mit diesem Blogbeitrag unsere Lerngeschichte in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht habe. Speziell für unsere kürzlich dazugestoßenen Leser. Viel Freude bei Lesen unserer anderen Freilerner Blogbeiträge.
https://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2013/08/MG_9086.jpg467700Gabihttps://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2021/03/Leuchtturm-o.pngGabi2020-12-02 15:29:352024-02-19 00:05:46Ohne Schule bis zum Abitur – für uns die beste Entscheidung
Wie du als Autodidakt deine Zeit einteilst – Vom Leben lernen
Als Freilerner bzw. Autodidakt wirst du deine Zeit anders einteilen als in der Schule. Wenn man sich etwas selbstständig beibringt, kann man seine Zeit viel effizienter nutzen, da man sie an seine individuellen Bedürfnisse anpassen kann.
Auf meinem Lehrplan standen zum Beispiel unter anderem Mathe und Englisch. In Mathe hinkte ich hinterher wie ein arthritischer, alter Hund hinter einem Postauto, aber in Englisch musste ich im Grunde nur die Pflichtlektüre lesen, Sprachkenntnisse hatte ich bereits mehr als genug. In der Schule hätte ich nun in beiden Fächern jeweils vier Wochenstunden gehabt – in Mathe wahrscheinlich nicht genug um meine Defizite aufzuholen, aber gleichzeitig in Englisch vergeudete Zeit, denn ich wusste es ja schon.
Stundenplan eines Freilerners
Wie teilst du die Zeit am besten auf?
Als selbstbestimmter Lerner konnte ich Englisch „vernachlässigen“ und mich stattdessen umso mehr mit Mathematik befassen, denn dort hatte ich es sehr viel nötiger. Am Ende hatte ich in beiden Fächern eine glatte Eins. Um es anschaulicher zu machen: Ich habe Buch geführt und immer die Stunden aufgeschrieben, die ich vor meinen Büchern saß – in Mathe investierte ich knapp 250 Stunden, während Englisch mit 20 Stunden kaum auf meinem Stundenplan vertreten war.
So war es mit allen Fächern: ich konnte bei jedem Fach so viel Zeit investieren, wie ich es für nötig hielt. Auch in Physik steckte ich um ein Vielfaches mehr Zeit, als ich es bei Erdkunde tat, weil ich es dort einfach nötiger hatte.
45-minütige Lerneinheiten oder lieber ganze Tage mit nur einem Fach?
Die Zeit ist auch effizienter genutzt, wenn man für ein Fach intensiv lernt. Statt alles gleichzeitig zu machen aber von allem nur ein bisschen, wie es in der Schule ist, habe ich immer einzelne Sachen intensiv bearbeitet. Fünf Stunden Mathematik auf einmal können einen weiter bringen als zwei Wochen Unterricht. Eine Schulstunde ist nicht zu 100% effizient – es wird gelegentlich durcheinandergeredet, Blätter werden ausgeteilt, der Lehrer muss Organisatorisches besprechen, oder die Stunde fällt sogar ganz aus, weil es schneit, zu heiß ist oder der Lehrer auf eine Konferenz muss.
Ich habe den Stoff von drei Jahren Schule in etwa neun Monaten gelernt, doch ich sehe mich nicht als übermäßig intelligent. Die Zeitersparnis verdanke ich einerseits dem Umstand, dass ich unterwegs vieles bereits gelernt hatte, und andererseits meine Zeit sinnvoller einsetzten konnte. Im Schnitt arbeitete ich an einem Tag an zwei, manchmal auch drei Fächern, selten mehr. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Schüler das Schulfremdenabitur in ähnlich kurzer Zeit erlernen könnten, vorausgesetzt sie legen sich ins Zeug und arbeiten zielstrebig. Wer nicht auf Reisen geht muss eventuell etwas mehr Zeit einplanen um auch noch Englisch zu lernen, doch drei Jahre wird kaum einer benötigen.
Wie sah der typische Stundenplan aus?
Einen festen Stundenplan hatte ich nicht. Ich hatte mir lediglich selbst die Vorgabe auferlegt, an sechs Tagen in der Woche jeweils fünf Stunden zu lernen. Was genau ich an einem bestimmten Tag lernte wurde spontan entschieden und dann dokumentiert. Ich hatte mir einige leere Tabellen ausgedruckt, um jeden Tag meine fünf Stunden einzutragen – für mich war das ein effektiver Weg um sicherzustellen, dass ich mich auch daran hielt.
Ich arbeitete stets an der „größten Baustelle“. Ich hatte von allen Fächern die Lehrpläne und somit auch einen guten Überblick darüber, was ich schon wusste und was noch fehlte. In dem Fach, in dem am meisten fehlte, wurde auch am meisten gelernt – solange, bis ein anderes Fach weiter hinten lag. Auf diese Weise versuchte ich, in allen Fächern auf einem relativ hohen Niveau zu sein, satt mich auf einige wenige zu spezialisieren und andere zu vernachlässigen.
Wieveil Zeit investierte ich jeweils pro Fach?
Dank meiner Dokumentationen kann ich mehr oder weniger nachvollziehen, wie viel Zeit ich mit den einzelnen Fächern verbrachte. Leider gab es einige Wochen, in denen ich nichts aufschrieb, also sind alle Angaben lediglich gute Schätzungen:
Deutsch: 90 Stunden
Mathematik: 250 Stunden
Englisch: 20 Stunden
Geschichte: 160 Stunden
Musik: 60 Stunden
Geografie: 10 Stunden
Latein: 50 Stunden
Physik: 75 Stunden
Wie lange man sich mit welchem Fach beschäftigt wird sicherlich von Schüler zu Schüler stark unterschiedlich sein. Jemand, der in Mathematik etwas geschickter ist als ich (oder es sich nicht in den Kopf gesetzt hat, eine Eins zu schreiben) wird mit weit weniger als 250 Stunden auskommen. In Englisch müssen andere allerdings wohl mehr pauken, wenn sie nicht mehrere Monate in englischsprachigen Ländern verbringen können.
In der Schule werden alle Fächer einheitlich behandelt, was dazu führt, dass sich die eine Hälfte der Schüler langweilt und die andere nicht hinterherkommt.
https://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2020/03/Stundenplan398klein.jpg525700Esrahttps://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2021/03/Leuchtturm-o.pngEsra2020-03-22 11:03:312023-03-15 16:57:40Wie du als Autodidakt deine Zeit einteilst
„Kinder sind Lernmaschinen. Kinder können gar nicht nicht lernen. Manchmal sieht das wahre Lernen nicht nach Lernen aus.“
Die Herangehensweise an das schulische Lernen ändert sich gerade von Grund auf. Wir geben als Freilerner ein paar Tipps, die dir die Angst vor dem selbstständigen Lernen daheim nehmen sollen. Schau, welcher Tipp dich anspricht, versuche verschiedene Sachen aus. Jeder hat einen ganz individuellen Weg, wie das Lernen am besten klappt. Jetzt ist die Zeit dazu da, das einmal auszuprobieren.
9 Tipps für das selbständige Lernen ohne Schule
Mach dich auf die Suche nach deinem Lernweg. Klammere dich nicht an deine Schulbücher. Wenn du die Lektion im Buch nicht verstehst, sucht dir ein Youtube Video zum Thema. Oder ein anderes Buch, oder eine Webpage, die das Thema erklärt. Danach kannst du dich wieder an das Schulbuch setzen. Auch die Lernzeiten können sehr stark variieren: Manche lernen besser wenn sie eine bestimmte Zeit pro Tag lernen, andere hauen sich lieber einen ganzen Tag lang ein Buch um die Ohren, und machen den nächsten Tag dann gar nichts Schulisches.
Eine gute Übung, dein Wissen zu testen ist es, den Eltern oder Geschwistern ein gelerntes Thema zu erklären. Dabei merkst du schnell wo du eventuell noch Wissenslücken hast. Außerdem lernt die Familie dann mit.
Stecke die meiste Zeit in die Fächer die du nicht gut kannst. Wenn du in Deutsch eh schon gut bist, musst du nicht so viel Zeit aufs Deutschbüffeln verwenden. Und je mehr Zeit du in dein Erzfeind-Fach steckst, desto mehr verlierst du die Angst davor. Sobald du einen Überblick hast, worum das alles überhaupt geht, lässt es sich wesentlich leichter lernen. Übrigens ist hier „viel Zeit“ relativ. Rechne am besten nicht mehr in Schulstunden. Das intensive Lernen daheim ist oft effektiver als das Lernen in einer Schulstunde. Zwei, drei Stunden intensiv an einem Thema sind ein Wahnsinns Fortschritt!
Suche dir prinzipiell eigene Quellen, mit denen du am besten lernen kannst, wenn es die Schulbücher nicht hergeben. Es gibt youtube und tolle Lernseiten. Das ist jedoch alles auch noch schulisch. Richtig spannend wird es, wenn du auf ganz andere Themen umschwenkst. Wie etwa historische Filme und Arztserien oder oder. Die besten Informationsquellen sehen gar nicht nach Schule aus.
Lesen bildet auf zwei Arten! Suche dir ein richtig spannendes Buch aus. Aber in Englisch oder deiner zweiten Fremdsprache. Traue dich ruhig ans Original und nicht an eine gekürzte Schülerversion. Nach den ersten 30 oder 40 Seiten wird es leichter. Und bald wird es dir richtig Spaß machen. Du kannst auch mit einem Buch anfangen, welches du auf Deutsch schon kennst. Und dann lernst du eine Sprache und das im Buch besprochene Thema. Auch Romane sind Bildung!
Schau dir englische Filme und Serien in Originalsprache an. Schalte am Anfang die Untertitel ein. Aber auch in Englisch, sonst verwirrt das nur. Hier ist es wie bei den Büchern, nach einer Weile macht es Spaß, du verstehst immer mehr und am Ende magst du die synchonisierte Version gar nicht mehr.
Mache Pausen. Wenn du merkst das dein Hirn nicht mehr will, und das alle Informationen wieder aus den Ohren rausfließen, ist es an der Zeit das Buch wegzulegen oder das Video zu pausieren. Es muss nicht einmal eine lange Pause sein. Ess etwas, oder spiele eine Stunde ein Computerspiel. Dann kannst du wieder mit guter Laune und mehr Energie ans Lernen gehen. Das ist ja das Gute am Lernen daheim: du kannst auf deinen eigenen Rhythmus achten.
Frage um Hilfe wenn du sie brauchst. Gerade ältere Geschwister sind da praktisch, aber Eltern können auch meistens super helfen. Eventuell haben sie auch Lust sich gemeinsam mit dir an ein schweres Fach oder Thema heranzuarbeiten. Übrigens merkst du dann auch, dass auch Eltern nicht alles wissen können. Dass sie aber wissen, wo sie Wissen herbekommen können.
Gib nicht auf. Manchmal sieht das alles nach einer unüberwindbaren Menge an Fachwörtern und Erwartungen aus. Aber wenn man es Stück für Stück durcharbeitet ist es machbar. Schaue ab und zu zurück und sehe wie viel Fortschritt du schon gemacht hast.
Sieben Ratschläge an die Eltern:
Lass die Kinder morgens ausschlafen!
Ermögliche den Kindern die Selbstorganisation, mische dich nicht dauernd ein. Sag nicht immer wieder: „Jetzt lern doch was“
Vertraue den Kindern und lass ihnen ihren Freiraum. Nur wer sich selbst für das Lernen entscheidet behält sich das Gelernte auch.
Macht euch nicht verrückt. Das ist eine besondere Situation und gleichzeitig eine einmalige Chance. Die Kinder sind im Endeffekt für ihre Bildung selbst verantwortlich. wenn du sie lässt! Auf diese Erkenntnis müssen sie aber ohne Zwang kommen.
Auch wir haben Phasen durchgemacht, in denen wir zweifelten, ob unsere Kinder wirklich lernen oder nur unnützes Zeug machen. Es fällt schwer, sich dann zurückzuhalten. Wir haben es geschehen lassen. Wir hatten ja auch genug Zeit. Im Nachhinein wurde uns klar, dass die Kids immer gelernt haben. Es geht gar nicht ohne.
Indem du den Kindern Vertrauen schenkst, gibst du ihnen mehr Selbstwertgefühl.
Diskutiere offen mit deinen Kindern über verschiedene Lernmethoden, sprecht über Ziele, Zukunftsvorstellungen, Ängste und Vorlieben.
Sei bereit, wenn die Kinder Fragen haben, übe sonst Zurückhaltung. Beantworte keine Fragen, die nicht gestellt werden.
Empfehlungen für Lernmaterialien:
Denke immer daran, dass du jederzeit zwischen den Lernmethoden hin und her schwenken kannst. Das ist der gewaltige Vorteil wenn man mit dem Internet lernt. Passt dir der eine Lehrer nicht, suchst du dir einen anderen. Ist der Lehrer zu schnell kannst du ihn anhalten oder nochmal anhören. Versuch das einmal in der Schule! Außerdem ist es bei dir daheim sicher ruhiger als in der Schule und du kommst sicher doppelt so schnell im Lernpensum vorran. Da bleibt dann noch Zeit für deine Lieblingsserie – aber wenn möglich auf Englisch oder Französich, wie weiter oben schon erwähnt.
KhanAcademy: Denckt nicht wirklich den Deutsch-Lehrplan ab, weil es sich um eine amerikanische Website handelt. Aber sehr viele Themen werden extrem gründlich erforscht. Die Khan Academy ist super für detailliertes Lernen. So ziemlich alle Fächer werden abgedeckt – Geschichte leider nicht so sehr, da der Fokus mehr auf Amerikanischer Geschichte liegt. Die Khan Academy ist ideal, wenn man auch gleichzeitig Englisch lernen möchte. Es gibt mittlerweile eine deutsche Version.
Mathe by Daniel Jung auf Youtube
https://www.youtube.com/user/beckuplearning
Mathe by Daniel Jung auf Youtube. Eine gigantische Ansammlung von Mathevideos, die sich wunderbar an den Lehrplan hält. Sowohl Realschul als auch Abitur. Die Videos gehen in die Tiefe und fördern das genauere Verständnis.
Mathe – Simple Club
https://www.youtube.com/user/TheSimpleMaths
Mathe – Simple Club: Vorsicht, die ironischen Witze können einen nach dem dritten Video etwas nerfen. Aber man bekommt einen schnellen Überblick über Lösungswege und Themen. Wunderbar wenn man einen Lösungsweg nicht ganz versteht, denn der Kanal kümmert sich sehr darum einem zu helfen die Fallstricke zu vermeiden.
Stark Mathebücher: Lehrplanmäßiger Schulstoff
Wahrscheinlich wirst du deine eigenen Lehrbücher nutzen wollen. Aber wer weiß, vielleicht machst du dann das Abitur auch noch im Alleingang?
Pocket Teacher sind superkompakte Bücher. Für den schnellen Überblick und ein tolles Nachschlagewerk. Man kann sie flott durchlesen und das Gelernte auffrischen, oder sich am Anfang des Lernens einen guten Überblick verschaffen. Es gibt sie für alle relevanten Abiturfächer. Pocket Teacher Biologie Oberstufe
Die Cartoons stammen noch aus der Abitur-Lernzeit unseres ältestesten Sohnes. Damit hat er seine Schulbücher lebendiger gestaltet.
Warum geben ausgerechnet wir Tipps für’s Lernen ohne Schule?
Weil wir ganze elf Jahre Erfahrung damit haben und drei Freilerner zum Abitur begleiten durften
Unsere drei Kinder lernen seit 2009 selbstbestimmt als Freilerner. Damals waren sie 15, 13 und 11 Jahre. Sie haben uns auf unseren beruflichen Touren als Reisefotografen in Europa begleitet, keine Schule mehr besucht und so gut wie keinen strukturierten Unterricht erfahren.
Sie haben das gemacht, was ihnen Spaß macht, sind ihrer Neugier und ihren Interessen gefolgt und haben viel gelesen. Hatten sie Fragen oder Probleme, waren wir immer zur Stelle.
Damit hatten sich unsere Kinder eine solide Basis an Wissen geschaffen. Aufbauend auf dieser Grundlage reichten dann zwischen sechs und zwölf Monate intensiveres Lernen mit mindestens fünf Stunden am Tag für die Abitur-Vorbereitung aus.
Auch jetzt in ihrer Studienzeit fallen unsere drei positiv auf, weil sie sich strukturiert und effizient selbst organisieren können.
https://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2020/03/cartoon-11-e1584384232877.jpg361314Gunterhttps://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2021/03/Leuchtturm-o.pngGunter2020-03-16 21:05:112024-01-13 19:19:519 Tipps fürs Lernen ohne Schule während der Corona Krise
https://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2020/03/amy4.jpg613920Gabihttps://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2021/03/Leuchtturm-o.pngGabi2020-03-16 11:23:282023-03-15 16:55:05Lernen ohne Schule bis zum Abitur – von Amy
Wir planten dazu ein kurzes abgeschlossenes Ebook über die externen Abschlüsse unserer Kinder nach den langen Reisen durch Europa zu schreiben. Der Plan ging schief, weil wir einfach zu viele Ideen und Themen hatten, die uns für das Buch wichtig waren. Deswegen haben wir eine 46 seitige Leseprobe eines wesentlich umfangreicheren Werks zum kostenlosen Download bereit gestellt.
Wir denken, dass das Buch noch besser werden kann, wenn wir auf Eure Fragen und Anregungen eingehen können. Also: lade Dir das eBook runter und lass uns wissen, was du davon hälst. Was sollte noch rein ins Buch? Wie sind Deine Erfahrungen mit dem freien Lernen?
Hier die kurze Beschreibung unseres eBooks:
Im EBook »Langzeitreisen und externes Abitur, Gedanken und Tipps zum freien Leben und Lernen« erzählen wir von unseren eigenen Erfahrungen mit dem selbstbestimmten Lernen weil sich das auf unser Familienleben ausgewirkte.
Wir möchten dich dazu inspirieren, über das Reisen, das Lernen und die Schulabschlüsse neu zu denken. Wir möchten wir dir Mut machen, in die Fähigkeiten deiner Kinder zu vertrauen. Unsere Kids hatten im Bezug auf das Lernen die volle Freiheit. Sie trafen die Entscheidung für die externen Schulabschlüsse selbst und bereiteten sich dann auch selbstständig auf Prüfungen vor.
Zum kostenlosen eBook kommst du hier entlang. Außerdem liegen da natürlich auch unsere anderen eBooks (Bretagne, Die richtige Reisekamera, Nordlichtfotografie) – das lohnt also! Du abonnierst damit gleichzeitig unseren Newsletter der etwa einmal im Monat erscheint. Abbestellen kannst du den jederzeit direkt und einfach mit dem Klick auf den Link, in jedem Newsletter.
https://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2013/07/IMG_2543.jpg454700Gabihttps://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2021/03/Leuchtturm-o.pngGabi2018-04-09 11:46:532021-03-30 12:28:2746 Seiten Ebook „Nach der Langzeitreise zum Abitur“