Mit dem Hausboot unterwegs auf der Mecklenburgischen Seenplatte
Fast wie Huckleberry Finn
Normalerweise sind wir mit unserem Wohnmobil unterwegs. Auf unseren Touren suchen wir meistens die Nähe zum Wasser. Je dichter dran, desto besser. Jetzt machen wir das halt einmal anders. Wir nehmen gleich ein Boot, ein Hausboot. Anfangs dachte ich, das ist in etwa so, wie Huckleberry Finn auf dem Mississippi herumgegondelt ist. Eine Art Floß mit einem Dach überm Kopf. Auf unserer Tour dürfen wir ein Hausboot für eine Woche ausprobieren, was allerdings wenig mit den romantischen Vorstellungen Mark Twain’scher Art zu tun hat. Unser Boot ist mehr ein Haus, das notdürftig schwimmen gelernt hat. Nach den Wochen im engen Wohnmobil kommt uns der Komfort und das großzügige Platzangebot auf einem richtigen Hausboot gerade recht. Zudem gibt es in Deutschland noch viele wunderschöne Regionen, die wir als Meeresliebhaber noch nicht auf dem Radar hatten. Gabi aus Cammin schwärmte zum Beispiel immer von der Uckermark: die Ruhe, die Natur und die Seen. Warum also nicht mal dorthin fahren?
Charterbescheinigung als Schiffsführer
Da keiner von uns einen Binnenschein zum Führen eines Schiffs hat, muss einer eine umfassende Schulung im Schnelldurchgang absolvieren. Wir starten mit ungefähr zwei Stunden Theorie, lernen die relevanten Seezeichen und die Eigenschaften des Hausboots kennen. Dann kommt der praktische Teil. Wie starten wir die Motoren, wie lenken wir ein Hausboot, wie ankern wir im See?
Herr Ottenberg hatte Gedult mit uns, das war auch nötig, denn wir waren noch vom gerade zu Ende gegangenen Schulfrei-Festival geschlaucht. Das Fahren mit dem knapp 15 Meter langen Hausboot ist nicht ohne Tücken. Die Lenken reagiert extrem träge, Ruder einschlagen, zurücklehen und warten bis das Boot irgendwann reagiert. Wir brauchen zudem sehr viel Platz zum manövrieren, und Drehen mit zwei Schiffsschrauben und ohne Staustrahldüsen ist kompliziert.
Auf dem See einfach den Anker runter lassen, wie man es sich gewöhnlich vorstellt, geht auch nicht. Geankert wird an der Uferseite, von der der Wind kommt. Die Entfernung zum Ufer ist mindestens die Länge der Ankerkette plus doppelte Schiffslänge, dabei ist die Ankerkette dreimal so lang wie die Wassertiefe. Obendrein muss der Anker durch Rückwärtsfahren fest in den Grund getrieben, und später durch vorsichtiges Lavieren wieder gelöst werden.
Am Ende der vier Stunden erhält Gunter als Schiffsführer die Charterbescheinigung mit der Auflage, das er Nachts und bei schlechter Sicht nicht fahren darf.
An diesem Tag fahren wir nicht mehr los. Stattdessen füllen wir unsere Vorräte auf, und schaffen unseren Kram ins Hausboot, wo wir uns wohnlich einrichten. Wir haben wesentlich mehr Platz im Vergleich zu unserem Wohnmobil.
Die erste Nacht auf dem Hausboot ist angenehm ruhig, morgens wecken uns die laut schnatternden Enten aus dem tiefen Schlaf. Nach einem Schnellbesuch beim Friseur und ausgiebigem Frühstück kann es los gehen.
Die erste Fahrt mit dem Hausboot
Endlich rollen wir das Stromkabel ein und lösen die Leinen. Ein wenig mulmig ist es uns schon. Werden wir es schaffen, das behäbige Hausboot auf der Havel und den Seen zu manövrieren? Wie wird es uns in den engen Schleusen ergehen? Das kann spannend werden.
Immerhin schaffen wir es auf Anhieb, das Hausboot aus der recht engen „Parkbox“ herauszumanövrieren. Danach ist es ganz easy. Langsam tuckern wir den Fluß entlang. Ein paar Boote überholen uns, ansonsten passiert nicht viel. Es ist unglaublich entspannend. Während der Fahrt fotografiere ich, dazu stelle ich sogar das Stativ aufs Vorderdeck und mache Langzeitaufnahmen. Ich koche zwischendurch Wasser für einen Kaffee. Esra übernimmt das Steuer und Gunter fängt an, das Mittagessen zu kochen. Cool – sowas machen wir im Mobil nicht. Auf dem Hausboot ist wirklich der Weg das Ziel.
Vogelbeobachtung vom Hausboot aus
Schillernd blaue Eisvögel beobachten unser Vorankommen vom Ufer aus. Immer wieder fliegen Reiher über uns hinweg. Kraniche gleiten majestätisch über den See. Wir beobachten sogar einen Adler bei der Jagd. Er ist so nah, dass ich staunend dastehe und gar nicht auf die Idee komme, das Tele draufzuschauben. Das ganze spielt sich in fast absoluter Ruhe ab. Das leise Tuckern unserer beiden kleinen Schiffsdieselmotoren ist das fast einzige Fremdgeräusch.
Wir nähern uns der ersten Schleuse und überraschenderweise klappt alles ganz problemlos. Nur mit der Geschwindigkeitseinschätzung sind wir zu optimistisch. Wir brauchen länger als gedacht und erreichen Hindenburg erst am frühen Abend. Beim „Einparken“ hilft der Hafenmeister mit Anweisungen, und er hilft uns auch mit den Knoten beim Sichern des Hausbootes. Wir wundern uns, dass unsere zukünftigen Nachbarn lachen, als wir anlegen. Auch sie sind das erste Mal auf dem Wasser unterwegs und haben das Anlegen schon hinter sich. Später erfahren wir vom Hafenmeister, dass diese großen Hausboote auch „Zerstörer“ genannt werden. Denn meist werden diese schweren Kähne von Greenhorns gesteuern, die sich noch nicht auf die Massenträgheit eingestellt haben. Und so werden durch Fehleinschätzungen der Geschwindigkeit immer wieder mal Anleger ramponiert.
Wir sind erstmal froh, heil angekommen zu sein. Unsere Dackeldame Grindel muss unbedingt an Land ihr Geschäft erledigen und spazieren gehen. Wir futtern als hätten wir vier Tage nichts bekommen und gehen sehr früh ins Bett. Die frische Luft auf dem Wasser macht tierisch müde.