Lernen ohne Schule bis zum Abitur – von Amy
Lernen ohne Schule war bisher in Deutschland fast unvorstellbar. Plötzlich, fast über Nacht, müssen Millionen Schüler und deren Eltern damit klar kommen. Die 5reicherts haben seit 11 Jahren Erfahrung mit dem Lernen ohne Schule, und haben alle drei Kinder bis zum externen Abiturabschluss begleitet. Das Lernen daheim kann extrem effektiv sein. Und es ist trotzdem wirklich einfacher als man denkt. Wir leben im Informationszeitalter! Im Internet gibt es unendlich viele Möglichkeiten, sich Wissen auf angenehme Weise anzueignen. Wenn die Schüler die Verantwortung für das Lernen übernehmen dürfen, oder wie es jetzt passiert plötzlich müssen, dann hat das weitere, sehr große Vorteile. Auch an der Uni oder in der Ausbildung wird das eigenverantwortliche Lernen vorausgesetzt, welches Schüler sich nur aneignen können, wenn sie auch frei Lernen dürfen.
Also, liebe Schüler, liebe Eltern – grämt euch nicht. Macht das Beste aus der Corona Krise und genießt die Ruhe und die Möglichkeit, daheim zu lernen. Es funktioniert.
Ein Tipp, den vielleicht einige Lehrer wenig mögen: Haltet euch nicht zu sklavisch an die von den Schulen herausgegebenen Lernpläne. Das ist die einmalige Chance für die Schüler, endlich mal das zu lernen, was wirklich interessiert. Auch wenn es nicht auf dem Programm steht. Das wissen alle Eltern selbst: Was man aus Interesse und Wissbegier lernt, bleibt dauerhaft im Gedächtnis.
Amy berichtet über ihre externen Schulabschlüsse – Abi geht auch ohne Schule!
Kann ich das Abitur auch ohne Schule hinbekommen?
Das war eine Frage, die mich lange beschäftigt hat, obwohl meine beiden älteren Brüder das Abitur extern – also ohne sich in der Schule darauf vorzubereiten – abgelegt haben. „Die sind aber viel schlauer als ich“ oder „Wie soll ich so viel auf einmal lernen?“ Waren Gedanken die mich mehr als einmal besuchten.
Von uns dreien war ich diejenige mit der kürzesten Schulerfahrung. Ich war nur bis zur 5. Klasse zur Schule gegangen. Nach diesen fünf Jahren habe ich zuhause gelernt. Na ja… Erst mal gar nicht. Ich habe Computer gespielt, Fantasybücher gelesen und war mit meinen Eltern viel auf Reisen. Gelernt – jedenfalls klassisch, wie man es in der Schule praktiziert – habe ich kaum. Ab und zu hatte ich mir etwas Mathe angeschaut habe aber schnell wieder aufgehört, als es mir zu kompliziert wurde. Und für was hätte ich Mathe gebrauchen können?
Der Realschulabschluss zur Eingewöhnung
Aber ein Schulabschluss ist heutzutage doch recht praktisch. Gerade wenn man irgendwann mal studieren will. Ich fing erst mal mit dem Realschulabschluss an, um etwas Prüfungserfahrung zu sammeln. Aber was braucht man dafür? Mathekenntnisse natürlich! Die hatte ich nicht. Ich wusste nicht mal, was Pi genau ist, oder dass dieser Pythagoras irgendwann mal so einen Satz aufgestellt hatte. Das fiel mir natürlich erst eineinhalb Monate vor den Prüfungen auf.
Also, meine Lösung: Zwei Monate konzentriertes Mathebüffeln. Ich lernte jeden Tag mehrere Stunden, und versuchte auch noch nebenbei, etwas Bio in meinen qualmenden Kopf zu stopfen. Englisch konnte ich zum Glück schon gut, eben durch das Reisen in Europa herum, und wegen dieser Bücher, die ich immer auf englisch gelesen hatte. Die ganzen Fantasybücher haben dann doch was Positives gebracht.
Vor der Prüfung steht die behördliche Anmeldung
Um kurz zu erklären, wie eine externe Prüfung und die Vorbereitung dazu abläuft: Bevor es überhaupt losgeht, muss man sich bei den Schulbehörden für die externe Prüfung anmelden. Mit dem Ausfüllen von Formularen, einem Lebenslauf und so Sachen. Man lernt dann alles, was man an Stoff braucht Zuhause, oder bei einer speziellen Vorbereitungsschule. Zur eigentlichen Schule geht man nur für die Prüfungen, jeweils eine mündliche oder schriftliche pro Fach. So ist es jedenfalls in Rheinland-Pfalz. Diese Prüfungsnoten entscheiden dann alleinig die Abi-Note, die letzten Endes im Zeugnis steht. Und schon im Realschulabschluss wird man mündlich geprüft.
Ich habe etwas weniger als zwei Monate lang intensiv für die vier schriftlichen Prüfungen des Realschulabschlusses gelernt. Eine meiner Fragen war somit beantwortet: Ja, ich kann so viel auf einmal lernen, wenn auch erst mal „nur“ den Realschulstoff. Sobald ich einmal im Lernprozess war, konnte ich mich auch darauf konzentrieren, und je mehr ich lernte, desto mehr fügte sich alles zusammen und ich konnte plötzlich viele Verbindungen zwischen den Themen und Fächern ziehen. Das hat richtig Spaß gemacht.
Durchhaltevermögen ist gefragt
Vorher hatte ich immer ein Thema aufgegriffen, es eine halbe Stunde oberflächlich angeschaut und dann aufgegeben als es keinen Sinn ergab. Nun aber blieb ich hartnäckiger dran. Sobald ich ein Wort, oder ein Thema nicht verstand, wurde es so lange untersucht, bis es für mich Sinn ergab. Erst dann bewegte ich mich weiter zum nächsten Thema. Gerade beim Lernen der Grundlagen war das wichtig, denn sobald ich diese einmal begriffen hatte, wurde alles Nachfolgende leichter verständlich. Plötzlich war der Lernstoff nicht mehr ein unüberwindbarer Berg an unverständlichen Fakten und Formulierungen, sondern ein Bündel von Rätseln, die ausgetüftelt werden wollten. Das war richtig spannend.
Die Realschulprüfung war erstaunlich einfach
Als ich dann an den Prüfungstagen in der Schule saß, war ich überrascht wie einfach die Fragen erschienen, es war wirklich nur Grundlagenwissen gefragt.
Gerade Mathematik fand ich ziemlich entspannt, was ich auf keinen Fall erwartet hatte.
Auch die zwei oder drei Wochen später stattfindenden mündlichen Prüfungen liefen okay, auch wenn ich wesentlich mehr Angst davor hatte. Etwas auf ein Blatt Papier zu schreiben, die Möglichkeit, das Geschriebene zu korrigieren und es mit dem Wissen abzugeben, dass man es nie wieder sehen muss und auch wochenlang nichts mehr davon hören wird, nimmt der ganzen Sache die persönliche Note. Man denkt nach einer Weile gar nicht mehr daran, dass jemand dieses Blatt lesen und bewerten wird.
Aber bei der mündlichen Prüfung muss ich den Lehrern alles direkt ins Gesicht sagen, egal ob ich die Antworten weiß, oder mir verzweifelt etwas zusammenreime. Und diese Prüfungen können auch viel mehr von den Prüfern gelenkt werden, was ein Vorteil, aber auch ein Nachteil sein kann.
So lief Geschichte nicht ganz so gut, obwohl ich viel gelernt hatte und von dem Thema begeistert war. Die Lehrerinnen haben sich wie eine Meute Bulldoggen unbarmherzig an einem Fachwort festgebissen, auf das ich unter dem Druck einfach nicht kam. Physik jedoch lief gut, obwohl ich mich beim Lernen damit relativ schwer tat. Zum Glück wollten die Lehrer auch nur sehen, ob ich einen groben Überblick über dieses Thema hatte.
Alles in allem waren die Prüfungen des Realschulabschlusses recht locker zu absolvieren. Knapp zwei Monate lernen, zu den Prüfungen erscheinen, dann wurde mir das Zeugnis in die Hand gedrückt. Natürlich war die Lernerei auch stressig, und gerade am Anfang musste ich gegen meinen eigenen Frust und Stress ankämpfen, aber das legte sich, als ich so richtig in den Lernfluß hineinkam. Sogar das Mathelernen hat mir Freude bereitet.
Dann kam das Abitur an die Reihe, und das war ein ganz anderes Kaliber…
Zwischen dem Realschulabschluss und meiner Anmeldung für das Abitur lag ein volles Jahr. Wie viel „Schulkram“ lernte ich in diesem Jahr? Du hast es wahrscheinlich erraten. So ziemlich gar nichts! Vielleicht minimal Französisch, wenn man das so nennen darf. Ich lernte Wörter wie: ich, du, er, sie, Mama, Papa, Hund, etc…
Zum Glück musste ich die Anmeldung zur externen Abiturprüfung recht früh lossenden. Somit hatte ich den Antrieb mich auch ernsthaft mal ans Lernen zu setzen. Auch wenn es erst einmal eine Weile dauerte, bis ich eine Antwort auf meine Anmeldung bekam. Sobald man den Zettel in der Hand hält, auf dem bestätigt wird, dass man sich erfolgreich zu den Prüfungen angemeldet hat, ist man plötzlich um einiges motivierter, sich den Lernstoff vorzuknöpfen.
Französisch als zweite Fremdsprache im Selbststudium
Meine lernintensivsten Fächer waren diesmal Mathematik (welch ein Wunder!) und Französisch. In etwa ein Jahr musste ich eine zweite Fremdsprache lernen. Französisch ist eine schöne, wohlklingende Sprache, aber darin Fuss zu fassen war ziemlich mühsam und frustrierend. Buchstaben werden im Französischen zwischen Wörter geklemmt, nur damit diese sich besser aussprechen lassen. Und was da so geschrieben steht, ist wieder ganz was anderes, wenn man versucht, es auszusprechen. Ich hatte Französisch auch noch als mündliches Fach gewählt! Bis ich die Grundlagen erst einmal intus hatte, war ich zwei bis drei Monate beschäftigt. Ich übte mir der Internetseite Duolingo, und dem Audiokurs von Michel Thomas, welcher versucht, die Grundlagen zu vermitteln. Parallel dazu las ich Comics und Bücher, die ich schon kannte, in französischer Sprache. Auch wenn ich am Anfang kaum etwas oder gar nichts verstanden habe. Nach und nach bekam ich immer besser ein Gefühl für den Wortfluss und mein Vokabular wurde immer größer. Ich suchte mir Übersetzungen von französischen Liedtexten, und hörte diese Lieder dann immer und immer wieder, bis ich sie auch ohne mitzulesen verstehen und mitsingen konnte.
Gegen Ende der Lernphase, so etwa einen Monat vor den mündlichen Prüfungen, schaute ich mir die komplette Filmcartoon-Serie „Avatar Herr der Elemente“ in Französisch an. Ich kenne die Serie in der englischen Fassung fast auswendig, und so war es ein guter Weg für mich, die Sprachmelodie besser zu verstehen und meinen Wortschatz zu erweitern. Außerdem wurde mir dabei klar, wie weit ich beim Lernen schon gekommen war. Ich verstand fast alles, was gesprochen wurde.
Mathe als Leistungsfach, war das eine kluge Entscheidung?
So machte ich mit Französisch langsam aber stetig Fortschritte. Mathematik war aber eine ständig immer im Hintergrund schwebende dunkle Bedrohung. Ich hatte es nämlich dank der wunderbaren Beratung meiner Brüder als Leistungsfach gewählt…
„Nimm Mathe-Leistung, da kannst du am genauesten einschätzen, was von dir verlangt wird. Bei Deutsch kann alles passieren, du kannst das Thema verfehlen, bei Mathe gibt es immer nur eine richtige Antwort.“ Na ja, recht hatten sie ja, denn Deutsch ging wirklich fast in die Hose, aber das wusste ich in der Vorbereitungsphase ja noch nicht.
Natürlich waren meine Brüder beim Mathelernen so ziemlich nutzlos. Sie redeten sich ziemlich jedes Mal raus, wenn ich Hilfe von ihnen einforderte: „Habe ich doch längst alles wieder vergessen. Das schaffst du schon allein.“ Na klar.
Mathe lernen, war… interessant. Ich merkte sofort, dass der Lernstoff fürs Abitur wesentlich tiefgründiger war, als der für die Realschule. Gerade am Anfang war die Lernerei ziemlich mühsam. Nichts ergab richtig Sinn, und der Blick auf den Lernplan war ein Alptraum. So viele Themen und Wissensgebiete, in die ich mich hineindenken musste. Mit der Zeit hat sich auch dieser Stress verringert. Ich merkte, wie mein Matheverständnis wuchs, und sich die Themen halbwegs flott abhaken ließen. Ich verstand nicht alle Themen bis ins Detail, wie ich es beim Realschulabschluss noch getan hatte, sonder verschaffte mir erst einmal einen generellen Überblick. Damit hatte ich das Gefühl bei einer Prüfung bestimmt zu jedem Teilgebiet etwas von mir geben zu können, und konnte so entspannter mein Wissen vertiefen, und Defizite nach und nach aus dem Weg schaffen.
Für die Fächer Deutsch und Englisch habe ich relativ wenig getan. Da habe ich mir im wesentlichen Prüfungsaufgaben aus den Vorjahren angeschaut, um ein Gefühl für die geforderten Kenntnisse zu bekommen. Für das vierte schriftliche Fach Geografie habe ich mir ganz klassisch ein offizielles Schulbuch der Sekundarstufe II vorgenommen und damit gelernt.
Englisch konnte ich mir zum Glück auch dieses Mal wieder größtenteils sparen. Bei Deutsch versuchte ich, alle sieben angegeben Lektüreempfehlungen durchzuarbeiten, und mich gründlich über diese zu informieren. Was sich als nutzlos herausstellte, da ich keine dieser Lektüren in meiner Prüfung nutzen konnte.
Um es noch einmal zu betonen: Es war eine unüberschaubare Menge an Lernstoff. Ich saß fast ein Jahr lang täglich an meinem Schreibtisch, lernte stundenlang und sah mir unfassbare Mengen an Erklärungsvideos an (für die Interessierten: Mein Lieblingskanal für Mathe war „Mathe by Daniel Jung.“ Für den schnellen Überblick: „Mathe – Simpleclub“).
Ja die Lernerei war anstrengend und definitiv ein gewaltiges Stück schwerer als beim Realschulabschluss. Der Gedanke an die Prüfungen machte mir Angst, trieb mich aber auch gleichzeitig dazu, so viel und gründlich zu lernen wie noch nie. Dieser Fokus war einerseits unglaublich stressig, aber andererseits war es ein wunderbares Gefühl, auf Hochleistung eingestellt zu werden. Ich lernte so viel auf einmal, dass es mir immer einfacher fiel, mir den Stoff zu merken, und die Verbindungen zwischen dem Gelernten fielen mir fast automatisch zu.
Wenig Zeit für die Vorbereitung auf die mündlichen Prüfungen
Nach den schriftlichen Prüfungen hatte ich nur einen Monat Zeit, um Biologie, Kunst und Geschichte im Schnelldurchgang in meinen Kopf zu hämmern. Und zwar den kompletten Schulstoff der Sekundarstufe II. Nur mit hartnäckigem Nachfragen bei den Fachlehrern der prüfenden Schule konnte ich die Themenschwerpunkte in Erfahrung bringen.
Mir war das Lernen nur möglich, weil ich hartnäckig so lange dranblieb, bis die Information in meinem Kopf festgebrannt war. Dank meiner neuerworbenen Konzentrationsfähigkeiten konnte ich mir auch die komplizierten Fachwörter in Biologie gut merken. Davon gibt es in diesem Fach erstaunlich viele. Ich glaube die Wörter 11-cis-Retinal und All-Trans-Retinal sind jetzt auf ewig in mein Hirn eingebrannt. Was auch in Biologie massiv vorkommt, alle Themen sind ineinander verwoben, Vorgänge, Abläufe und Reaktionen. Diese auswendig zu lernen war anstrengend, und keiner meiner Familie konnte mir da so wirklich helfen sie zu verstehen. Manchmal starrte ich eine Seite zwei Stunden lang an, nur um plötzlich so rufen: „Na klar! Das macht doch alles Sinn. Depolarisierung… Natürlich! Wie konnte ich das nicht sehen!“ Dann erklärte ich diese neuen Erkenntnisse sofort einem meiner Brüder oder meinen Eltern, und fand bei den Erklärungsversuchen noch einmal vertieftes Verständnis der Materie. Gerade wenn meine Familie noch Fragen dazu stellte, wurde mir klar, wo ich noch Nachholbedarf hatte.
Trotz des positiven Gefühls der Leistungsfähigkeit war ich unglaublich gestresst. Ich bin seit jeher ein eher unsicherer Mensch, und vertraue nie so ganz meinen eigenen Fähigkeiten. In der Abi-Zeit wurde das zu meinem größten Feind. Ganz ehrlich, bis ich das Ergebnis meines letzten Prüfungsdurchgangs erfahren hatte, war ich im konstanten Panikmodus, mit der Angst, durchzufallen.
Meine Brüder geben mir mentale Unterstützung
Ich war so gestresst, dass ich zwischendurch zu meinen Brüdern ging und sie fragte, ob sie mich einfach mal umarmen und mir Mut machen können. Was sie natürlich immer taten, auch wenn es ziemlich nervig gewesen sein muss, wenn plötzlich die kleine Schwester einem ewig viel Zeit klaut, obwohl man selbst für eine Klausur im Studium lernen muss. Ich hab echt super Brüder, das ist mir dabei klar geworden. Wir schauten zusammen Filme an, gingen Spazieren und redeten einfach viel, so lange bis mein Kopf wieder frei war, und ich im Stande war, wieder ans Lernen zu gehen. Auch wenn sie bei Mathematik keine große Hilfe waren. Im Nachhinein sehe ich selbst, wie viel unnötigen Stress ich mir gemacht habe, aber das lässt sich einfach nicht abschalten.
Gegen Ende der Vorbereitung war ich auch froh, dass die Prüfungen endlich beginnen, weil ich einfach wollte, dass alles vorbei ist. Und ich war auch nicht die Einzige, die diese Prüfungen als externer Prüfling machte. Insgesamt waren wir zu siebt und es war gut, vor den Prüfungen zu wissen, dass ich nicht alleine in dieser Situation war. Das Reden mit den anderen vor den Prüfungen beruhigte mich, wir machten uns gegenseitig Mut. Ganz alleine mit meinen Gedanken wäre ich viel nervöser und panischer gewesen.
Was mir auch beim Entspannen geholfen hat. Ich fragte einfach die Lehrer an der Prüfungsschule, wenn mir etwas unklar war. Das klingt zwar logisch, aber manchmal finde ich es schwer, zuzugeben, wenn ich keine Ahnung von etwas habe. Ich stellte Fragen, die vielleicht etwas simpel oder nichtsahnend klangen. Alles Mögliche: welche Bücher die Klassen zum Lernen nutzten, wie der Prüfungsablauf sein würde, wie eine Überschrift bei der Deutschprüfung aussehen musste, und so weiter. Alles erscheint einem etwas weniger gruselig, wenn man ein ungefähres Bild davon hat, und die Lehrer waren hilfsbereit und erschienen mir so viel menschlicher.
Jetzt wird es ernst – die Abi-Prüfungen beginnen
Meine erste Prüfung war Mathematik als Leistungsfach, was ja an sich ganz gut war, denn damit war dieser dicke Brocken aus dem Weg geräumt. Ich war unglaublich nervös, und die ersten zwei Stunden lang zitterten meine Hände, was nicht gerade half, mein Geschreibsel leserlicher zu machen. Außerdem musste ich auch Graphen einzeichnen, und da sind ruhige Hände schon recht praktisch. So werde ich nie Chirurg werden können, aber das will ich zum Glück auch gar nicht.
Die Stimmung im Prüfungssaal war mir aber auch einfach extrem angespannt. Es fühlte sich an, wie im Gefängnis. Niemand durfte ein Wort sagen, und die Lehrer patrouillierten ständig durch die Reihen. Allein den Kopf zu heben, um durch den Raum zu schauen, fühlte sich schuldbeladen an, weil die Lehrer sofort auf einen aufmerksam wurden. Man könnte ja bei jemanden etwas abschauen. Bei diesen schriftlichen Prüfungen war ich permanent dermaßen gestresst, dass ich kaum meine Gedanken sortiert bekam, und einfach nur hinschrieb, was mir gerade in den Kopf kam. Garantiert nicht hilfreich, wenn man eigentlich alles erst sorgfältig planen sollte.
Später strich ich dann ganze Absätze wieder weg, und es wurde richtig chaotisch. Gerade bei Deutsch und Englisch. Ich will gar nicht wissen, was die armen Lehrer beim Durchlesen so alles gedacht haben und wie sie das bewertet haben.
Aber glücklicherweise bestand ich die schriftlichen Prüfungen. Vielleicht nicht mit perfekten Noten, aber auch nicht mit katastrophalen. Außer Deutsch, da kam ich gerade mal mit drei mageren Punkten durch. Im Nachhinein muss ich meinen Brüdern recht geben, Mathe war eine gute Wahl für das Leistungsfach gewesen.
Jetzt kommen die mündlichen Prüfungen dran
Einen Monat später nach den schriftlichen Prüfungen kamen dann die mündlichen dran. Dafür waren meine Vorbereitungen längst nicht so extensiv, aber es wurde auch mehr der Überblick über das Wissensgebiet des jeweiligen Prüfungsfachs gefragt. Wieder kam mein Sorgenfach Französisch, als erstes dran. Wunderbarerweise bekam ich sogar vor dem Prüfungskomitee zusammenhängende Sätze hin, und war in der Lage, über französische Politik zu reden. Hmmm… ja… Also eher einfach irgendwelche Fakten, die mir gerade einfielen, von mir zu geben und die Lehrer damit zuzulabern. Manchmal wusste ich wenig über das Thema, aber ich baute mir einfach logisch erscheinende Theorien auf, und erzählte das den Lehrern mit so viel Selbstsicherheit wie möglich. Es klappte tatsächlich, und ich bekam sogar acht Punkte, was für meine bescheidenen Erwartungen unglaublich viel war.
Generell liefen meine mündlichen Prüfungen wesentlich besser als die schriftlichen. Ich war zwar überaus nervös, aber vielleicht redete ich gerade deswegen so viel, wie ich konnte, über alles, was mir gerade einfiel. Ich konnte auch nichts mehr wegstreichen, wenn es einmal mein Mundwerk verlassen hatte, was vielleicht sogar ein Vorteil war. Letzten Endes hatte ich wohl doch mehr Wissen angeeignet, als mir bewusst war. Gerade in Biologie fielen mir fast alle Fachwörter ein, die ich brauchte, und ich kannte auch die Zusammenhänge. Wenn ich mal keine Antwort parat hatte, sagte ich einfach: „Das weiß ich nicht, können wir zum nächsten Punkt übergehen?“ Anstatt Zeit damit zu verschwenden, mühselig eine Antwort zu finden und sinnlos herumzustottern. Diese Ehrlichkeit schien den Prüfern zu gefallen, denn ich hatte am Ende volle 14 Punkte eingeheimst. Eine Note, die meine kühnsten Erwartungen überschritt.
Mit derselben Offenheit ging ich dann auch Geschichte und Kunst an. Als ich bei Kunst nichts mehr über die künstlerischen Methoden und Techniken erzählen konnte, gab ich das einfach zu, und fing an darüber zu schwadronieren, was die Kunstwerke an Gefühlen in mir bewirkten. Das hätte ich in einer schriftlichen Prüfung garantiert so nicht hingeschrieben, weil sich das so oberflächlich und irrelevant anfühlte. Aber gerade deswegen hätte ich mir die 13 Punkte redlich verdient, erklärte mir ein Prüfer hinterher. Die Kunstprüfung war somit der krönende Abschluss meiner Abitur-Prüfungstortur.
Geschafft! Das Abitur ist bestanden
Ich war noch nie so erleichtert, wie in dem Moment, in dem der Schulleiter mir zu meinem bestandenen Abitur gratulierte. Erst jetzt wurde mir klar, was ich da geleistet hatte, und dass das Abitur auch für mich machbar gewesen war. Etwas über ein Jahr lang hatte ich auf dieses Ziel zugelernt, und ich hatte mich erfolgreich durch acht Prüfungen gekämpft. Ich musste nach der letzten Prüfung noch etwas alleine in einem Klassenzimmer warten, und ich habe wahrscheinlich die ganze Zeit einfach nur blöd vor mich hin gegrinst und das Gefühl des Triumphs genossen. Ich habe wirklich erst dann realisiert: Man muss nicht unbedingt hochbegabt sein, um das Abitur als Nichtschüler bestehen zu können. Was man braucht, ist Entschlossenheit und Ausdauer. Und oft hat man für beides schon die Anlagen, auch wenn man es selbst noch gar nicht ausprobiert hat. Der Entschluss, das Abitur selbstständig anzugehen, war vielleicht nicht leicht gefallen, aber ich habe mir damit eine Menge Schulzeit gespart, und mir auch eine Menge Selbstvertrauen erarbeitet. Das war es mir definitiv wert. Denn, wie viele Leute können sagen sie haben das Abitur ohne Schule bestanden?
Esra’s Abi Lernunterlagen:
Meine Materialien
Ohne gute Lehrbücher kann man sich nicht wirklich auf eine Prüfung vorbereiten. Ich hatte zum Glück ein paar Tips von Karen und Matthias und von den Lehrern bekommen. Diese Bücher kann ich jedem empfehlen, der auch das Abitur in BW anbelegen möchte:
Abitur-Training Mathematik / Analytische Geometrie: Bayern
Geschichte – Deutschland im 19. Jahrhundert bis 1933
Freilernen Kongress 2022
Ingo Fechner interviewte Amy und Gabi zum Thema Freilernen. Schau dir den Freilernen Kongress mit extrem praktisch anwendbaren Infos an.
Amy’s Begegnungen unterwegs
Zeichenunterricht mit einer englischen Künstlerin in Schweden
Kochen mit einer englischen Köchin auf Litloy, Norwegen
Litloy war insgesamt eine tolle Erfahrung
Im moment gibt es ein kostenloses eBook zum Thema Lernen und externe Abschlüsse im Bonusbereich!!!
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