Wir erfuhren, dass die Aida nach Warnemünde kommen würde. Natürlich fanden wir das sehr interessant, ein so großes Kreuzfahrschiff wollten wir gerne sehen, noch dazu, wo wir so dicht am Hafen parkten und das Schiff nur wenige Meter an uns vorbeifahren würde.
Ich stellte den Wecker auf 6:00 Uhr, gegen 6:30 Uhr sollte sie einlaufen. Was für eine blöde Uhrzeit, da ist es ja noch zu dunkel für gute Fotos. Naja, ich wollte es trotzdem sehen. Der Wecker piepste mich aus dem von Träumen unruhigen Schlaf, eine Fähre tuckerte brummend an uns vorbei. Ein Blick gen Hafen, und da stand sie schon! Von uns unbemerkt war sie vorbei gehuscht. Wie gemein! Wir waren extra einen Tag länger geblieben um das zu sehen! Jetzt müßten wir bis zum Abend warten, bis sie sich wieder bewegen würde. Hmm, gegen 19:45 Uhr sollte sie wieder auslaufen. Das wäre doch ein fotogenes Erlebnis.
Wir entschieden noch einen Tag zu bleiben. Mich quälte ein heftiger Kopfschmerz, es wäre gut, einen Tag langsam zu machen.Ich schluckte eine doofe Migränetablette, ruhte, schaute aus dem Fenster ins relativ schöne Wetter und wartete darauf, dass der Schmerz endlich nachlassen würde und die Nebenwirkungen nicht zu heftig zuschlagen würden. Der Schmerz blieb, mir war es kotzübel. Nachdem wir erfolglos versucht hatten einen Arzt zu finden, der uns so kurzfristig ein Rezept für ein anderes Schmerzmittel ausstellen könnte, fand ich eine sehr nette Apothekerin, die meinen Hausarzt anrief und sich das Rezept faxen lies. Uff, vielen Dank dafür!
Gegen Abend war ich dann nicht vollends wieder hergestellt, aber wieder auf den Beinen. Die Sonne umspülte die Landschaft mit warmen Licht, dunkle Wolken hingen am Himmel. Esra begleitete mich durch den Touristentrubel Richtung Strand – dort wollte ich den Leuchtturm im Wolkenmantel fotografieren. Jetzt waren die Anbieter lautstark auf Kundenfang. Es sei die einzig wahre Art, die Ausfahrt der Aida vom ihrem Boot aus zu erleben – es wurde sogar angekündigt, welche Musik gespielt würde. Wir fanden es lustig, ganz kurz war ich sogar geneigt, auch mit zu fahren. Am Strand angekommen, waren alle Wolken grau in grau, die Stimmung war uns auf dem Weg abhanden gekommen. Welcher Platz wäre wohl der beste für die Ausfahrt der Aida? Wir liefen in den Yachthafen und zur Esperanza, doch das Licht, welches die Statue anschien, machte das Fotografieren unmöglich. Die in den Boden eingebauten Lampen blendeten uns mächtig. Geblendet kletterten wir auf die Felsen vor der Esperanza, doch es wurde dunklter und dunkler.
Die grandiosen Wolken, die noch vor wenigen Minuten den Abendhimmel verschönert hatten hingen nun dick und schwer am nächtlichen Himmel, es war dunkler als wir zu dieser Stunde erwartet hätten. Und es würde noch mindestens 45 Minuten dauern, bis das Schiff endlich die trubelige Touristenfracht auf’s offene Meer fahren würde. Hmm, wir hatten keine Lust im Stockfinster der Nacht auf kahlen Felsen zu sitzen. Kalt war es außerdem. Also liefen wir zurück zu unserem Stellplatz und warteten die Ausfahrt ab. Mit ein paar anderen Zuschauern zusammen standen wir am Rande des Wassers und beobachteten, wie sich die Aida majestätisch Richtung Hafenaugang bewegte. Ihr Kapitän sparte nicht mit der donnernden Hupe und lies die Luft mit tieffrequenten Tönen vibrieren, und die Kreuzfahrtpassagiere waren auf ihren Balkons und winken den Menschen am Boden. Die Stimmung hätte schön, fast feierlich sein können, wären da nicht die Beiden Hafenrundfahrt-Kreuzer gewesen. Diese bewegten sich um das Riesenschiff wie Fliegen um einen pompösen, alten, geruchsintensiven Hochzeitskuchen und hatten die Stereoanlagen Marke „Übergröße“ auf 11 gedreht, mit unpassenden Party-Liedern wie „Hands up!“… naja. Die Aida war trotzdem imposant, wie sie, mit allen verfügbaren Lampen nahe dem Hitze-kollaps, hell wie eine junge Sonne durch den Hafen schwebte. Das Spektakel war aber recht schnell vorüber, und der Tag vorbei.