Fähre Lerwick – Aberdeen, danach direkt Fähre Newcastle – Amsterdam
Unser letzter Tag auf den Shetlands war mit Aktivitäten und neuen Eindrücken angefüllt. Darüber habe ich bereits in den vorigen Blogbeiträgen berichtet.
Um 17:00 Uhr sollte die Fähre von Lerwick nach Aberdeen fahren. Das Wetter war wieder traumhaft. Die Sonne schien, große, schwere Wolken verzierten den blauen Himmel. Regional schneiten sie in dramatischer Schönheit ab.
In der warmen, fast schon heißen Sonne, warteten wir darauf, endlich auf das Schiff fahren zu können. Ich vertrieb mir die Zeit im langen Gespräch mit einem Ehepaar und deren Enkelin aus Südengland. Während der langen Fährfahrt setzten wir dieses Gespräch an den unterschiedlichsten Orten fort. Mal trafen wir uns auf Deck, dann beim Frühstück….
Ein Lastwagen nach dem anderen fuhr in den Bauch der Hrossey. Unglaublich, wieviele Fahrzeuge in die relativ kleine Fähre hineinpassen. Allerdings war das Aufkommen der LKWs an diesem Tag außergewöhnlich hoch, wie Mitarbeiter und shetländische Fahrgäste bestätigten. Wir warteten deswegen etwas länger und mußten schließlich im Schiff rangieren. Zwischen den großen und bereits mit Ketten gesicherten Transportern war eine schmale Spur, gerade breit genug für die PKW’s, frei. Wir fuhren durch die Länge der Fähre, wendeten am hinteren schmalen Ende – mit der langen VW T4 Version nicht einfach – fuhren dann über eine steile Rampe hinunter ins Schiff, wendeten nocheinmal und parkten dann so eng ein, dass die Heckklappe des Kofferraums blockiert war.
Am Ausgang stand ein lustiges Schild: „Wenn Du in Kirkwall auf den Orkneys aussteigen willst und hier parkst, kontaktiere sofort einen Angestellten der Fähre!“ Hier unten kommt keiner schnell raus! Bei der Buchung der Fährfahrt vor ein paar Tagen hatten wir nicht darauf geachtet, ob eine Kabine reserviert war. Der Angestellte hatte nach der vorherigen Buchung gefragt und dann einfach ohne Nachfrage gemacht. Ich war davon ausgegangen – da der Preis ungefähr der gleiche wie bei der Hinfahrt war – dass wir wieder eine Kabine haben würden. Erst einen Tag später hatten wir bemerkt, dass keine Kabine auf der Buchung stand. Jetzt waren wir in der Vorsaison und die Fahrt etwas teurer. Die Kabine hätte uns weitere 90 Pfund gekostet. Gunter meinte, das können wir sparen. Mir war es nicht recht – ich neige zu Kopfschmerzen, wenn ich nicht gut schlafe und die Reise war lang. Diese Fähre war erst der Beginn der dreitägigen Tour. Ich hatte mir vorgenommen, auf der Fähre nach einem Bett zu fragen, schob es aber vor mich hin.
Bei Auslaufen der Fähre fotografierten wir die Wolken vom oberen Deck aus. Dass dieses äußere Deck offen war, lies auf besseres Wetter hoffen. Auf der extrem schaukeligen Fährfahrt nach Shetland vor drei Wochen waren die Decks von Anfang an geschlossen gewesen.
Wehmütig warf ich einen letzten Blick auf Bressay und den Leuchtturm, in dem wir die erste Woche auf der Inselgruppe gewohnt hatten. Der Abschied fiel mir sehr, sehr schwer.
Beim Fotografieren kam ich mit Liz ins Gespräch, wir schwätzten schließlich den ganzen Abend miteinander. Sie hatte, wie wir auch, keine Kabine gebucht. Nach einigen Stunden quälten wir uns wie erwartet auf den Sitzen. Wir sehnten uns danach, flach zu liegen und gemütlich zu schlafen. Glücklicherweise gab es an diesem sonnigen Abend kaum Wellen. Sanft schwankten wir hin und her. Das machte die Sache etwas einfacher. Mit Windstärke 9 hätte ich es ohne Bett nie ausgehalten. Da ging nur liegen!
Nach Sonnenuntergang passierten wir die Fair Isle. Bein Anblick der relativ kleine und abgelegenen Insel packte mich die Sehnsucht: „Da will ich hin! Unbedingt!“ Wie ein Zuckerguss auf einem Kuchen, hatten tausende Vögel mit ihren Hinterlassenschaften die äußeren Felsen der Insel verziert. Ein klein wenig Schnee lag auf den schattigen Hügeln. Die felsige Insel sah aus wie ein Kunstwerk. Eine Spitze des Leuchttürms lugte hinter den grünen Hügeln hervor.
Das war die einzige Aufregung auf der ansonsten angenehm ruhigen Fährfahrt. Gegen 23:00 Uhr legten wir in Kirkwall an. Tief im Bauch des Schiffs rangierten Lastwagen, die schweren Ketten klirrten gedämpft. Wir waren müde, doch fanden auf den Liegesitzen keinen Schlaf. Die Bar war mittlerweile geschlossen, so beschlossen wir auf die Sofas umzuziehen. Geschickt, aber hinterhältig, waren Armlehnen auf den Polstern angebracht. Sie gaben immer nur 1,5m des weichen, gemütlichen Sofas frei. Die Lehnen behinderten das Ausstrecken der Beine und sie waren zu hoch und hart für den Kopf. Jetzt merkte ich, dass mir diese Nacht nicht gut bekommen würde. Es war zu spät nach einem Bett zu fragen. Stundenlang suchten wir erfolglos nach einer halbwegs angenehmen Position. Auf dem Boden war es zu hart, die Sitzbänke nicht lang genug.
Liz sah auch nicht besser aus als ich, als ich sie morgens im Waschraum vor der Toilette traf. Ich hatte schlauerweise einen Becher, Shampoo und ein Handtuch für’s Haarewaschen dabei. Das verbesserte das Äußerliche – innen fühlte sich mein Kopf sehr schwer an. Selbst ein heißer, frischer Kaffee half da nicht.
Unsere Parkposition in der Fähre hatte neben dem Rangieren den großen Nachteil, dass wir erst nach all den Lastwagen hinaus fahren konnten. Und die Lastwagen mußten zuerst von den schweren Eisenketten befreit werden. Alle Passagiere hatten das Schiff bereits verlassen, nur die wenigen Autofahrer, die bereits in Lerwick in die Tiefe der Hrossey abgetaucht waren, standen noch wartend vor der Treppe. Das gab uns Zeit mit den netten Leuten aus Südengland zu schwätzen. Auch deren Zeitplan kam mit der langen, etwa einstündigen Wartezeit, ins Wanken.
Jetzt fuhren wir rückwärts bis ans Ende der Fähre und dann um eine Kurve die steile Rampe hinauf. An einer Ecke blieb ich mit dem langen Bus fast hängen, der Reifen rutschte über eine hohe Kante, aber es passierte nichts weiter. Mir wurde nur bewußt, wie lang doch unser Auto ist – fast so lang wie das Wohnmobil. Ich nahm Anlauf, um mit Schwung hochzufahren, die Riffeln im Blech schepperten und rüttelten alles im Bus wild durcheinander, dann stoppte mich der Einweiser, kurz bevor ich das Ende der Rampe erreicht hatte! „Echt, muss das sein!“ OK, ich zog rasch die Handbremse und fuhr dann auf der steilen, trotz Riffeln, rutschigen, Rampe wieder an. Was für eine Aufregung. Vor allem so unausgeschlafen.
In den Kreiseln und dem Verkehr von Aberdeen ging der Trubel direkt weiter. Ein Kreisel reihte sich an den nächsten. Alle waren mit Autos und Lastwagen gefüllt. In der Stadt gab es mehr Autos als in ganz Shetland und sie hatten sich alle in den engen Straßen und Kreiseln versammelt. Was ist Verkehr? Wo wollen denn all diese Menschen so hektisch hin? Litten wir unter einem Kulturschock? Ich hatte keine Zeit dafür, denn der Verkehr nahm mich und unser Fahrzeug mit. Keine Zeit zum Innehalten.
Ein Tag Fahrt durch England stand uns nun bevor und eine weitere Nachtfähre! Nach den Wochen auf einsamen schottischen Inseln sind die Kreisel in England extrem anstrengend. Das liegt nicht am Linksverkehr, daran haben wir uns längst gewöhnt.
Wir legten einen kurzen Einkaufsstopp ein, aßen ein heißes Hähnchen und Brot. Problemlos erreichten wir die Fähre in Newcastle. Es gab keine wartende Autoschlange, wir waren zwei Stunden zu früh und wurden doch direkt eingewiesen. Das ist sehr praktisch, wenn man die Ausmaße des Schiffs betrachtet. Es war rießig im Vergleich zu der Shetland Fähre! Wie eine Art Kreuzfahrtschiff.
Die PKWs parkten auf Ebenen, die mit den aussteigenden Passagieren hoch und runter gehoben wurden. Beängstigend! Da kann man sich wie in einer großen Saftpresse fühlen und nur hoffen, dass die Arbeiter den Schalter auch rechtzeitig drücken. Unser Bus war glücklicherweise zu lang, so kamen wir gerade nicht mehr auf die Hebefahrbahn mit drauf und die Presse blieb uns erspart.
Die Kabine im tiefen Bauch des Schiffes hatte uns auf der Hinreise gestresst. Nach kurzer Recherche stand fest, dass eine Kabine mit Fenster nur 30 Pfund teuerer war. Das war es uns wert gewesen, zwei Kabinen mit Blick aufs Meer zu buchen. Wir hatten nicht nur ein Fenster – glücklich bemerkten wir, dass wir die Aussicht in Fahrtrichtung der Fähre hatten! Nach der Nacht auf dem Boden fühlten wir uns fast reich.
So konnte ich sehr gut entspannen. Ich legte mich direkt ins Bett, denn mein Kopf dröhnte jetzt von der durchwachten, unbequemen Nacht und der langen Autofahrt im englischen Verkehr. Immer wieder warf ich beruhigt einen Blick aufs ruhige Meer hinaus und ruhte weiter. Ohne Aussicht kann ich nicht ruhen, da renne ich immer druch enge, muffelig riechende Gänge hoch zum Deck, um einen Blick aufs Meer zu erhaschen. Diese Kabine war genial! Die Matratze weich, die Kissen kuschelig, die Decke warm, die Luft war sogar zum Atmen geeignet. Mein Kopf erholte sich von den Strapazen.
Gunter und Esra hatten sich das Schiff und vor allem die Duty Free Shops angesehen. Sie kamen angeheitert, giggelnd zurück – die asiatische Crew hatte Whisky ausgeschenkt und die beiden kamen noch mit zahlreichen kleinen Becherchen in den Händen in die Kabine. Günstig sei der Whisky, wir müßten unbedingt eine Flasche mit nach Hause nehmen. Wir kauften schließlich zwei Flaschen (eine Talisker und eine Glenlivet), nachdem Gunter und ich nochmal Geschmacksproben genommen hatten :-)
Die Nacht war ruhig, super bequem, die Kids hatten eine eigene Kabine und wir alle richtig viel Platz. Unsere Provianttasche bescherte weiterhin leckere Snacks, so mußten wir diesmal nicht hungern. Die Newcastle Fähre kann man ohne Kabine gar nicht buchen. Sie ist zwar teuer aber trotzdem sehr praktisch. Die Fahrt nach Dover hätte uns einen ganzen Tag englische Autobahn gekostet, ohne Übernachtung in England wäre das nicht zu schaffen gewesen. Wir hätten also auch fahrender Weise nichts gespart.
Die verspätete Ankunft in Amsterdam sahen wir nicht. Der Nebel war so dicht, dass wir nicht einmal zum Ende der Fähre schauen konnten. Das Schiff fuhr deswegen super langsam in den engen Hafen Amsterdams hinein.
Zwei Nachtfähren nacheinander sind trotz bequemem Bett sehr anstrengend. Von Amsterdam nach Hause waren es dann weitere sechs, sieben Stunden Fahrt. Die Sonne reiste mit uns; in Bubenheim war es erstmals seit Wochen warm und trocken :-) Wenn Engel reisen!
Empfehlung:
- Nehmt auf der Newcastle – Amsterdam Fähre etwas zu Essen mit, falls Euch 30 Euro für ein Menü zu teuer sind. Etwas Günstiges gibt es nicht.
- Bucht lieber eine Kabine mit Fenster und weiter oben. Wir fühlten uns so tief im Bauch des Schiffs nicht wohl.
- Wir buchten über Direct Ferries Es ist günstig, möglichst früh zu buchen. Da macht jeder Tag später im Preis etwas aus! Evtl lohnt es sich mit Frühstück zu buchen.
- Übersicht Fähren in und nach Großbritannien
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Zum nächsten Blogbeitrag:
Hi Ursula,
Deinen Kommentar habe ich ja gar nicht beantwortet….
Ja, unsere Berichte vereinen alles in Einem – Dabeisein in der warmen Stube!
liebe Grüße
Gabi
Hallo liebe Reicherts,
eine ereignisreiche Reise ist zu Ende. Eure Begeisterung hat sich in Bildern und Texten gespiegelt und sicher nicht nur uns super gut gefallen.
Habt vielen Dank dafür, dass Ihr uns habt teilhaben lassen. Wenn man die fantastischen Bilder sieht, wäre man gerne dabei, aber bei den vielen Unannehmlichkeiten , wie z.B. eisiger Wind, Sturm, Nässe, ist man doch froh, wenn man die Reise von der warmen Stube aus genießen darf ;-)
Wir freuen uns schon auf Eure nächste Reise!
Viele liebe Grüße
Ursula
Hi Claudia,
hätte ich nur ein paar Fotos gemacht. Dann könnte ich es Dir jetzt sogar zeigen.
Naja, beim nächsten Mal.
Wir hatten auf unseren Reisen zahlreiche Fähren kennengelernt. Und trotzdem bin ich jedesmal nervös und immer wieder passiert etwas, was wir noch nicht kannten.
Ich mag die Überraschung nicht – wenn ich zum Beispiel weiss, dass es Fähren gibt auf denen man nur rückwärts einparken kann, dann kann ich mich drauf einstellen. Und dann ist es auch nicht mehr so schlimm.
Auf den Lofoten war das, wo wir mal im strömenden Regen rückwärts diese rutschige Rampe hinunter einparken mußten! Und das mit dem Wohnmobil, wo ich nur mit Spiegel fahre. Damals sah ich fast nichts, weil alles nass war!
Die Newcastle Fähre war unsere Größte bisher. Die Fähre nach Shetland die wildeste. Da schreiben wir bald einen ganzen Artikel drüber.
liebe Grüße
Gabi
Das Bild mit der Schneewolke ist gigantisch. Die wirkt wie aus einer anderen, fernen Welt – naja, irgendwie war es das ja auch, oder?
Der Bericht über die Fährfahrten total interessant. Und ich dachte, dass die Fähre mit der ich letztes Jahr den Lorenzstrom überquerte, groß war. Ich war jedenfalls total überfordert mit der Situation. Bisher kannte ich nur kleine Flussfähren wie es sie bei uns auch gibt. Glücklicherweise war meine Reisebegleitung Fähr-Erfahren. Doch euere Fähren, das hört sich alles noch größer und unübersichtlicher an.
Es freut mich für euch, dass ihr mit Sonne zu Hause begrüßt wurdet.