Teil 1, philosophische Gedanken zu Langzeitbelichtungen

Teil 2: praktische Tipps  – Langzeitbelichtungen mit und ohne Graufilter

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Vorwort

Felsen und Wellen, früh morgens, Great Britain

Felsen und Wellen, früh morgens, Great Britain

Seit Erscheinen unseres ersten Ultralangzeit-Artikels im Internet sind jetzt fast exakt zehn Jahre vergangen. In dieser Zeit ist kameratechnisch viel passiert. Die analoge Fotografie hielt 2001 noch große Marktanteile, zwischenzeitlich ist sie auf eine kleine Nische für Liebhaber und Enthusiasten geschrumpft. Die digitale Technik hat einen unglaublichen Siegeszug hingelegt, was in erster Linie der sofortigen Verfügbarkeit und Verteilungsmöglichkeit der Aufnahmen zu verdanken ist. Bilder lassen sich sofort nach der Aufnahme betrachten und beurteilen, einfach bearbeiten und mit einem Fingerzeig an alle Freunde und Bekannte weltweit in Nullzeit versenden. Kameras sind ultrakompakt, haben riesige Zoombereiche, schaffen in der Dämmerung noch aktzeptable Bilder und sind als Standard schon in jedem besseren Handy und in  Smartphones dabei.

Eine gute Gelegenheit also, unseren Artikel zu überarbeiten und zu erweitern. Über die Jahre haben wir auch einige Magazinbeiträge über dieses Thema publiziert. Einen davon: „Faszination der langen Zeiten“, haben wir in überarbeiteter Form integriert.

Die Wurzeln der Langzeitbelichtung

Wer sich für die Geschichte der Fotografie interessiert, kann gut nachvollziehen, mit welchen Widrigkeiten die damaligen Landschafts- und Reise-Fotografen zu kämpfen hatten. Das Equipment aus großformatigen Holzkameras, Stativ, Glasplatten überstieg schon mal das eigene Körpergewicht, eine mobile Dunkelkammer mußte oft auch noch mit auf Tour, um die Platten frisch beschichten und schnell entwickeln zu können. Das große Format verlangte starkes Abblenden, zudem waren die damals verfügbaren Objektive alles andere als lichtstark, und bei den Filmemulsionen erschien es fast vermessen, von Empfindlichkeit zu reden. Daraus resultierten zwangsläufig Belichtungszeiten im Minuten- wenn nicht sogar im Stundenbereich. Diese Tatsache erschwerte das Fotografieren zusätzlich, denn jede Windbö oder ein unachtsames Anstoßen der Kamera konnte die Aufnahme ruinieren.

Der technische Fortschritt, immer schneller!

Damit war auch gleichzeitig die Richtung des technischen Fortschritts festgelegt, dem die  Fotografie ungebrochen bis heute ihren phänomenalen Siegeszug verdankt: kompaktere Kameras, vereinfachte Bedienung und natürlich immer empfindlicheres Filmmaterial, später Aufnahmechips, und lichtstärkere Objektive.

Wellenexplosion

Wellenexplosion

Schnelligkeit ist auch heutzutage eines der schlagkräftigsten Aspekte, den die Fotoindustrie in der Werbung einsetzt: Verwacklungssicherheit, aus der Hand fotografieren auch unter ungünstigen Lichtbedingungen, High-End-Kameras mit ultraschnellen Verschlüssen und schnellen Bildfolgen, das alles gewürzt mit einer Unzahl automatischer Belichtungsprogramme und Autofokus-Einstellungen. Das Ende der Fahnenstange ist in technischer Hinsicht noch lange nicht erreicht die Digitale Fotografie und das Internet haben das „immer Schneller“ auf die sofortige Verfügbarkeit,  einfache Bearbeitung und weltweite Verteilung ausgeweitet. Die digitalen Spiegelreflex-Kameras schrauben die Empfindlichkeit mit jedem neuen Modell höher, bis weit in Bereiche, von denen ein Analog-Fotograf nie träumen durfte. Digitale Kompaktkameras in Scheckkartengröße erregen kaum noch Aufsehen, Handys gibt es fast nur noch mit eingebauter Kamera. Wahrscheinlich dauert es nicht mehr lange, da ist die Kamera in die Sonnenbrille integriert und löst auf ein Augenzwinkern hin aus. (Edit, Februar 2014: Ist de facto schon passiert, siehe Google Glass)

Entschleunigung ist gefragt, auch in der Fotografie

Bilder voller Dynamik und Action prägen den  modernen, aber auch hektischen Zeitgeist, aber was dabei verloren zu gehen droht, sind die Sorte Fotografien, welche eine meditative Ruhe ausstrahlen: Ansichten, auf denen Seen und große Flüsse spiegelglatt erscheinen, Meeresbrandung verwandelt Küsten in mystische Nebellandschaften,  Wasserfälle und Wildbäche wirkten überirdisch weich wie aus dem Elfenland, grandiose Landschaften mit Detailreichtum und monumentaler Tiefe laden zum Betrachten ein.
Früher eher ein notwendiges Übel, besonders in der Großformatfotografie, ist es heute paradoxerweise eine technische Herausforderung, der modernen, speziell der digitalen Technik wieder etwas von dieser Langsamkeit zu entlocken.  Der einfachste Weg ist natürlich, in der Dämmerung und nachts zu fotografieren, um lange Belichtungszeiten zu erreichen, Bildgestaltung mit wechselnden Lichtbedingungen ist dabei allerdings nur in sehr begrenztem Maßstab möglich. Um bei Tage auf lange Belichtungzeiten zu kommen, müssen weitere Maßnahmen zur Lichtreduzierung gefunden werden, denn die Aufnahmechips sind nicht unempfindlich genug, die Objektive lassen sich nicht weit genug abblenden. Auch sind längst nicht alle kompakten Digitalkameras für diesen Einsatzzweck geeignet; entweder rauschen sie zu stark, oder bieten überhaupt keine Gelegenheit, längere Belichtungszeiten einzustellen zu können.

Langzeitbelichtung mit moderner Technik

Glücklicherweise ist die digitale Technik so weit fortgeschritten, daß ein Großteil der erhältlichen Spiegelreflex- und Systemkameras, und einige hochwertige Kompakte langzeittauglich sind. Vorausgesetzt, längere Verschlußzeiten lassen sich manuell einstellen, oder der Automatikbereich läßt längere Zeiten zu, und die Messung erfolgt durch das Objektiv, wichtig vor allem bei den Kompaktkameras. Für Spiegelreflex-Kameras sollte unbedingt ein Okularverschluß oder zumindest eine Abdeckung für den Suchereinblick vorhanden sein, sonst überstrahlt die Aufnahme wegen des durch den Sucher einfallenden Streulichts gnadenlos. Nach Kamera und Objektiv ist ein stabiles Stativ unabdingbar; keiner wird allen Ernstes von sich behaupten können, daß er 30 Sekunden oder mehr verwacklungsfrei halten kann. Hier ist das Geld in gute Qualität bestens angelegt. Kabelauslöser mit oder ohne Intervalltimer für schonendes Auslösen,  und eine Uhr für Zeitmessung, wenn manuelle B-Einstellung benutzt wird, sind gerne gesehene Begleiter in der Kameratasche, wenn es auf Langzeitexkursion geht.
Das wichtigste Hilfsmittel für Langzeitaufnahmen bei Tageslicht sind Neutral-Graufilter mit hoher bis extremer Dichte. Für die bildmäßige Fotografie empfehlen wir die Stärken 64-fach und 1000-fach. Auch die Kombination eines Graufilters mit einem Polfilter für gesättigere Farben bringt noch gut eine zusätzliche Blende mehr.

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Das Motiv und dessen Interpretation – Möglichkeiten der Bildgestaltung

Langzeit ist einfach eine zusätzliche und schon sehr lange bekannte Möglichkeit der Bildgestaltung. Hier wird kein kurzer Ausschnitt aus einem Geschehnisablauf festgehalten, der für das Ganze stehen soll, hier werden Abläufe in einer größeren Zeitspanne gesammelt, quasi ein Kurzvideo auf ein Bild verdichtet. So lassen sich auch Prozesse sichbar machen, die aufgrund ihrer Langsamkeit für das menschliche Auge nicht ohne weiteres wahrnehmbar sind. Bekannteste Beispiele dafür dürften die Sternbahnen oder auch Leuchtspuren von Fahrzeugen bei Nachtaufnahmen sein. Fließende Gewässer und Wellenbewegungen offenbaren ihr Strömungsverhalten und danken es mit interessanten Mustern, an windigen Tagen erhalten die am Himmel dahinziehenden Wolken eine ungeahnte Dynamik. Ein weiteres klassisches Anwendungsgebiet sind Architekturaufnahmen in belebter Umgebung, bei steigender Belichtungslänge mutieren Menschen zu transparenten Geisterbildern und verschwinden irgendwann auch vollständig.
Egal welche Abläufe eingefangen werden, allen gemeinsam ist eine gewisse Unvorhersagbarkeit des Ergebnisses, und nur so kommt es auch immer wieder zu überraschenden Bildern und neuartigen Effekten. Wunderbarerweise haben alle Digitalkameras Displays für die Bildkontrolle direkt nach der Aufnahme, so lassen sich Komposition und Belichtung sofort begutachten und im direkten Nachschuss korrigieren. Es ist klar, Experimentierfreude ist angesagt, als Anregung hierzu die Möglichkeit, Langzeit mit Mehrfachbelichtung zu verbinden. Ob nun mehrere Langzeitparts, oder Kurzzeit mit Langzeit überlagert, ganz gleich, Hauptsache man hat Spaß dabei.

Unser Hauptthema: Das Meer in der Langzeitfotografie

Unsere favorisierten Motive sind die Küsten der Meere, egal ob Detail oder Übersicht. Wie eingangs schon angesprochen, nutzen wir die Technik primär, um ruhige, meditativ gestimmte Bilder zu erhalten. Dadurch, daß wir die Meeresoberfläche „glattbügeln“, tritt deren Struktur nicht mehr in Konkurrenz mit der Struktur der Küstenlandschaft. Die Komposition wird auf weniger Elemente reduziert und klarer, die Dynamik der Wellen wird durch eine träumerische Stille ersetzt. Beim Betrachten gerade das Richtige, um nach einem stressgeladenen Arbeitsalltag etwas innere Ruhe wiederzuerlangen.

Lies unbedingt auf den praktischen Teil unseres Langzeitartikels:

Langzeitbelichtungen mit und ohne nd-Filter

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