Die Leica X 2 – Gutes darf auch teuer sein!
Der Kurztest der Canon PowerShot G15 hat mir Spass gemacht, da habe ich überlegt, da liegt noch die Leica X2 im Schrank, originalverpackt und wohlbehütet. Irgendwie habe ich mich noch nicht an das edle Teil herangetraut, es mehr als Schmuckstück denn als Werkzeug wahrgenommen. Aber was solls, eine Kamera ist zum Fotografieren da und nicht für die Vitrine.
Leica hat sich alle Mühe gegeben, die Wertigkeit der X2 zu unterstreichen und betont, dass sie handgefertigt Made in Germany ist. Schon das Auspacken weicht von dem Gewohnten ab. Die Kamera wird in einem silberfarbenen Karton geliefert. Beim Öffnen klappen die Seiten wie eine sich öffnende Blüte nach außen weg und geben eine Art schwarzes Kabinett frei. Unter dessen magnetfixierten Klappen finden sich zwei Schubladen mit dem Zubehör und den Anleitungen, und obenauf eine weitere schwarze Box, in der die Kamera in ihrem Schaumstoffbett ruht.
Beim Test der Canon G15 habe ich den Schwerpunkt auf einfache Bedienbarkeit für den fotografischen Laien gelegt. Dagegen ist die Leica X2 primär für erfahrenere Fotografen konzipiert und sollte auch entsprechend geprüft werden.
Der professionelle Anspruch fällt schon beim Durchlesen der ausführlichen Bedienungsanleitung auf. Ein paar Beispiele:
- Alle Belichtungsparameter und die Entfernung lassen sich auch manuell einstellen
- Zwei für benutzerdefinierte Weißabgleich-Einstellungen lassen sich speichern
- Unter den Blitzfunktionen gibt es eine Studioblitz-Auslösefunktion
- Die Bildergebnisse werden kaum geschärft und auch nicht rauschreduziert
Der letzte Punkt ist der Wichtigste, weil dabei die Bilder frisch aus der Kamera nicht immer das mögliche Optimum darstellen. Hier darf der Fotograf hinterher noch Hand anlegen. Für diesen Fall bietet die Leica das DNG (Digital Negative)-Format, für dessen Bearbeitung liegt eine Voll-Lizenz von Adobe Lightroom 5 dabei.
Allerdings dürfte dies nur unter schwierigen Lichtbedingungen nötig sein, dann hat man aber die Möglichkeit, selbst das Maximum an Bildqualität herauszuholen, unter Berücksichtigung der persönlichen Präferenzen.
Natürlich ist die Leica X2 auch als Schnappschusskamera einsetzbar, wenn es mal schnell gehen muss. Vollautomatik (Zeit- und Blendenwählrad jeweils auf A-Position), Auto-ISO, Auto-Weißabgleich und Blitzautomatiken, lassen auch unbeschwertes Fotografieren zu. Zusätzlich ist das alles noch individuell konfigurierbar.
Jetzt geht es ans Fotografieren. Leider ist es draußen neblig, trüb und grau, ein typischer Mitt-Dezember-Tag eben. Mal sehen was sich machen lässt.
Zuvor gehe ich das Menü durch, die meisten Einstellung betreffen die Bildqualität. Für Schärfe, Kontrast, Farbsättigung, Farbraum, Messmethoden und Auflösung lasse ich vorerst die Standardwerte bestehen, die Testerei würde sonst ausufern.
Ergonomie
Die Kamera wirkt solide, wie aus einem Metallblock herausgefräst. Alles ist sorgfältig und penibel verarbeitet. Durch den Lederbezug fühlt sie sich angenehm an, und riecht auch gut. Die Leica hat keinen Handgriffwulst, den habe ich auch nicht vermisst. Einen ausgeprägten Handgriff mit Bodenplatte gibt es als Zubehör.
Die Funktionen der wenigen Bedienelemente sind ohne Handbuch klar ersichtlich. Auf der Oberseite gibt es ein Wählrad für die Zeiten und eins für die Blenden. Der Ein-Ausschalter ist um den Auslöser angeordnet und wählt Einzel- oder Serienbildfunktion. Alles wirkt langlebig und läuft spielfrei.
Auf der Rückseite finden sich links neben dem Display fünf Einstelltasten, rechts neben dem Display liegt der Multicontroller. Alle Tasten sind klar beschriftet und mit je einer Funktion. Das ist übersichtlich, schnell und simpel.
Die Einstellungen des Menüs sind in einer einzigen durchgehenden Liste angeordnet. Die wichtigsten sind oben, seltener benötigte weiter unten zu finden. Das alles macht einen durchdachten Eindruck. Spielereien, wie Motivprogramme und Effektfilter gibt es nicht.
Handhabung
Beim Einschalten weist die Leica höflich darauf hin, doch den Objektivdeckel abzunehmen, falls er noch drauf ist, dann kanns aber los gehen. Ich mache ein paar Innenaufnahmen, dann schaue ich draußen, ob es bei dem trüben Wetter was aufzunehmen lohnt. Nicht wirklich, zumindest muss ich bei dem Dämmerlicht die ISO-Werte hochdrehen. Die Belichtungsautomatiken und die ISO sind blitzschnell gewechselt. Die Wählräder auf der Oberseite haben A-Stellungen für Zeit- und Blendenautomatik. Stehen beide Räder auf A, bedeutet das Programmautomatik. Mit der Option des Programmshifts kann man auch hier seine Zeit-Blendenpaare selbst bestimmen. Eine Einschränkung besteht bei den Belichtungsautomatiken: als längste Zeit wird die 1/2 Sekunde eingestellt, mit entsprechender Warnung. Der erweiterte Zeitenbereich bis 30 Sekunden ist aber manuell einstellbar.
Der eingebaute Blitz klappt auf Hebeldruck heraus. Er ist nicht übermäßig kräftig, hellt aber harmonisch auf, ohne zu überblitzen und bietet eine ganze Reihe von Einstellmöglichkeiten. In Verbindung mit höheren ISO-Werten lässt sich auch ein komplettes Zimmer ausleuchten. Wer mehr Leistung braucht, kann externe Blitzgeräte anschließen.
Was ich bei meinem Gartenausflug vermisst habe, ist eine Makroeinstellung. Die Leica geht bis auf 30 cm an das Motiv heran, das ist nicht sehr viel . Anscheinend ist die Naheinstellung auch dem hohen Anspruch an die Abbildungsqualität zum Opfer gefallen.
Alles in allem ist die Leica X2 sehr einfach zu verstehen und zu bedienen, vorausgesetzt man ist kein absoluter Fotografie-Neuling. Ich habe bei diesem Test vorwiegend die Belichtungsautomatiken benutzt, die Leica lädt aber förmlich dazu ein, es mit den manuellen Einstellungen zu versuchen.
Autofokus und manuelle Entfernungseinstellung
Der 11-Punkt-Autofokus scannt den Bildbereich und zeigt, wo er scharfgestellt hat. Aus diesen Informationen ermittelt er die einzustellende Entfernung. Das ist bei Schnappschüssen schon komfortabel. Wenn ich aber bei offender Blende die Schärfe auf ein ganz bestimmtes Detail legen will, schalte ich lieber auf Einzelfeld-, oder sogar auf Spot-Autofokus um. Die Entfernung lässt sich entweder speichern und der Bildausschnitt verändern, oder man verschiebt den Autofokus-Rahmen auf dem Monitor. Schwierig wirds unter extremen Lichtbedingungen, wie Silhouetten von Personen vor hell erleuchteten Fenstern, oder bei schnell bewegten Objekten. Da kann es zu Fehlmessungen kommen, oder der Autofokus ist einfach nicht schnell genug. Das Problem haben aber viele Kameras. Hier schlägt die Stunde der manuellen Entfernungseinstellung. Zum Einen kann ich über das hintere Wählrad die Entfernung stufenlos verstellen und mit einem fünffach vergrößerten Ausschnitt genau beurteilen, zum Anderen kann ich bei Blende 5.6 oder 8 eine mittlere Entfernung von sagen wir mal 3 bis 4 m einstellen und habe so die klassische Reporter- und Schnappschusskamera, die verzögerungsfrei auslöst.
Die Bildqualität
Das ist das zentrale Thema der Leica X2. Alle Bedienelemente, das Objektiv und die Einstellungen sollen die bestmögliche Abbildungsqualität ermöglichen. Kompromisse werden keine gemacht.
Das ist auch hervorragend gelungen. Schon die ersten Bilder, die ich bei der Preisverleihung geschossen habe, haben eindrucksvoll gezeigt, was ein Spitzenobjektiv in Verbindung mit einem Sensor im APS-C-Format zu leisten vermag. Hier gibt es absolut nichts zu bemäkeln. Das einzige, was die Schärfe ruinieren kann, sind zu lange oder unangepasste Verschlusszeiten, besonders bei bewegten Objekten.
Bis 800 ISO sind Detailauflösung und Rauschen absolut unkritisch, darüber hinaus nimmt das Rauschen stetig zu und die Auflösung ab. Ab 6400 ISO wirken die JPGs der Leica schon ziemlich körnig, in der DNG-Datei lässt sich das aber am PC mit Lightroom effektiv entrauschen. So sind selbst die Bilder mit 12500 ISO zwar etwas weich, aber noch gut zu gebrauchen. Ich finde sie sogar in Verbindung mit der fließenden Unschärfe durch die offene Blende ausgesprochen aussagestark.
Der automatische Weißabgleich leistet gute Arbeit. Egal ob Glühlampen, LED-Leuchten oder Leuchtstoffröhren, das Ergebnis ist mal kälter, mal wärmer, aber nie störend farbverschoben. Für kritische Fälle jenseits der verfügbaren Settings gibt es ja noch die individuelle Messung und Speicherung. Dafür ist nur ein weißes Blatt oder eine Graukarte nötig.
BITTE BEACHTEN: Die Beispielbilder in diesem Artikel sind fürs Internet in der Größe heruntergerechnet und komprimiert worden. Deswegen zeigen sie nicht die ursprüngliche Schärfe und Detailtreue.
Zubehör
Neben Tasche, Lederprotetktor und Handschlaufe gibt es einen Handgriff (ob die Leica damit in die Tasche passt?), ein Blitzgerät, einen aufsteckbaren optischen und einen elektronischen Sucher. In den Zubehörschuh passt auch Zubehör anderer Hersteller, Blitz, Sucher etc. Anscheinend funktioniert auch der elektronische Sucher der Olympus Pen Modelle an der Leica.
Fazit
Eigentlich ist schon alles gesagt. Die Leica X2 ist eine perfekt gebaute klassische Reportagekamera, die im Design eng an die ersten M-Modelle angelehnt ist. Ihre Ausstattung ist auf das Wesentliche beschränkt und auf das Erreichen der optimalen Bildqualität ausgelegt. Da hält sie locker mit den meisten DSLRs und Systemkameras mit.
Auf der Soll-Seite fehlt mir der Nahbereich. Die Videofunktion habe ich nicht vermisst, da ich eh seltener filme. Und da ist natürlich noch der Preis: Mit über 1700 Euro ist er für die Meisten weit jenseits von Gut und Böse angesiedelt. Da braucht es schon eine gute Portion Begeisterung für die Marke mit dem roten Punkt. Laut Leica rechtfertigt sich der Preis durch die arbeitsintensive Kleinserienfertigung in Deutschland, edelste Materialien und dutzendweise Fertigungs- und Qualitätskontrollen.
Man kann es natürlich auch von der anderen Seite aus betrachten. Ein Leica M9 Gehäuse kostet neu über 6000 Euro, dazu kommen noch mal ein paar Tausend Euro für Wechselobjektive. So herum gesehen ist die Leica X2 ein Schnäppchen.
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Hallo Michael, hallo Gunther,
ich war ein paar Tage nicht online, freue mich aber über den souveränen Artikel – klar und deutlich (wie die Kamera ;-) und ohne Schnickschnack. Sehr informativ. Macht Lust auf die Kamera. Aber mir geht es wie euch – entweder die Große oder die Schnappschuss, dazwischen passt nichts und liegt nur rum.
„Dagegen ist die Leica X2 primär für erfahrenere Fotografen konzipiert …“ kann auch umgewandelt werden in „oder solche, die es werden wollen“, ich kann mir denken, dass bei so klarer Bedienungs- bzw. Einstellmöglichkeit bei dem einen oder anderen dann noch der AHA-Effekt und das große Begreifen kommt. Soll ja auch Leute geben, die das nie ganz hinbekommen (mich einbegriffen :-)).
Also Gunther: bitte mehr solcher Artikel!
LG Gabi
Schade, dass niemand kommentiert. Ich habe mich diesmal extra zurückgehalten, um anderen den Vortritt zu lassen. Die Leica ist für mich zwar (derzeit noch) unerreichbar, aber ich finde, dass du weitere Dinge testen sollst, Gunter. Mir gefällt die Art und Weise, wie du an den Test heran gehst und drüber schreibst.