Kalt und windig begann der Tag. Wie immer zog es mich trotzdem in die Natur hinaus. Es könnten sich die Wellen ja ohne mich und meinen Fotoapparat vergnügen. Gegen Mittag fuhren wir Richtung Norden los. Wir erlebten so viel, dass ich mein Geschreibsel für die bessere Übersicht auf zwei Beiträge verteile.
Harris Tweed Schneiderei
Beginnen wir mit dem Harris Tweed. Das auffällig lustige Logo von Rarebird, Harris Tweed Design war mir beim bereits vor ein paar Tagen beim Vorbeifahren aufgefallen. Neugierig parkte ich den Wagen und schaute im Laden hinein. Ein netter Herr begrüßte mich sehr freundlich und stellte sich als Charles Brough, Miteigentümer des Ladens vor. Ich betrachtete in aller Ruhe die ausgestellten Tweed Sachen. Strahlende Farben, modernes Design, außergewöhnliche Accessoires. Das hatte ich – den üblichen, eher braunen Tweed mit den gedeckten Farben im Hinterkopf – nicht erwartet. Eher so die Sachen, die Prinz Charles zum Jagen tragen würde.
Farbenfrohe Harris Tweeds
Vor allem die Farben fingen meinen fotografischen Blick ein. Wir kamen ins Gespräch. Charles Brough gab mir sehr geduldig und ausführlich Auskunft, erklärte vor allem, wie die wunderschönen, kräftigen Farben zustande kommen. Er rollte seinen speziellen Farbtweed aus, um es zu verdeutlichen. Nur die querlaufende Farbe wird gewechselt und all diese völlig verschiedenen Farben entstehen. Ich zeige Euch das besser in den Bildern:
Harris Tweed Farbmischung – diese Tweed Bahn wird nur hergestellt um die Farbmischungen beurteilen zu können. Einige Farben harmonieren nicht, man kann das nur durch ausprobieren herausfinden und so Fehlproduktionen verhindern.
So kommt der Harris Tweed auf die Laufstege der Welt
„Wir kaufen den gesamten Bedarf an Tweed bei der Carloway Weberei. Sie ist nur ein paar hundert Meter von hier“ erklärte Steve. „Dieses helle Blau ist unsere ganz eigene Farbe. Wir kaufen die gesamte Charge und die Weberei gibt diese Farbe dann nicht andere Nähereien weiter“, meint Steve. Eigentlich ist das Rarebird, Harris Tweed Design, kein Laden, sondern eine Art Großhandel. Der Großteil der Ware geht an die Museen in Edinburgh und Glasgow und auch in die Geschäfte von Japan! Dorthin fährt seine Frau, die für das Entwerfen der Mode zuständig ist, zu Messen und Modeschauen und bringt so den Harris Tweed auf die Laufstege der Welt.
Steve schneidet den Stoff zu, nebenan in der Halle würde alles zusammengenäht. „Wir können da auch rüber gehen, dann kannst Du da noch ein paar Fotos machen“ Jetzt erwartete ich eine große Halle mit einigen Beschäftigten. Wieder war ich überrascht. Steves Frau machte am Computer die Steuer und eine Angestellte fügte Broschen zusammen. Das wars! Klasse!
Wir plauderten noch eine ganze Weile über ganz andere Themen, über Nordlichter und die Insel.
Esra’s Jeans hatte sich an den Knien in Wohlgefallen aufgelöst, ich fragte nach ein paar Stoffresten zum Flicken. Ist doch das beste Souvenir: ein Flicken aus Haris Tweed direkt von der Insel!
Hier findet Ihr die Website von Rarebird Harris Tweed Design.
Fotografieren im eiskalten Wind
Draußen blies der Wind munter weiter. Ich fotografierte eine Weile am Strand Doch die Finger froren mir beim Schrauben der Filter fast ein. Gunter fand es entschieden zu kalt, er fühlte sich nicht ganz so wohl und verbrachte die Zeit musikhörend im Auto.
Auf dem Rückweg kamen wir an der Weberei vorbei. Das mußte ich jetzt natürlich sehen. Steve sagte ich solle es mir nicht entgehen lassen; Norman wäre sehr nett und würde sich immer über Besucher freuen. Es könne sein, dass er nicht da ist, denn er wäre auch Crofter.
Zu Besuch beim Harris Tweed Weber Norman MacKenzie
Nach kurzem Suchen fand ich Norman MacKenzie. Der Schuppen, indem sich der ca. 80 Jahre alte Webstuhl befand, war sehr klein und unscheinbar. Auch hier hatte ich eine große Fabrik erwartet! Nein, ein kleiner Raum und ein einziger Mann reichen aus. Das Weben des Tweeds ist keine Handarbeit, der Webstuhl wird nämlich mit den Füßen betrieben. Strom braucht Norman dazu nicht. „Ich bin in Rente, habe mein ganzes Leben auf dem schottischen Festland gearbeitet. Hier auf der Insel fühle ich mich wohl. Es reicht mir, so ca. 6 Stunden am Tag zu weben. Außer Sonntags natürlich. Ich schaffe so etwa 6-7m in einer Stunde“ erzählte er am Webstuhl sitzend.
Dann legte Norman los, flink schoss das Garn hin und her. Ziemlich laut war es auch. Wie bei einer Spieluhr gibt es ein Band, welches in die Machine eingelegt wird, damit die farbigen Fäden automatisch wechseln und das Muster entsteht. Auch Norman bekommt Bestellungen aus aller Welt. Der letzte große Auftrag kam aus Deutschland. Er verschickt sie per Post, eine Webpage hat er nicht.
Eine Frage hätte ich noch: „Warum heisst es „Harris Tweed“? Wir sind doch auf Lewis?“ Norman lachte.“ Ja, der Tweed begann auf Harris und wurde deswegen so genannt. Dann reichte der dort hergestellte nicht mehr aus und auch auf Lewis wurde gewebt. Für kurze Zeit wurde der Name Harris & Lewis Tweed verwendet. Die Leute waren verwirrt, also ging man zum unrsprünglichen Namen zurück. Echter Harris Tweed kann nur auf den Äußeren Hebriden hergestellt werden. Schon die Isle of Skye, die zu den Inneren Hebriden zählt, ist zu weit weg.“ Das erinnerte mich an den Scotch Whisky, der diesen Namen nur tragen darf, wenn er in Schottland hergestellt wird und mindestens 3 Jahre in Schottland reift!
Die Wolle von der Isle of Lewis reiche nicht aus. So wird sie von Schottland (!) geholt.
Fasziniert betrachtete ich das solide, zuverlässige Gerät. Wie effektiv das Ganze doch ist! Je mehr ich über diesen wunderbaren Stoff erfuhr, desto mehr zuckte meine Hand Richtung Portmonee Ich hätte da auch gern ein Kleidungsstück! Aber ein Schal tut es nicht. Es muss schon mehr sein.
Also: wem sollen wir Stoff besorgen??
[yellow_box]Harris Tweed
Hier sind ein paar Links zum Harris Tweed bei Wikipedia und The Harris Tweed Authority nach.
Tom Hanks trägt ihn als Robert Langdon im DaVinci Code, Miss Marple ist damit kostümiert, Nike schmückt seine Sportschuh-Sonderserien damit, Vivianne Westwood ist ein großer Fan.
Die Rede ist vom Harris Tweed einem handgewebten, widerstandsfähigen Wollstoff mit dezenter Optik, der exklusiv auf den Äußeren Hebriden hergestellt wird.
Die Ursprünge des Harris Tweed reichen in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurück. Die Einwohner der Hebriden webten einen dichten Wollstoff für den Eigengebrauch, um sich gegen das rauhe Klima zu schützen. Gefärbt wurde die Wolle mit Naturfarben aus Flechten.
Daran hat sich bis heute nicht sehr viel geändert. Handgewebt wird noch immer, nur die Webstühle sind breiter, um den Vorgaben der Modeindustrie Rechnung zu tragen. Und neue Farbstoffe und Designs sind dazugekommen.
Echter Harris Tweed ist am Etikett mit dem malteserkreuzgekrönten Reichsapfel zu erkennen. Er darf ausschließlich auf den Äußeren Hebriden gesponnen, gefärbt und im typischen Webstil handegewebt werden. Die Wolle allerdings kann auch vom schottischen Festland stammen.
Wer sich kein Jacket oder Kostüm aus Harris Tweed zulegen möchte, kann ihn auch als Krawatte, Schal, Mütze, Handtasche und Schuhe (danke Nemi!) erwerben.[/yellow_box]