Mit dem Fahrrad über die Inselgruppe der Lofoten
Vor einigen Tagen trafen wir Emily, eine kanadische Weltbummlerin, auf einem Stellplatz nördlich von Ramberg. Ich wusste sofort, dass es sich hier um eine höchst interessante Person handeln musste, denn sie war allein mit dem Fahrrad unterwegs…
Es war noch relativ früh am Morgen, also bot Gabi ihr erstmal einen heißen Tee und ein belegtes Brot an. Wir plauderten eine Weile lang. Bei jedem Satz, den sie über ihre Reisen erzählte, erschien sie uns verrückter (und, da wir selbst verrückt gelten, selbstverständlich auch sympathischer) .
Sie war zwar Kanadierin, sehr viel hatte das allerdings nicht zu heißen – seit vier Jahren hatte sie weder Fuß noch Fahrradreifen auf kanadischen Boden gesetzt. Stattdessen war sie, sobald sie aus der Schule war, auf jedem einzelnen Kontinent unterwegs gewesen (bis auf Afrika, sagte sie… das zähle nicht, da hätte sie erst einige wenige Länder besucht). Einmal kurz habe sie auch studiert, nämlich Tourismus. Lange hat das aber nicht gedauert, sie bekam nämlich Wind von einem erstklassigen Job in der Branche, und bevor ihre Kommilitonen wussten was los war, wanderte und paddelte sie quer um Grönland herum und assistierte einem Fotografen bei seiner Arbeit.
Reisen und Arbeiten
Als sie genug Geld verdient hatte, schwang sie sich wieder auf ihren Drahtesel und reiste um die Welt, diesmal startete sie in Südostasien. Ein Jahr später fand sie sich dann irgendwie in Nordnorwegen wieder, wo sie als Erstes als Kajak-Guide ihre Finanzen aufstockte, bevor sie weiterfuhr – so mache sie das immer, ein Weilchen Arbeiten und dann solange fahren, bis sie das Geld aufgebraucht hat. Dann arbeitet sie wieder ein paar Monate, und so weiter.
Langzeit Radfahrer treffen
Unsere Begeisterung für ihren Lebensstil wuchs stetig, und Gabi meinte, sie solle doch ein Buch über ihre außergewöhnlichen Reisen schreiben. „Ach was, sowas macht doch jeder!“ erwiderte sie „Ich treff‘ andauernd auf andere Langzeit-Radfahrer“. Ihr treues Gefährt machte übrigens auch genau den Eindruck, als hätte es schon zehntausende Kilometer hinter sich; und nicht viele davon auf befestigten Straßen. Es sah robust aus, zeigte aber auch eine ganze Reihe an kleinen Abnutzungsspuren. Außerdem hatte sie zahlreiche kleine Modifikationen angebracht, eine der Länge nach aufgeschnittene Plastikflasche als Schutzblechersatz beispielsweise, oder einen massiv aussehenden Gepäckträger. Den hätte sie von einen anderen Fahrrad erbeutet, welches seinem Besitzer den Dienst versagt hatte. Er habe es ihr dann als Ersatzteillager überlassen, bevor er sich auf die Suche nach einem neuen Gefährt machte.
Der massive Gepäckträger war aber auch bitter nötig, nach der Menge ihres Gepäcks zu urteilen. Sogar ihren Laptop hatte sie dabei, und als alles fest verschnürt an allen Ecken und Enden ihres Drahtesels hing, machte dieser eher den Eindruck eines Packesels. Ich fragte, ob ich das Rad mal anheben könne, um zu sehen wie schwer es ist. Sie lachte. „Das Teil kann man nicht anheben, dafür hab ich viel zu viel hinten drauf gebunden!“.
Fahren konnte man es aber doch noch, und das tat sie dann auch bald. Ihr nächstes Ziel sei Moskenes, da würde sie einen alten Freund treffen und mit ihm ein paar Tage wandern gehen. Sowieso wäre ihr Lofotenaufenthalt bald vorüber, es stand nämlich der Jakobsweg auf dem Plan, den sie mit ihrer Familie zusammen bezwingen wollte… Ich muss schon sagen, so ein inspirierendes Gespräch hat man nur selten. Es steht schon so gut wie fest: sobald ich mein Abi in der Tasche hab, geht’s mit dem Rad ab nach Schottland, und zwar auf zwei Reifen! Die Idee hatte ich schon vorher, jetzt ist daraus ein Vorhaben geworden!