Wie ihr ja schon wisst, war ich im Sommer zusammen mit meiner Freundin mit dem Rad in Schweden und Dänemark unterwegs. Es war ein Abenteuer, wie es im Buche steht: mit einer Landkarte und unseren Siebensachen sind wir losgezogen, und haben den Großteil der Planung erst an der entsprechenden Straßenkreuzung unternommen. Vielleicht bewegen diese sieben Gründe den ein oder anderen dazu, für die nächste Reise das Fahrrad als Transportmittel in Betracht zu ziehen…
1: Wir waren so frei wie Grundschüler am Samstag
Wer mit dem Rad unterwegs ist, hat keine Verpflichtungen. Vor allem in Schweden, wo man nahezu überall für eine Nacht campen darf, sind wir einfach in den Tag hineingefahren. Wir wussten ja, dass wir unser Zelt einfach auf irgendeine Wiese stellen konnten, wenn wir uns danach fühlten. Wir konnten den Tag nach Lust und Laune gestalten, ohne Rücksicht auf Termine oder Verabredungen nehmen zu müssen.
Einige Zeit lang fuhren wir am Göta-Kanal entlang, doch wir legten viele hundert Kilometer zurück, ohne uns nach einem ausgeschilderten Weg zu richten. In der unteren Ecke unserer großen Landkarte lag Göteborg, und oft fuhren wir einfach von Ortschaft zu Ortschaft, solange wir unserem Ziel näher kamen.
Und auch im Fall einer Panne ist man nicht aufgeschmissen – die allermeisten Fahrrad-Krankheiten lassen sich mit einem Schraubenschlüssel, ein paar Tropfen Öl und etwas Geschick im Nu wieder kurieren. Fahrräder sind relativ unkompliziert, und das macht sie zum Idealen Reisegefährt.
2: Radfahren ist umweltfreundlich
Es gibt kaum eine CO2-neutraleres Transportmittel, als das Fahrrad. Wir durchquerten zwei Länder von einem Ende zum anderen und verbrauchten dabei keinen Tropfen Treibstoff. Auch unser Stromverbrauch war nicht der Rede wert: Wir hatten eine Taschenlampe dabei, um Abends Tagebuch zu schreiben, das wars. Und wo andere im Urlaub leben wie Gott in Frankreich und dabei Berge an Müll produzieren, da fielen bei uns nur ein paar Milchkartons, Müsli-Schachteln und Bananenschalen an.
3: Wir wurden fit wie zwei Turnschuhe
Anstatt mit Benzin liefen unsere Motoren mit Obst, Käsebroten und schwedischen Zimtrollen. Den ganzen Tag lang futterten wir Unmengen an allem, was sich in schwedischen Supermärkten finden ließ. Zwei Stunden nach dem Frühstück hatten wir ein Zweites, dann gingen wir essen, und dann gab es ein weiteres Mittagessen vor dem Abendessen. Ich war rund um die Uhr hungrig, und ich aß auch entsprechend viel.
Unter anderen Umständen wäre ich schnell rund wie eine Melone geworden. Doch wir verbrannten die Kalorien fast schneller, als wir sie hinterherschieben konnten. Nach der Reise brachte ich tatsächlich vier Kilo weniger auf die Waage als zuvor.
Und auch die Muskelbildung konnten wir fast täglich beobachten. Meine Freundin fuhr völlig untrainiert los. In den ersten drei Tagen hatten sie einen gehörigen Muskelkater, doch schon nach kurzer Zeit konnten wir fahren bis es dunkel wurde, ohne es in den Beinen zu spüren. Unsere Körper gewöhnten sich unglaublich schnell an die Beanspruchungen.
4: Egal was wir aßen – es schmeckte wie im Gourmet-Restaurant
Je hungriger man ist, desto besser schmeckt es. Einmal saßen wir irgendwo in der Nähe des Vätternsees im Gras und wollten Müsli essen, ohne Geschirr schmutzig zu machen. Also futterten wir das Müsli mit den Fingern und spülten jeden Bissen mit Milch direkt aus dem Karton runter. Käsebrote bereiteten wir auch nicht erst aufwändig vor: Wir bissen einfach abwechselnd in das Brot und den Keil Käse.
Doch auch wenn wir oft aßen wie die Barbaren, es schmeckte immer köstlich. Bei unserem Appetit wurde jede Pommes-Bude zum exquisiten Fünf-Sterne-Restaurant.
5: Eine Reise per Rad ist billig
Wir hatten keine Benzinkosten, keine Auto-Miete, keine Hotelübernachtungen – Im Grunde gaben wir den Großteil des Geld für Essen aus. In Dänemark zahlten wir etwas mehr, denn da mussten wir auf Campingplätzen übernachten. Wildcampen ist dort verboten.
Wir verbrachten noch ein oder zwei Wochen bei Freunden, und so beliefen sich unsere Kosten für eine fünfwöchige Reise auf unter 500 € pro Person, inklusive Zug- und Fährfahrt.
Dabei waren wir nicht geizig. Wir schmissen zwar nicht mit Geld um uns, aber wenn uns beispielsweise der Duft aus einer offenen Restaurant-Tür lockte, zögerten wir nicht lange.
Wir brauchten auch keine teure Ausrüstung: ich fuhr auf dem 25 Jahre alten Drahtesel meines Vaters, und für meine Freundin kauften wir zwei Wochen vor Reisebeginn ein Rad auf dem Flohmarkt, für 250 €. Dazu ein paar wasserdichte Taschen, und die Reise konnte beginnen. Nur bei der Radfahrhose sollte man nicht geizig sein, die soll einem bei den vielen Stunden im Sattel wertvolle Dienste leisten.
6: Wir lernten Land und Leute besser kennen
Diesen Anspruch stellen viele Reisearten, und es ist auch kein Geheimnis: je langsamer und simpler das Fortbewegungsmittel, desto mehr bekommt man von seiner Umgebung mit. Im Zug saust alles am Fenster vorbei, auf dem Fahrrad hingegen nimmt man die Eindrücke des Landes mit allen fünf Sinnen wahr. Wir sahen viele Details in der Landschaft, das Wasser der Seen, hörten die Bäume im Wind rauschen und trafen Leute in den Ortschaften. Wir rochen die frische Luft, den Geruch von Harz und Nadeln im Wald oder den Duft von nassem Gras. Wir fühlten den Fahrtwind im Gesicht, den Sonnenschein, aber auch den Regen. Das Gehirn kann durch die Stimulation aller Sinne viel mehr Eindrücke abspeichern, und die Erinnerungen sind daher viel intensiver.
Auch mit den Leuten standen wir mehr im Kontakt, denn es ist einfach, von Fahrrad aus ein Gespräch anzufangen. Wenn wir nach dem Weg fragten, führte das meistens zu weiteren, interessierten Fragen, und wir plauderten oft ein paar Minuten am Straßenrand.
Und alle waren gastfreundlich: am ersten Abend suchten wir in Norrköping nach einem Platz zum Übernachten und fanden uns irgendwann auf dem Gelände eines Hunde-Clubs wieder. Die letzten Mitglieder machten sich gerade auf den Nachhauseweg, und als wir nach dem nächstgelegenen Campingplatz fragten, sagten sie: „Ach, es ist doch schon spät. Warum stellt ihr euer Zelt nicht einfach hier auf, ich sperr euch noch schnell das Badezimmer auf.“
Und das passierte uns nicht nur einmal.
7: Wir bekamen einen Sinn dafür, wie groß ein Land wirklich ist
Während wir Schweden einmal von der Ostküste bis an die Westküste duchquerten, bekam ich erst ein Gefühl dafür, wie groß das Land überhaupt ist. Nicht, dass ich es vorher viel kleiner eingeschätzt hätte, aber eine Landkarte ist doch sehr abstrakt, und bei unseren Durchquerungen mit dem Wohnmobil ist halt alles einfach vorbeigerauscht. Wenn man aber die gesamte Strecke mit eigener Muskelkraft zurückgelegt hat, dann weiß man danach, wie viele Hügel, Wälder und Seen zwischen Ost und West liegen. Ernest Hemmingway hat das einmal schön in Worte gefasst:
„Die Konturen eines Landes lernt man am besten auf dem Fahrrad kennen, denn man muss die Hügel mit Mühe hochfahren und saust sie dann wieder runter. So behält man sie in Erinnerung, wie sie wirklich sind, während in einem Auto nur die höchsten Berge einen Eindruck hinterlassen. Man hat keine so akkurate Erinnerung an ein Land, das man durchfahren hat, wie an eines, durch das man geradelt ist.“
Wenn ich jetzt auch die Karte schaue und unsere Route mit dem Finger nachfahre, kommen bei jedem Ortsnamen Erinnerungen hoch, und ich sehe die Landschaft wieder vor mir. Ich bin schon oft mit dem Auto durch Schweden mitgefahren, doch erst auf dem Fahrrad habe ich das Land richtig kennengelernt.
Alles in Allem war die Reise ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Wir fuhren immer der Nase nach in das Ungewisse und erlebten dabei ein Abenteuer, wie man es anders kaum erleben kann. Wer Freiheit und Spontanität schätzt, dem kann ich eine Reise per Fahrrad nur wärmstens ans Herz legen. Wir hatten uns anfangs viele Sorgen gemacht, ob wir uns vielleicht etwas zu viel vorgenommen hatten (bzw etwas zu wenig geplant), doch schon nach wenigen Tagen erkannten wir, dass die Sorgen weitgehend überflüssig waren. Ich kann es kaum erwarten, mich auf die nächste Reise zu begeben!
Mit dem Bericht geht’s die Tage weiter!