Tag 8 der Radtour. Fahren Abseits der ausgeschilderten Wege.
Bitte entschuldigt die lange Sendepause – ich habe mich mal wieder in andere Sachen verteift und darüber ganz meinen Reisebericht vergessen! Sorry!
Als mir morgens im Garten unseres Gastgebers aufwachten, lag wieder ein Nebelteppich auf den Feldern um uns herum. Es wurden bei mir alle Lebensgeister richtig wach gerufen, als ich schlaftrunken aus dem Zelt kroch und ein paar Schritte im kalten, nassen Gras tat.
Unser Gastgeber kam auch bald mit dem Auto aus der Einfahrt und erkundigte sich nach unserem Wohlergehen, bevor er sich auf den Weg zur Arbeit machte. Wir packten alles zusammen und folgten ihm ein paar Minuten später auf dem einspurigen Weg zur Schnellstraße, die nach Mariestad führte. Wie gewohnt war kaum etwas los auf den Straßen, und es fuhr sich sehr angenehm. Im Gegensatz zu vorher hatten wir nun keinen ausgeschilderten Radweg mehr, dem wir folgen konnten. Wir hatten nur unsere grobe Landkarte, in deren unterer Ecke Göteborg lag – unser Ziel. Es fühlte sich toll an, ohne festen Plan in den Tag rein zu fahren. Wir hatten eine ungefähre Richtung, aber wir wussten weder, wo wir übernachten würden, noch, wie wir da hinkommen würden.
Wir fuhren gerade auf der Suche nach einem Supermarkt durch Mariestad, da kroch ein himmlischer Duft in meine Nase – ein Duft nach frisch gebackenen Brötchen und saftigen Zimtrollen, nach dunklem Brot und goldbraunen Corssaints. Ich bremste scharf. Eine Bäckerei!
Wir hatten heute noch nicht gefrühstückt und hatten mittlerweile einen Bärenhunger, den wir auch gleich auf dem Parkplatz der Bäckerei stillten. Jeder von uns aß drei Körnerbrötchen, die wir immer abwechseln in eine Packung Frischkäse tunkten, und dann noch ein paar Zimtschnecken. Lecker!
Mit Taschen voller Essbarem fuhren wir aus der Stadt raus und folgten den Landstraßen Richtung Lidköping. Es machte Spaß, immer bis zu einer Stelle am Horizont zu fahren und das dann zu wiederholen. Die Landschaft war wie aus einem schwedischen Kinderbuch.
Irgendwo im Wald legten wir eine Essenspause ein, unter anderem auch, weil vor uns im Himmel eine dunkle Wolke hing und wir nicht in sie hineinfahren wollten. Vielleicht würde sie ja verschwinden, bis wir wieder weiterfahren.
Wir tunkten gerade wieder Brötchen in Frischkäse, da kam ein älterer Herr auf einem genauso alten Fahrrad auf der Landstraße entlang gefahren. Er sah uns und unsere schwer beladenen Räder, grinste breit und hielt an. „Hei!“ rief er „Seid ihr auf Radreise?“. Er stellte sich als Anders vor.
Wir erzählten ihm von unserer Unternehmung und plauderten dann über Gott und die Welt. Jeder zweite seiner Sätze begann mit „Lasst mich euch eine Geschichte erzählen“, gefolgt von einer lustigen Anekdote aus seinem Leben. Insgesamt tratschten und quatschten wir wohl über eineinhalb Stunden lang, so genau weiß ich das nicht mehr, aber auf jeden Fall war die Regenwolke lange weg, bis wir wieder auf der Straße waren.
Irgendwann entdeckten wir ein Rad-Routen-Schild nach Lidköping. Prima, dem folgen wir!
Was zunächst ganz simpel und einfach erschien, stellte sich bald als Fehler heraus. Das schwedische Wort „Cycel“ bedeutet wohl in diesem Teil von Schweden nicht Fahrrad, sondern Mountainbike. Der Radweg führte uns nach ein paar Kilometern Asphalt erst durch einen stillgelegten Steinbruch, und dann auf einem unbefestigten Weg durch einen Wald. Mit meinen dünnen Reifen hatte ich auf den faustgroßen Brocken, die man im Steinbruch als Wegoberfläche aufgeschüttet hatte, einige Probleme.
Doch immerhin war die Aussicht schön. Sehr schön sogar – wir waren nach einiger Anstrengung ganz oben auf dem „Kinnekulle“-Berg angekommen, der zwar wohl eher ein Hügel war, doch trotzdem einen tollen Blick über den Steinbruch und, in weiter Entfernung, den Värnernsee bot. Da der Steinbruch schon seit langem stillgelegt war, wuchsen alle möglichen Bäume und Büsche aus allen möglichen Ecken und Kanten.
Schöne Aussichten hin oder her, das war’s für uns mit Radwegen. Am Ende holen wir uns noch irgendwo im nirgendwo einen Platten. Es macht sowieso mehr Spaß, sich seine Route selbst zusammenzustoppeln.
Wir erreichten Lidköping. Die haben hier einen Campingplatz, das wäre ja auch mal wieder was Nettes, aber diese Spekulation wird schnell vom Rezeptionisten zunichte gemacht, als er uns den Preis mitteilt. Umgerechnet 30€ für ein Gras-Rechteck, um unser Zelt drauf zu stellen – ein bisschen zu viel.
Dann schlafen wir eben irgendwo im Wald, Wildcampen ist ja in Schweden legal. Wo wir genau übernachten wollen, das wussten wir noch nicht, aber wir würden schon was finden. Wir fragten jemanden nach dem einfachsten Weg aus Lidköping raus und radelten dann noch ein paar Kilometer auf irgendeiner Landstraße.
Die besten Übernachtungsmöglichkeiten findet man generell abseits der größeren Straßen, also bogen wir in einen kleinen Waldweg und schauten uns dort um. Wir fanden ein nettes Plätzchen, das laut einem Schild als Ausgangspunkt einiger Wanderwege diente. Es gab ein paar Parkbänke, auf denen wir unser Abendessen einnehmen konnten. Von den Essensmengen, mit denen wir am Morgen alle Freien Ecken unserer Radtaschen vollgestopft hatten, war kaum noch etwas da.
Der Himmel war wolkenlos und die Sterne waren, neben einem einsamen Haus in der Entfernung, das einzige Licht in dieser Nacht.