von Esra
Als wir vorige Woche bei einer Wanderung auf „unserer“ Insel, Great Bernera, dem Schreiner Uisoean Paterson über den Weg gelaufen sind, erzählte er uns unter anderem davon, dass der den König der berühmten Lewis-Schachfiguren in nahezu Lebensgröße repliziert hätte. Fasziniert von dieser Vorstellung ließen wir uns also seiner Handynummer geben, um ihn zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal kontaktieren zu können; wir wollen seine Schachfigur unbedingt zu Gesicht bekommen.
Dieser spätere Zeitpunkt war vorgestern gekommen, nachdem wir unsere Einkäufe erledigt hatten. Uisoean wartete vor dem Co-op auf uns und nahm uns mit zu sich nach Hause, wo auch sein Arbeitschuppen stand (welcher im Stil einer norwegischen Fischerhütte gebaut war). Hinter den beiden Holztüren empfing uns eine wohlige, von einem winzigen Holzofen ausgehende Wärme und der Geruch von Holz. Überall lagen Werkzeuge herum, an den Wänden hingen Landkarten und inspirierende Bilder, und unter der Decke warteten Angelruten und andere Utensilien auf ihren Einsatz. In der Mitte des Raumes aber stand der eigentliche Blickfang: Ein fast lebensgroßer Schach-König, der finster blickend auf seinem Stuhl saß, mit dem Schwert auf dem Schoss. Ich hatte zuvor schon Bilder von den Lewis-Schachfiguren gesehen und erkannte diese auf Anhieb; Uisoean hatte eine fast perfekte Kopie hergestellt.
Lasst mich mal kurz ein paar Fakten einwerfen: Bei den Lewis-Schachfiguren handelt es sich um 78 Schachfiguren aus dem 12. Jahrhundert, welche mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit aus Norwegen stammen. Größtenteils sind sie aus Walroß-Stoßzähnen gefertigt, ein paar von ihnen bestehen aber auch aus Pottwalzahn. Sie sind 1831 hier auf Lewis entdeckt worden und befinden sich nun, nachdem sie ein paar mal die Besitzer gewechselt haben, zum größten Teil im British Museum in London; nur ein paar wenige werden im Museum of Scotland aufbewahrt. Sie werden allgemein als einer der wertvollsten kulturellen Schätze Großbritanniens gehandelt, und vor allem auf Lewis stößt man oft auf Bilder und kleine Replikate von ihnen.
Allerdings haben wir noch kaum ein anderes Replikat zu Gesicht bekommen, welches dem von Uisoean Konkurrenz machen könnte. Etwas unter 200 Arbeitsstunden hat er darin investiert, sich mit einem Detail nach dem anderen an das Original heranzutasten.
Das Interessante ist, erklärte er uns, dass die Schöpfer der originalen Figuren auch solch große Holzblöcke in ihren Werkstätten hatten. Wenn sie eine neue Figur herstellen wollten, mussten sie immer zuerst ein übergroßes Musterexemplar bauen, welches sie dann kopierten. Man konnte es sich nicht leisten, an so einem wertvollen Material wie Elfenbein herum zu experiementieren, also tat man dies zuerst an einem Holzblock. Elfenbein war bei den Wikingern sogar noch wertvoller als Gold…
Damit wir bessere Bilder hinbekommen konnten, hievte Uisoean den zentnerschweren König nach draußen, wo Gabi und Gunter ihn mit blitzenden Kameras umkreisten. Die Figur bestand aus einem einzigen, sehr großen Block Eichenholz. Zu Beginn könne man Eiche noch mit Leichtigkeit bearbeiten, sagte Uisoean. Er verglich das frische Holz mit Käse, fügte aber hinzu, dass es nach einiger Zeit hart wie Stahl wird. Seine Figur wäre also extrem robust (wenn auch recht schwer), und mit ihrem dicken Schutzanstrich könne man sie auch problemlos in Wind und Wetter stehen lassen.
Hier auf der Insel haben wir noch kein „kleines“ Lewis Schachset gesehen, schade eigentlich. In Amazon habe ich aber das Lewis Schach-Setgefunden.
Hier geht es zur Seite über das Lewis Schachset beim British Museum.