Jan und das Hillswick Wildlife Sanctuary, Shetland
Wir interessieren uns auf unseren Reisen am meisten für Umweltthemen. Als Naturfotograf nehme ich nicht nur die Landschaft, sondern auch Umweltprobleme sehr bewußt wahr. Die Neugier brodelt in mir, ich möchte alles über solche Projekte heraus finden und vor allem die Leute dahinter kennenlernen.
Durch Zufall las ich über ein Wildlife Sancturay in Hillswick. In einem Prospekt stand Werbung für ein vegetarisches Restaurant in dem die Speisen nichts kosten, eine freiwillige Spende für das Hillswick Wildlife Sanctuary jedoch willkommen seien. Hillswick ist in der Nähe von Eshaness, an einem sonnige Tag fuhren wir hin.
Vor der Tür standen Kisten mit Action Man Figuren, das sah nach Flohmarkt aus. Ich trat in das kleine Cafe, und fand mich in einem Second Hand Laden mit Kleidung, Küchengeräten und vielfältigem Krimskrams wieder. In einer Ecke standen Kekse, Kaffee und Tee als Erinnerung an die Cafe Vergangenheit.
Nachdem ich mich etwas umgeschaut hatte und nicht sicher war, ob ich den richtigen Ort gefunden hatte, kam ich mit den beiden Damen im Laden ins Gespräch. Es dauerte nur wenige Minuten, dann war klar – hier gehöre ich hin. Wir verstanden uns großartig, philosophierten direkt über das Leben, Reisen und Schulbildung.
Ich stand Jan gegenüber. Der Frau, der im Jahr 1987 eine kleine, mutterlose Robbe am Strand direkt vor ihrem Haus sozusagen in die Arme gespült wurde. Jan spürte die unglaubliche, magische Energie, sie meinte, es wäre eine Art Erleuchtung gewesen, als das hilflose, verhungernde Tier sie mit großen Augen anblickte! Jan hörte auf ihre innere Stimme und pflegt seit mittlerweile 26 Jahren zahlreiche Tiere in Not. Das Hillswick Wildlife Sancuary hatte sich sozusagen wie von selbst gegründet!
Wir verabredeten uns zu einem längeren Gespräch zusammen mit der ganzen Familie. Kurz vor dem Ende unsere Tour der schottischen Insel fuhren wir nocheinmal Richtung Eshaness, um Jan und ihren Mann Pete zu treffen.
Das war ein extrem stürmischer, eiskalter Tag, ein Schneeschauer folgte dem nächsten, die nach unten geöffneten Wolken hingen den ganzen Tag wunderschön anzusehen am Horizont. Über uns strahlte kristallklarer Himmel. Das Meerwasser war mit weissen Kämmen verziert. Nocheinmal fotografierten wir in Northmavine – nun wir versuchten es. An ein Arbeiten mit Stativ war nicht zu denken, der Wind war zu stark und böig, um einen sicheren Stand auf dem weichen Untergrund zu ermöglichen. Oftmal zogen wir die Köpfe in die Jacken, weil sich wieder und wieder eine der schweren Wolken direkt über uns erleichterte. Die Hagelkörner traktierten unsere Haut. Wir alle hatten weitere Kleidungsstücke ausgepackt und drüber gezogen. So war die Beweglichkeit nicht nur wegen Kälte und Sturm, auch wegen der zahlreichen Lagen an Kleidung beschwerlich.
Wie gut tat es da bei Jan und Pete in der warmen Stube zu sitzen. Einen heißen Tee in den auftauenden Händen haltend befragten wir die beiden ausführlich.
Jan lebt seit den 70 iger in Shetland, also bevor das Öl kam. „Shetland war damals etwas 70 Jahre hinten dran!“ meint sie grinsend aber auch nachdenklich. „Damals strandete eine Gruppe Grindwale. Ich rief die Anwohner zur Hilfe, denn ich wollte die Wale retten. Die Leute kamen, waren begeistert und luden die kleineren Wale auf ihre Autodächer, um sie nach Hause zu fahren.“ Damals standen die Meeressäuger noch auf dem Speiseplan der Einwohner. „Glücklicherweise änderte sich seither viel“ Ein Boder Collie Mix schleicht schwänzelnd um uns herum, läßt sich von jedem streicheln. „Die Menschen denken, ich nehme Tiere auf und kümmere mich darum. So bringen sie mir auch andauernd Hunde! Ja und manchmal nehme ich dann auch einen bei uns auf.“
Jan pflegte ihre erste Robbe daheim in der Badewanne. Erst nach dem Öltankerunglück im Jahr 1993 erkannte auch die Regierung, dass es in ganz Shetland keine Einrichtung zur Rettung von bedrohtem Wildlfe gibt, diese aber unbedingt nötig ist. Das Wildlife Sanctuary schaffte es mit der Hilfe von zahlreichen Freiwilligen und auch finanzielle Unterstützung, viele der 37 ölverschmierte Robben und Otter aufzupäppeln und wieder in die Freiheit zu entlassen. Jahrelang betrieb Jan das vegetarische Restaurant, um Geld für das Sanctuary zu beschaffen, doch es war sehr zeitaufwendig und sie möchte jetzt mehr Zeit mit den Tieren haben. Deswegen kocht sie nun nicht mehr, sondern betreibt den Second Hand Laden für die Finanzen.
In all den Jahren sah Jan auch viele Tiere sterben. Mehrmals strandeten Delfine an den Küsten Shetlands. Jan war immer neopren geschützt im Wasser dabei, um die Meeressäuger zu retten. Oftmals gelang das, aber nicht immer. Das Hillswick Wildlife Sanctuary wird von der SSPCA – der Scottish Society for Prevention of Cruelty to Animals – unterstützt. Doch Jan stimmte nicht damit überein, dass es humaner ist, gestrandete Delfine zu erschießen, um ihnen Leid zu ersparen. Sie ist sich sicher, dass die Tiere harmonisch sterben können und dass das wesentlich besser als ein plötzlicher gewaltsamer Tod ist! Sie war machtlos, die Delfine wurden erschossen. Jan erzählt weiter: „In den nächsten vier Jahren strandenden zahlreiche Delfine immer an diesem Strand. Nach einer Weile und viel Bitten konnte ich den SSPCA Mitarbeiter davon überzeugen, doch einen gestrandeten Delfin in Frieden sterben zu lassen. Danach machte ich eine spirituelle Reinigung des Ortes. Nie wieder starb ein weiterer Delfin an dieser Stelle! Sterben ist etwas Natürliches. Nicht für bei Tieren, auch bei Menschen! Wir sollten nicht zu viel Angst davor haben“
Im Jahr 2000 rief ein Fischer an. Eine Schildkröte hätte sich mit dem Kopf in einer Hummerfalle verheddert. Er würde sie vorbeibringen. Als kurz darauf ein Lastwagen um die Ecke bog, lag auf der Ladefläche eine gigantische, über 2m lange Schildkröte aus der Karibik. Das hatte Jan nicht erwartet. Die Schildkröte war schon im Koma als sie ankam, die Fischer hatten sie auf dem Rücken liegen den Bootssteg hochgezogen, sie war dabei fast an ihrem eigenen Gewicht fast erstickt. Leider starb das außergewöhnliche Tier drei Tage später. Jetzt ist die Schildkröte im Lerwick Museum zu besichtigen. Sie hängt hoch oben an der Decke der Ausstellungshallen, der Rückenpanzer war nach der Aktion sehr zerkratzt.
Wie wäre es? Mach ein wenig Werbung, kontaktiere einflußreiche Leute! Vielleicht findet sich jemand, der Jan und den Wildtieren Shetlands helfen kann!
In Shetland sahen wir häufig die Hütten mit alten Ruderbooten als Dach. Auch bei Jan und Pete steht so eines im Garten. Die Tierschützerin sammelt darin Walknochen, die sie nach Winterstürmen an den Stränden findet und eine der Robben ist darin beerdigt. Unglaublich grünes, fettes Gras wächst in der Dunkelheit der Hütte. Ich fotografiere Jan mit einem Wirbel eines Wales in der Hütte.
Dann versuchen wir noch einen Blick auf den kleinen Otter, der zurzeit aufgepäppelt wird, zu werfen. Jan versucht ihn gerade von sich zu entwöhnen. In der Wildnis ist Menschenscheuheit überlebenswichtig. Das Unternehmen war erfolgreich, der Otter zeigt nur kurz die Schnauze und bleibt im Verborgenen. Der kleine Stall riecht stark nach Otterurin. Jan meint, „Es ist an der Zeit, dass er ins Freie kommt.“
Als wir kurz darauf wieder im Wagen sitzen und gen Süd Shetlands fahren, hängt der Geruch nach Otter in der Luft. Esra und ich riechen an unseren Jacken, ja, da hat sich der Geruch festgesetzt. Wir grinsen. Sogar Otterpisse hat was angenehm Positives! Ein Duftsouvenir sozusagen! Es ist schön zu wissen, dass es Menschen wie Jan und Pete gibt, die sich aufopfernd für eine bessere Welt einsetzen! Danke ihr beiden!
PS Ein Foto der Schildkröte im Lerwick Museum liefere ich bald nach. Ich bin extra dewegen noch einmal ins Museum gefahren!
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Hi Sandra,
ich in schwer am schaffen. Die Bilderflut überwältigt mich ein wenig. mal sehen, wie ich das in sinnvolle Bahnen lenken kann :-)
Am besten wäre wohl ein gutes Notebook, an dem ich bereits unterwegs „richtig“ schaffen kann, dann muß ich daheim nicht nochmal alles machen….
Ich schreib jetzt erst mal ein paar mails. Und – ein paar weitere interessante Blogbeiträge kommen auch noch.
liebe Grüße
Gabi
Hi Ricarda,
den Ottergeruch fanden wir hoch interessant! Eigentlich nicht unangenehm, halt das, was das Reisen und Erleben so mit sich bringt. Und wie ich das genießen kann. Nicht nur dir visuellen Eindrücke, alles zählt :-)
Es macht mir sehr große Freude, mit Menschen Kontakt aufzunehmen und sie kennen zu lernen. Je mehr man fragt und erfährt desto besser wird es. Und das scheint tatsächlich auf jedes, ja JEDES Thema zu zu treffen! Ich denke, dadurch lebe ich viel bewußter, im Jetzt! Ah, jetzt wird es philosophisch. Das sollte ich vielleicht in einen Blogbeitrag packen :-)
lieben Dank für die Anregung!
Gabi
Schön, dass es Menschen gibt, denen unsere Umwelt nicht egal ist! Würde sich jeder nur einwenig dafür einsetzen, wäre bereits viel getan…
Mit all euren Reiseerlebnissen und Bekanntschaften könntet ihr sicherlich ein Fortsetzungsreihe an Bücher schreiben!! Das wär doch was…?
Ich wünsche euch beim Sichten und bearbeiten eures Arbeitsmaterials viele schöne Momente und natürlich viel Erfolg!
Liebe Grüsse und eine tolle Woche
Sandra
Toll, daß Jan und Pete sich so für alles einsetzen !
Und für Euch muß das ja wieder ein genialer Tag gewesen sein, nette Menschen, niedliche Tiere (auch wenn man danach nach Otter riecht) und vor allem so viele interessante Geschichten die diese Menschen zu Erzählen haben. Danke, daß ihr uns daran teilhaben lasst.
Und die beiden Bilder vom Schneeschauer sind übrigens sehr schön !
Gruß