Pilsum, der Otto Leuchtturm
Einer der bekanntesten Leuchttürme Deutschlands ist nicht nur unglaublich klein, er hatte auch nur ein kurzes aktives Leben als Leuchtturm.
Wir reden vom Pilsumer Leuchtturm, den jeder als der Otto Leuchtturm kennt. Bei unserem ersten Besuch am Leuchtturm verhinderte ein trister grauer Novemberhimmel eine erfolgreiche Fotosession. Dafür schmuggelten wir unwissend unseren Dackel zum kleinen Leuchtturm.
Aber hier erst einmal ein paar Infos zum Leuchtturm von Pilsum
Der nur Elf Meter hohe runde Eisenturm bei Pilsum in der Gemeinde Krummhörn ist in den Nordseedeich hineingebaut worden. Er ist einer der kleinesten Leuchttürme an der Nordseeküste und Deutschlands. Der 1883 errichtete Turm hatte nur ein kurzes aktives Leben als Leuchtfeuer. Im Ersten Weltkrieg durfte er aus Sicherheitsgründen nicht leuchten, und danach hatten sich die Fahrrinnen der Schifffahrt so durch Sandablagerungen verschoben, dass er als Leitfeuer nutzlos wurde.
Hier hört der Leidensweg des unifarbig roten Turms nicht auf. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges musste die rote Farbe weichen, um den feindlichen Mächten kein Orientierungszeichen zu bieten. Seitdem saß der kleine Turm ganz verschüchtert im tristen marinegrau auf dem Deich. Niemand schien mehr jemals etwas daran ändern zu wollen. Hatte man den kleinen Leuchtturm ganz vergessen?
Das Grau wurde im Laufe der Jahre durch Rostrot aufgelockert, was automatisch und kostenfrei geschah. 1972 gab der Pilsumer Leuchtturm ein gar trauriges Bild ab und stand schon fast vor dem Abriss.
Das Deichfundament hatte ebenfalls nachgegeben, so dass der Turm sich seitdem leicht Richtung aufgehende Sonne verneigt. Er macht dem Schiefen Turm von Pisa aber noch lange keine Konkurrenz.
Die Rettung naht!
Da geschah das Wunder in Gestalt des in Friesland legendären Oberdeichrichters Jannes Ohling. Dieser sah den Leuchtturm im Rahmen einer alljährlichen Deichbeschau, regte sich fürchterlich über den desolaten Zustand auf und befahl die sofortige Renovierung. Deswegen erstrahlt das Pilsumer Wahrzeichen seit 1973 endlich im frischen rot-gelb geringelten Gewand.
Noch eine Renovierung? Jetzt verdient der Leuchtturm sein eigenes Geld!
Wie es leider mit eisernen Bauwerken am Meer so ist, die Dinger rosten. Also muss alle naselang der Rostbefall ausgemerzt und der Anstrich erneuert werden. Bei der ersten Großrenovierung 1973 musste einige Stahlbleche von der Außenhaut ersetzt werden, das Dach wurde abgenommen und repariert.
Aber der Rost frisst unersättlich weiter. Schon 1984 muss wieder renoviert werden. Diesmal ist auch der Innenbereich dran. Und das undichte Kupferdach wird komplett erneuert.
1997 werden bei einer Beschau schon wieder schwere Rostschäden entdeckt. Das Küstenschutzamt kann die auflaufenden Renovierungskosten nicht mehr stemmen und stellt den Turm zum Verkauf ein.
Der Oberdeichrichter Gisbert Wiltfang nutzt das Gebot der Stunde und erwirbt den Turm. Die nötigen Arbeiten sind kostspielig. Wieder müssen Stahlbleche ersetzt werden, das Dach brauch eine neue Unterkonstruktion, die Treppen im Inneren müssen neu und größer angelegt werden.
Mit einer gewaltigen Spendenaktion schafft es der Oberdeichrichter, die nötigen Gelder zusammenzukratzen. Und seit 1998 verdient der durchrenovierte Leuchtturm sein eigenes Geld. Als Film- und Fotokulisse, als Standesamt und Werbeträger.
Der Pilsumer Leuchtturm bekommt ein besonderes Licht
Was ist ein Leuchtturm ohne Leuchte?
Ein Bauwerk, sonst nichts!
Also kontaktierte eine Gruppe von Leuchtturm-Enthusiasten den Oberdeichrichter Gisbert Wiltfang, und zusammen suchten sie eine Möglichkeit, diesen Missstand aus der Welt zu schaffen.
Die originale Petroleumlampe konnte nicht mehr dazu verwendet werden, aber die Truppe fand eine gleichwertige Lösung. Die alte Lampe des Borkumer Leuchtturms war gerade ausrangiert worden und fand so eine neue Heimat im Pilsumer Turm.
So schickt der Pilsumer Leuchtturm seit 2007 des nachts seinen Leuchtstrahl wieder über das Meer, wie es sich für einen richtigen Leuchtturm gehört.
Warum ist der Leuchtturm jetzt rot-gelb?
Der Pilsumer Leuchtturm war ja zu Anfang in einem amtlich bestimmten Rot gestrichen, das für aktive Leuchtfeuer reserviert ist. Das kam also nicht in Frage. Das schnöde Grau war auch keine ästhetische Option. Und weil jetzt nicht mehr auf sachliche Korrektheit geachtet werden musste, der Leuchtturm hatte ja dienstfrei, wurde er gelb-rot geringelt gestrichen. So kontrastiert er genial mit der Landschaft, mit den grünen Wiesen und dem blauen Himmel.
Der Pilsumer Leuchtturm als Filmstar
Richtige Berühmtheit erlangte der Pilsumer Leuchtturm als Ottos Wohnung in dem Film „Otto – der Außerfriesische“. Seither heißt der Leuchtturm auch Otto Leuchtturm. Und viele Touristen möchten diese kleine Sehenswürdigkeit genau deswegen sehen.
Jetzt war der Pilsumer Leuchtturm einmal als Filmstar entdeckt, da bekam er noch weitere Auftritte in Otto-Filmen und sogar im Tatort.
Leuchtturm als Standesamt
Sehr populär ist er auch als Trauzimmer des Standesamtes Krummhörn. Die 400 Euro Gebühr ist er allemal wert. Brautpaare aufgepasst, die Trauung wird am Standesamt ihres Wohnortes angemeldet. Die leiten dann die Unterlagen nach Krummhörn weiter.
Der Pilsumer Leuchtturm als Fotomotiv und Sehenswürdigkeit
Eine große Gruppe, für die der Pilsumer Leuchtturm extrem interessant ist, sind die Fotografen. Die einzigartige aber für Leuchttürme untypische gelb-rote Farbe inmitten des grünen Deiches an der Nordsee macht ihn zu einem unwiderstehlichen Fotomotiv. Wahrscheinlich wird dieser kleine Leuchtturm weitaus häufiger fotografiert als der höhengewaltige Campener Leuchtturm in der Nachbarschaft. Nachweise kann ich das natürlich nicht!
Sternenbahnen-Fotografie am Pilsumer Leuchtturm
Ein paar Jahre später war unser zweiter Besuch in Ostfriesland wettermäßig erfolgreicher. Tagsüber genossen wir blauen Himmel mit Wolken, morgens wunderschöne, farbenfrohe Sonnenaufgänge und nachts war der Himmel sternenklar. Was für gute Bedingungen fürs Fotografieren auch in der Nacht. Bei so wichtigen Fotomotiven wie den Otto Leuchtturm müssen wir einfach dran bleiben. Und notfalls eben zu einer anderen Jahreszeit nochmal kommen oder länger bleiben.
Die morgendliche Fotosession war wesentlich angenehmer als die am Abend. Morgens zum Sonnenaufgang sind höchstens mal ein paar Fotografen unterwegs. Wir waren ganz allein, was an der Nebensaison liegen könnte und mussten nicht drauf warten, dass die Menschen aus dem Foto gehen.
Nachts warteten wir, bis es richtig dunkel war, und zogen mit unseren Stativen zum Leuchtturm. Das war eine ruhige, eindrucksvolle Nacht! Diese Dunkelheit, diese Ruhe.
Es gibt einige Möglichkeiten, einen Leuchtturm in der Nacht zu fotografieren. Beim Pilusmer Leuchtturm stört zumindest kein grelles Leuchtturmlicht die nächtliche Fotografie.
Die drei Arten der Sternenfotografie am Pilsumer Leuchtturm, die wir an diesem Abend ausprobierten.
- Kreisrunde Sternenbahnen – mit dem Polarstern im Foto als Einzelfoto mit einer Belichtungszeit von mehr als 1200 Sekunden – also eine 20-minütige Belichtungszeit.
- Gestacktes Bild zusammengesetzt aus 50 einzelnen Aufnahmen zu je 30 Sekunden mit extrem vielen Sternen da es bei ISO 4000 aufgenommen wurde
- Sterne, Sternschnuppen und Leuchtturm mit 30 Sekunden Belichtungszeit bei hoher ISO
An dieser Stelle nur eine kurze Erklärung zu den Sternenaufnahmen
Die Anzahl der Sterne, die du auf dem Foto dann auch siehst, hängt von der ISO Empfindlichkeit und der Blendenöffnung ab. Je weiter die Blende geöffnet ist, desto mehr Licht kann die Kamera einfangen und da haben auch schwächere Sterne die Chance einen Eindruck auf dem Foto zu hinterlassen. Genauso ist es mit der ISO. Je höher die ISO ist, desto mehr Sterne siehst du.
Bei Sternenbahnenfotos ist das, wie du in unserem Bildbeispiel sehen kannst, nicht von Vorteil sehr viele Sterne zu sehen. Die Sternenbahnen verlaufen dann ineinander. Bei den Sternenbahnenfotos finden wir die Einstellung mit ISO 500 bis 800 besser als mit 2000 bis 4000.
Sternenaufnahmen – 30 Sekunden oder 620 Sekunden
[caption id="attachment_40752" align="aligncenter" width="1200"] Pilsumer Leuchtturm bei 620 Sekunden, f 3,5 und ISO 500, 24 mm[/caption]
[caption id="attachment_40753" align="aligncenter" width="1200"] Pilsum, Norddeutschland. 30 Sekunden, f 3,5, ISO 4000 bei 24 mm[/caption]
Der direkte Vergleich: Viele und wenige Sterne, hohe und niedrige ISO
Hilfe – Pilsumer Leuchtturm gerade rücken klappt nicht!
Noch ein kleiner Hinweis an die Fotografierenden. Architektonisch penible Fotografen könnten aus bestimmten Aufnahmewinkeln heraus leicht graue Haare kriegen. Im Text hatten wir schon erwähnt, dass der Pilsumer Leuchtturm eine leichte Schieflage hat. Wer das nicht weiß und versucht, den Turm am Computer exakt gerade auszurichten, wird auf gewisse Schwierigkeiten stoßen.
Auch wenn der Pilsumer Leuchtturm sicher einer der meistfotografierten Leuchttürme der deutschen Nordseeküste ist, lohnt es sich, nach einer eigenen Interpretation zu suchen und einfach mal etwas auszuprobieren.
Wie kommst du zum Otto Leuchtturm?
Pilsum liegt an der Nordseeküste auf halbem Weg zwischen Emden und Norden. Asphaltierte Wege führen zum Leuchtturm-Parkplatz am Rand des Naturschutzgebietes Hauener Pütte. Vom Parkplatz aus sind es noch 500 Meter Fußweg bis zum Leuchtturm. Der Weg am Fuß des Deiches entlang darf auch von Radfahrern benutzt werden. Autos dürfen nur mit Sondergenehmigung den Weg zum Leuchtturm fahren. Diese Sondergenehmigungen werden für die Teilnehmer der standesamtlichen Trauungen im Leuchtturm ausgestellt.
Während der Haupt- und Nebensaison steht ein Imbisswagen auf dem Parkplatz, der die hungrigen und durstigen Leuchtturm-Besucher mit Pommes frites, Bratfisch, Fischbrötchen und anderen Leckereien versorgt.
Ein illegaler Dackel am Otto Leuchtturm
Bei unserem ersten Besuch des Pilsumer Leuchtturms waren wir auf der Rückfahrt von den Niederländischen Inseln. Unsere Dackeldame Grindel war mit von der Partie. Wir fotografierten Dackel Grindel bereits mit zahlreichen Leuchttürme für unser Buchprojekt „Wir dackeln durch Europa“. Da sollte der Otto Leuchtturm nicht fehlen. Und zum Glück wussten wir nicht, dass Hund da nicht erlaubt sind. Wir hätten uns nämlich an die Regel gehalten. Jedenfalls kam das so:
Regenschwere Wolken versteckten in Ostfriesland die Sonne und das Blau des Himmels. Wir hielten auf dem Parkplatz vor dem Leuchtturmgelände und warteten auf eine Regenpause. Kaum hatte der Regen nachgelassen und wir die Wohnmobiltür geöffnet, freute sich unser Dackel schon schwänzelnd auf seinen Spaziergang. Wir zogen die Jacken über und liefen los. Die Fotos für unser Buchprojekt würden wir auch bei Regenwetter machen können.
Wir liefen durch offene Gatter, denn ein Serviceteam war mit dem Auto samt Hänger vorgefahren, um irgendwelche Grünabfälle aufzusammeln. So genossen wir die Regenpause, fotografierten bis zum nächsten Schauer und liefen dann im Regen wieder zurück. Wirklich gute Fotos vom Dackel mit dem Leuchtturm waren unter den Bedingungen nicht möglich. Beim Zurücklaufen haben wir die verdeckte Seite des geöffneten Gatters gesehen: „Hunde auf dem Gelände verboten!“
Wir dackeln durch Europa – das Buch.
Übrigens gibt es im Leuchtturm Campen ein Besucherzentrum, wo es ein schönes Buch über den Otto Leuchtturm zu kaufen gibt.
Viel Spaß mit unseren Aufnahmen vom Otto Leuchtturm.
Leuchttürme in Europa