Das Tamron 2,8/24-70mm im Praxistest
Auf unserer Reise zu den äußeren Hebriden und Shetland hatten wir die Gelegenheit, das neue Tamron 2.8/24-70 SP DI VC USD in seiner Eignung als Reiseobjektiv zu testen.
Das Tamron 24-70mm F/2,8 als Nachfolger des betagten Tamron AF 28-75mm 2,8 ist ebenfalls für Vollformat-Kameras ausgelegt und ist das erste lichtstarke Standard-Zoom mit optischem Bildstabilisator. Wir haben es an den Canon 5D und 5D Mark II eingesetzt.
Sein Gegenstück für das APS-Format, das Tamron SP AF 17-50mm 2,8 VC (bildstabilisiert) hatten wir an der Canon 7D parallel in Gebrauch und können somit auch hier einen Vergleich ziehen.
Die Handhabung
Beim Auspacken fällt uns sofort das hohe Gewicht und der fette Durchmesser auf. Mit 82mm Filtergewinde passt es dafür gut zum Canon Profi-Objektiv Programm. Es liegt satt und schwer in der Hand, nichts wackelt und die Einstellringe laufen flüssig uns spielfrei. Zudem ist es laut Spezifikationen spritzwassergeschützt. Man spürt förmlich den professionellen Anspruch, den Tamron mit seinen neuesten Objektiven erhebt.
Den Gewichtszuwachs spüren wir bei ausgedehnten Wanderungen schon, und die 5D wirkt mit dem Tamron auch etwas kopflastig. Das ist aber kein Nachteil, weil die Kombination bei Aufnahmen aus der Hand sehr stabil und ruhig zu halten ist. Zusammen mit dem effektiven optischen Stabilisator bieten sich extreme Freiräume. Eines Abends hatte ich in Lerwick auf Shetland spontan Straßenszenen aus der Hand fotografiert. Sogar mit 1/4 Sekunde Belichtungszeit bei 24mm gelangen mir relativ scharfe brauchbare Aufnahmen. Und ich hätte mir vermessenerweise auch 1 Sekunde zugetraut.
Insgesamt ist unser Eindruck sehr positiv, nur eine Sache irritiert: ich habe parallel mit der 7D und dem 17-50er Zoom gearbeitet. Beim 24-70er liegt der Zoomring vor dem Entfernungseinstellungsring, beim 17-50er dahinter. Das nervt! Warum das so ist, kann nur Tamron beantworten, es dürfte aber nicht oft vorkommen, dass jemand beide Objektive parallel einsetzt.
Autofokus und Stabilisator
Der Autofokus mit dem neuen Ultraschallmotor arbeitet leise und flott, ein Fortschritt gegenüber dem konventionellen Antrieb, wie er im 17-50mm zu finden ist. Er reagiert aber leicht langsamer als der USM-Antrieb in den Canon Profi-Objektiven.
Der Stabilisator arbeitet Tamron-typisch nach dem System Bullterrier; hat er sich einmal festgebissen, lässt er so schnell nicht mehr los. Das ist in der Landschaftsfotografie perfekt, wenn mal nicht mit Stativ fotografiert wird. Bei Aufnahmen von schnell bewegten Objekten, speziell von Objekten mit verschiedenen wechselnden Bewegungsrichtungen, wie Wellen, scheint mir der Stabilisator den Autofokus auszubremsen, in diesem Falle sollte man den Stabilisator abschalten. Das sind aber auch Situationen, die ebenfalls den Bildstabilisatoren der anderen Objektivhersteller Probleme bereiten.
Bildqualität
In dieser wichtigsten Disziplin kann das 24-70 massiv Punkte sammeln. Wir zeigen bewusst keine Ausschnitte von Testtafeln und Schärfediagramme, das passt auch nicht in einen Erfahrungsbericht, und zudem gibt es genug aktuelle Testberichte von rennomierten Testlabors, die das viel ausführlicher können.
Schon bei offener Blende arbeitet das Tamron scharf und brillant. Abblenden steigert die Leistung noch, speziell in den Ecken. Im Nahbereich lässt die Schärfe etwas nach, ist aber immer noch sehr gut, das wird nur im direkten Vergleich mit einem Makroobjektiv deutlich.
Streulicht
Was mir erst nachträglich bei der Bildbetrachtung aufgefallen ist: es ist mir nichts aufgefallen! Deswegen hätte ich fast vergessen, es zu erwähnen. Gegenlicht, egal ob mittags oder abends, Sonne mit im Bild, grelle Lichter bei Nacht – Linsenreflexe oder Blendenflecken sind an der Grenze der Wahrnehmungsschwelle, wenn überhaupt vorhanden. Nur in zwei Situationen mit extrem hellem Licht, das fast zentral ins Objektiv schien, war der typische Lichtfleck erkennbar.
Vignettierung
Wenn wir Kritik am Tamron üben können, dann an dieser Stelle. Der leichte Helligkeitsabfall von der Mitte zum Rand hin spielt keine Rolle. Der Bildkreis ist aber für das Vollformat ziemlich knapp gefasst. Das Resultat sind Abschattungen der Ecken beim Einsatz von Filtern. Gerade das Polfilter, das wir ja fast im Dauereinsatz haben, sorgt für dunkle Ecken im Weitwinkelbereich. Kommt dann noch ein Graufilter für Langzeitaufnahmen obendrauf, wird die Abschattung massiv.
Ein damit verbundenes Problem taucht bei der RAW-Bearbeitung in Photoshop-Lightroom auf. Das momentan (Stand: Juni2013) vorliegende Objektivprofil für das 24-70 scheint mit einen Bug behaftet zu sein: was bei anderen Objektivprofilen mit einem Klick funktioniert, hat beim Tamron keinen Effekt, die Vignettierung lässt sich nicht mal andeutungsweise entfernen.
Das 17-50er an der 7D hat im Vergleich dazu wesentlich mehr Bildkreisreserven, hier treten auch mit der Kombination Pol- und Graufilter keine Vignettierungen auf.
Vergleich Vollformat zu APS-Format mit Tamron Objektiven
Eckdaten des 24-70 an Vollformatkamera, des 17-50 an APS-Kamera und des Canon 2.8/24-70 L II
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Der Vollständigkeit halber haben wir die Daten des neuen Canon 2.8/24-70 L mit herangezogen.
Lohnt sich Vollformat wirklich?
Was wir im direkten Vergleich der beiden Tamron-Objektive 2.8/24-70 und 2.8/17-50 interessant fanden, war der Unterschied zwischen Voll- und APS-Format. Da stellt sich die Frage: lohnt sich Vollformat für mich?
Die Antwort fällt nicht leicht. Sie hängt wesentlich davon ab, ob man für die etwas bessere Bildqualität gewillt ist, viel mehr Geld auszugeben und wesentlich mehr Gewicht in der Gegend herumzuschleppen. Und ob man schon eine Vollformatkamera besitzt, für die man noch ein gutes Standardzoom braucht.
Der Gewinn an Bildqualität ist vorhanden, wenn auch nicht so deutlich, wie man vermuten könnte. Eingeholt wird der Vorsprung wieder durch die höhere Vignettierungsanfälligkeit des 24-70ers. Eine gut funktionierende Profilkorrektur im RAW-Konverter würde dieses Problem abschwächen, leider funktioniert das zumindest in Adobe Lightroom nicht. Das 4/24-105 mm von Canon vignettiert ebenfalls, zwar etwas weniger, aber Lightroom rechnet das sehr effektiv wieder heraus.
Der Autofokus des 24-70 ist durch den Ultraschall-Motor leiser und etwas schneller als der des 17-50, das spielt aber in der Landschaftsfotografie kaum eine Rolle.
Der Stabilisator arbeitet bei beiden Objektiven gleich zuverlässig und wirklich effektiv.
Preisvergleich Vollformat zu APS-C-Format
Das 17-50 kostet nur ca. 40 % des 24-70. Dazu kommen noch die Gehäusepreise. Vergleichen wir als Beispiel die Canon 7D mit dem 2.8/17-50 und die Canon 6D und 5D Mark III mit dem 2.8/24-70.
Die 7D-Kombination kostet ca. 1500 €, die 6D mit dem 24-70 bringt es auf 2700 Euro. Die professionellere 5D Mark III kommt sogar auf 3700 Euro. Und jedes zusätzliche Objektiv vergrößert die Preisspanne noch weiter.
Die 7D steht der 5D Mark III leistungsmäßig näher als der 6D, darum der Gewichtsvergleich zwischen 5D und 7D:
5D: 948 g + 830 g = 1778 g
7D: 821 g + 570 g = 1391 g
Wie gesagt, wer schon eine Vollformat-Spiegelreflex hat, für den stellen sich diese Fragen nicht. Er kann bedenkenlos zum 24-70 greifen.
Unsere persönliche Einschätzung:
Für unseren Einsatzzweck fällt die Entscheidung leicht, Gunter bleibt bei der Kombination 7D mit dem 17-50er. Sie ist um einiges leichter, leistet fast genauso viel, kostet weniger und das Wichtigste: das 17-50er vignettiert nicht beim Einsatz von Filtern! Für uns Langzeitfotografen sind die Filter essentiell und jede Vignettierung lästig. Damit tun wir hoffentlich dem 24-70 kein Unrecht an. Es ist ein exzellentes, lichtstarkes Allround-Objektiv, das eine Vollformat-Ausrüstung bereichert.
Im Vergleich zum 4/24-105 mm von Canon, welches Gabi mit der 5D MII benutzt, eignet es sich aufgrund der um eine volle Blende höheren Lichtsstärke besser für Nachtaufnahmen. Doch auch Gabi wird erst einmal nicht vom Canon Objektiv zum Tamron wechseln. Die Vignettierung, das Gewicht und der geringere Zoombereich sind der Grund für diese Entscheidung.
Trotz allem hätte ich diese Fotos des Schneesturm am Leuchtturm von Eshaness mit meinem 24-105mm Canon-Linse nicht so perfekt umsetzen können. Es war stockdunkel, ich hatte die ISO schon auf 2000 hochgedreht, und brauchte relativ kurze Belichtungszeiten, damit der Schein des Leuchtturmlichtes sich auch als Kegel abbilden konnte. Mit Blende 2,8 schaffte ich eine ausreichend kurze Belichtungszeit von 3 Sekunden. Und auch bei voll geöffnter Blende ist die Bildqualität hervorragend wie Du Dich im 100% Ausschnitt überzeugen kannst. Wer also ein Vollformatobjektiv für Nachtaufnahmen sucht, ist mit diesem Objektiv bestens bedient!
Einen sehr ausführlichen und verlässlichen Test wollen wir Euch nochmal ans Herz legen. Ihr findet ihn hier auf DPreview.com. Der ist zwar auf Englisch, aber sehr einfach zu verstehen. Und gerade die interaktiven Testbildvergleiche zwischen Kameramodellen Deiner Wahl und in allen möglichen ISO-Stufen finde ich absolut geil! (Gunter)
FAZIT:
Das Tamron 24-70mm F/2,8 ist ideal für:
Vollformatfotografen, die ein relativ günstiges leistungsstarkes Standardzoom suchen
Fotografen, die auch Freihandaufnahmen unter schlechten Lichtbedingungen machen wollen
Fotografen die Indoor ohne Blitz arbeiten wollen
Ideal für Nachtaufnahmen bei offener Blende (Sterne, Nordlicht etc)
Weniger gut für:
Reisende, die möglichst wenig Gewicht mitschleppen wollen
Filterfetischisten, die auch mal mehrere Filter miteinander kombinieren
Sportfotografen, die den schnellstmöglichen Autofokus brauchen
Hallo ich hätte eine Frage zu den Vignettierungen mit Filter.
Ich besitze eine Canon 7d und wollte mir das Tamron 24-70 2.8 zulegen.
Nun meine Frage bekomme ich mit dieser Kombination auch diese dunklen Ecken wenn ich mit Polfilter fotografiere? Oder ist das nur der Fall mit der 5d?
Liebe Grüße
Mathias
Ps Tolle Seite
Hast Du die Vorschaubilder mal angeklickt? Dann werden die Bilder größer, natürlich haben wir keine HighRes reingestellt.
Könnten wir aber auch machen, wenn’s gewünscht wird.
liebe Grüße
Gabi
Die schönen Bilder sind leider im „mini“-Format und deshalb ist keine qualitative Beurteilung des Objektives möglich. Bei diesem Format macht jedes Objektiv eine gute Figur.
Hi Andreas,
danke, dass Du nochmal nachgesehen hast. Das hilft mir sehr weiter.
Es scheint also etwas Blogintern zu passieren, was den Fotos nicht gut tut.
Vielleicht sollte ich sie einfach kleiner reinstellen – ich weiss sowieso nicht, ob wirklich viele Leute draufklicken und sie in größer ansehen?
Danke nochmal, Andreas.
liebe Grüße
Gabi
Hallo Gunter,
der überschärfte, übersättigte Eindruck ist sowohl an meinem (kalibrierten) Notebook Monitor als auch am externen 21“ Panel der gleiche. Interessanterweise sind die Bilder aus dem gleichen Artikel, die per Lightbox eingebunden sind (was ich auch bequemer finde), für mich normal gesättigt/geschärft. Vielleicht liegts am Browser / Farbraum? Ich nutze übrigens Firefox…
Gruß, Andreas
Hallo Andreas,
Danke für Deinen Kommentar. Gerade der Hinweis über die Sättigung und Überschärfung ist wichtig. Wir kämpfen mit dem gleichen Problem, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Bei uns wirken die genannten Bilder eher normal gesättigt und nicht so bissig scharf. Wir haben unsere Bildschirme kalibriert und bei den Grafikeinstellungen nicht die Farbdynamik erhöht und die Schärfung nur sehr moderat eingestellt. Könntest Du uns verraten, wie Dein Monitor eingestellt ist? Oft sind auch schon die Werkseinstellungen auf farbkräftig gesetzt, speziell bei Tabletts.
Das bringt mich auch gleich auf eine Idee: Interessant wären die Infos im Rahmen einer Umfrage, damit wir mal einen Überblick bekommen, wie unsere Bilder bei den Lesern ankommen. Wir stellen sie ins Internet und haben keine Ahnung, wie andere sie sehen.
Gruß, Gunter
Hallo Gabi,
ein interessanter Bericht – gerade der Vergleich Vollformat – Crop! Ich habe ja auch bisher die etwas schlechtere Bildqualität meiner 7D zugunsten der größeren Flexibilität und der bezahlbaren Objektivauswahl hingenommen und bin gut dabei gefahren. Was mir auffällt: speziell die Algenbilder (abgeschwächt auch die Startrails) kommen an meinem Bildschirm überschärft ‚rüber (und auch extrem gesättigt)…
Gruß, Andreas