Die Fährfahrt nach Shetland – Sturm und Wellen!
Fährfahrt Aberdeen – Lerwick
Jetzt, etwas verspätet also der ausführliche Bericht der Fahrt nach Shetland.
Als Reisevorbereitung hatte ich einige Berichte und Bücher über Shetland gelesen. Jeder dieser Berichte begann mit einer Fährfahrt im Sturm. Hmm, das schien doch etwas übertrieben? Auf der Suche nach Wellen hatte ich die Surfseiten immer im Blick. Leider zeigte sich selten mal Bewegung an. Nur für den Tag unser lange Fährfahrt war bestes Surfwetter gemeldet. Das gab mir zu denken. Am Sonntag stürmte es als wir durch die Straßen Aberdeens liefen. Unangenehm peitschte uns der Wind den Regen in die Gesichter. Gegen Abend stellten wir uns am Fährterminal an. Verglichen mit denen in Dover oder Amsterdam ist es sehr klein. Es scheinen kaum Touristen nach Shetland zu fahren. Und die Bewohner der Inseln, das habe ich aus Gesprächen erfahren, fliegen lieber. Sie kennen das Wetter in dieser Region. Eine Fährfahrt scheint anstrengend zu sein.
Wir sind auf der Fähre nach Shetland
Kaum hatten wir das Schiff betreten, schlenderten wir durch den Souvenirladen. Mal sehen, was die Orkneys und Shetland so zu bieten haben. Der Kapitän meldete sich über Lautsprecher. Heftiger Wind aus Südwest würde uns eine unruhige Fährfahrt bescheren.
Da hatten wir es!
Ich las den Bericht an der Info, Sturm bis Windstärke 9 war angesagt. Die See wäre „rough“ bis „very rough“. Oh weia!
Wir hatten in Pennan ja gar keinen Internetzugang, und deswegen das Wetter nicht im Blick. Die Wettervorhersage im Fernsehen lässt Shetland immer aus, das liegt wohl zu weit nördlich, um noch bequem auf den Bildschirm zu passen! So konnten wir uns nicht auf den Gedanken an stürmisches Wetter und eine schaukelige Fährfahrt vorbereiten. Das hat sicher seine Vorteile!
Nach Shetland via Orkney
Sonntags hält das Schiff auch auf den Orkneys, leider, denn das kostet weitere zwei Stunden. Unsere Kabine lag dieses Mal nicht tief im Bauch der Fähre sondern oben, doch die Luft war auch hier stickig und viel zu warm. Es war fast unerträglich. Trotzdem mochte ich es weiter oben, allein der Gedanken daran, dass wir auf der Fähre von Amsterdam nach Newcastle unter den Lastwagen und allem anderen in der Tiefe des großen Schiffs eingesperrt waren, hatte mir bereits eine schlaflose Nacht bereitet.
Der geschützte Hafen war noch zu sehen, schon schaukelte das Schiff so mächtig, dass wir wie Betrunkene durch die Gänge schwankten. Wir kamen nicht mehr grade aus voran, hielten uns an den zahlreich angebrachten Geländern fest.
Esra war begeistert, dass es kostenloses WIFI gab, das Passwort war Magnus! Würden wir es nutzen können? Ich checkte mails und versuchte einen Bericht zu verfassen. Es klappte nicht. Erstens war das Internet extrem langsam, zweitens konnte ich mich kaum auf den Text konzentrieren. Übelkeit stieg in mir hoch.
Wir sind schwer, wir sind leicht
Nach einem sehr anstrengendem Marsch durch die lecker riechenden Restaurants war ich wieder in der stickigen Kabine. Wir hielten es dort nur in Unterwäsche aus, so heiß war es, die Lüftung funktionierte nicht. So lag ich in der Koje und war mal schwer und mal ganz leicht. Ich meditierte darüber. Jetzt bin ich schwerelos wie im Weltraum, mindestens 4-5 Sekunden dauerte die Talfahrt des Schiffs, dann wurde ich plötzlich wieder sehr schwer. Mit einem lauten Knall landete der Bug im wilden Wasser. Und wieder hoch, langsam, wie in Zeitlupe und ab.
Die Wellen begnügten sich nicht damit, die Fähre nur auf und ab zu werfen, nein, wir schwankten auch heftig zu beiden Seiten. Fast dachten wir, jetzt, spätestens, kippen wir um. Wir schwitzten, versuchen den Schlaf zu finden, wir schaukelten und lagen wach. Hatte ich auch die Handbremse des Autos gezogen? Ich hätte mir denken können, dass es schlimm wird, denn bei der Einfahrt in den Bauch des Gefährt, waren die Mitarbeiter damit beschäftigt, die LKWs mit schweren Seilen anzubinden. Alles war sicher vertaut. Unser kleiner Bus würde sicher ganz schön leiden da unten im Bauch des Schiffs. Da blieb an Ende ganz bestimmt nur so ein kleiner viereckiger Haufen Schrott, so wie wir dauernd auf knallten, nach links und rechts, hoch und runter.
Die wildesten Gedanken hatte viel Zeit in dieser Nacht. Sie gingen mit mir durch. Wer war nur auf die blöde Idee gekommen, nach Shetland zu fahren? Hätten es nicht die Hebriden auch getan. Da war es doch klasse gewesen! Jetzt war es zu spät, wir müssten da durch.
Ruhepause im Hafen der Orkney Inseln
Mit Verspätung erreichten wir die Orkneys, ich wollte die natürlich sehen, jetzt, wo wir stillstanden und die Kabine immer noch viel zu heiß war. Das Anziehen fiel mir schwer. Kaum hatte ich einen Teil der Kleidung an, brach wieder der Schweiß aus. Uff, noch den Pulli drüber und schnell raus. Ich sah nicht viel draußen, stand auf dem Außendeck im schmierigen Erbrochenen, nur der hintere Bereich war für die Raucher offen, alle anderen Decks blieben von Anfang an unzugänglich. Das Restaurant roch jetzt streng nach Bier! Erstaunlich, wieviel die Leute auf dieser Fahrt noch trinken konnten!!
Ich aß eine Kleinigkeit und bereute es schnell. Jetzt wurde die Fahrt erst richtig wild. Die Koje war so hart, uns taten alle Knochen weh. Wir fanden auch beim letzten, stundenlangen Teil der Strecke keinen Schlaf. Erschöpfung machte sich breit. Zweimal meldete der Kapitän, dass er ein Wendemanöver machen würde, um besser in den Wellen zu stehen. In den nächsten 5 Minuten solle niemand auf dem Schiff laufen! Alle hinsetzen und sitzenbleiben! Hörte sich schon gefährlich an. Danach war es etwas ruhiger. Mit ca. 2 Stunden Verspätung erreichten wir schließlich Lerwick! Ich schaffte es als einzige für die Anfahrt in den Hafen aus der Kabine raus. Doch nicht problemlos, meine Haare musste ich waschen, hatte nachts ja gekämpft und sah entsprechend aus. Mit dem Kopf nach vorne wurde es mir aber so übel, dass ich doch schnell wieder ins Bett musste, fast hätte ich den Kotzbeutel gebracht. Aber dann schnell raus ins Freie, frische Luft und so sah ich mit großer Freude unseren Leuchtturm! Genial! Fast war die ganze Mühe schon vergessen!
Beim Anstellen kurz vor der Ankunft waren so viele Leute im Raum, es war so stickig, dass Amy in Ohnmacht fiel. Mitten im Trubel. Was für eine Hektik. Wir mussten zum Fahrzeug, es vom Schiff runter fahren. Wir hatten zu viele Taschen, werden beim nächsten Mal weniger mitnehmen. Amy musste sich hinlegen; nach wenigen Minuten stützten wir sie, packten sie und Gunter in den Fahrstuhl und schnell ins Auto. Wir schafften es schließlich gerade noch rechtzeitig von der Fähre runter ins sonnige Lerwick zu fahren! Klasse! Endlich angekommen! Noch schwankte der Boden unter unseren Füßen und der würde das sogar noch einen ganzen Tag lang tun.
Noch eine Fähre bis zum Bressay Leuchtturm
Wir hatten vergessen unseren Vermieter rechtzeitig zu kontaktieren. Auf Shetland konzentriert sich fast alles auf Lerwick und da waren wir ja gerade. Also suchten wir die Dame, bei der ich per Internet gebucht hatte, auf und fragten nach. Normalerweise ist die Unterkunft ab 16:00 Uhr frei, doch da wir noch Vorsaison haben geht es auch früher. Wir waren froh darüber und vereinbarten dass wir die Fähre – ja, ihr lest richtig! Um 1:30 Uhr nehmen würden. Unser kleiner Leuchtturm (hört sich gut an: unser kleiner Leuchtturm) – ist auf Bressay und diese Insel ist nur per Fähre erreichbar. Diese fährt regelmäßig fast alle 30 Minuten und glücklicherweise braucht sie nur 7 Minuten! In Lerwick kauften wir ein, informierten uns im Touristeninfo, Amy und Noah blieben im Auto um Kräfte zu sammeln. Dann fuhren wir doch früher mit der kleinen Fähre auf die kleine Insel. Wir erkundeten Bressay nur kurz per Auto und parkten dann vor dem Leuchtturm und warteten.
Frank kam pünktlich, er zeigte uns die Wohnung, in der er als Leuchtturmwärter gewohnt hatte. Sie ist groß, etwas einfacher eingerichtet als Annes Haus. Aber wir haben alles. Bequeme Betten, eine Küche und ein relativ kühles Bad. Die Gebäude sind historisch und daher zugig, der Wind liegt meist auf dem Bad, kommt direkt übers Meer drauf zu und daher ist das der kälteste Raum. Zu gerne hätte ich ein heißes Bad genommen, doch vorerst verzichtete ich. Wir fielen in die Betten und schliefen zwei Stunden! Das war nötig gewesen. Mit Esra zusammen erkundete ich die nähere Umgebung! Erster Eindruck: Genial! Absolut genial! Das Meer zu allen Seiten, wilde Wellen vor der Tür, ein Leuchtturm im Fenster. Nur Meerblick gibt es fast gar nicht. Seltsam! Die erste Nacht auf Shetland war erholsam und der lange Schlaf sehr nötig.
Ein paar Fakten zu Shetland:
Shetland ist eine Inselgruppe aus etwas über 100 Inseln. Nur 15 davon sind bewohnt. Hier leben 22000 Menschen. Auf jeden Bewohne kommen 12 Papageitaucher und 18 Schafe!
Shetland hat 1460 km Küstenlinie, ungefähr so weit wie von London nach Rom. Es liegt näher am Polarkreis (640 km) als an London (965 km) und noch näher bei Norwegen (Bergen 380 km). In Shetland gibt es mehr als 7000 archäologische Stätten. Es regnet durchschnittlich an 269 Tagen im Jahr aber nicht mehr als in Devon an der englischen Riviera.
Touristen im Jahr 2000: ca. 20 000
Britishe Touristen in Spanien im gleichen Jahr: 10.7 Millionen.
Quelle: Between Weathers, Ron McMillan
Weitere spannende Reisegeschichten findest Du in der Blogparade von Travel on Toast.
Unser ausführlicher Live Reisebericht Shetland zum Schmökern
Zum nächsten Blogbeitrag:
Du lieber Himmel, was für eine Überfahrt! Ich war jetzt Anfang Juli da, bin aber glücklicherweise über Orkney gereist, so dass es nur ein paar Stunden wild war. Aber eure Fahrt hört sich wirklich horrormäßig an. Allein die Sache mit den Wendemanövern – Help!
Grüße Dagmar :-)
Hi Michael, ich bräuchte mehr Zeit für’s Schreiben….
Muss es immer nachts einflicken, ist nicht gut, aber besser als gar nicht.
Die Fotos kosten halt viel Zeit.
liebe Grüße
Gabi
Ja, die Bestellungen kenne ich! Ich war da schon vorsichtig mit dem Wünschen! Klappte aber nicht. Schade! Aber, es war ein Erlebnis und das werden wir nie vergessen. Ging ja auch alles gut, sogar das Auto war noch heil :-)
Liebe Grüße
Gabi
Ja, das war heftig, hat aber gelohnt .-)
Der Leuchtturm ist tatsächlich klasse! Da würde ich gern mal länger wohnen! Eine Woche scheint viel zu kurz. Leider.
liebe Grüße
Gabi
Hi Andreas,
wo wart ihr denn da unterwegs? Ich weiss leider nicht, wie hoch die Wellen wirklich waren, es fühlte sich sehr wild an und der Kapitän meinte auch morgens etwas von alles andere als angenehme Überfahrt! Ja, die Naturgewalten!
Warst Du schon mal auf Shetland? Ich kann es Dir nach nur wenigen Tagen bereist aus ganzem Herzen empfehlen!
liebe Grüße
Gabi
Hi Gabi,
ich lag da schon in der Koje und habe am Bericht formuliert. Ist cool, wenn man Tagebuch oder halt Blog führt, da eignen sich auch üble Erlebnisse noch für einen Bericht :-)
Wir haben es jetzt auch sehr kalt. Der Wind macht den Unterschied. Schneewolken ziehen dauern über uns und für kurze Zeit bleibt der Schnee sogar liegen. Glücklicherweise müssen wir nicht schippen :-)
liebe Grüße
Gabi
Hi Lutz,
ja, hie und da fühlen wir uns immer noch seltsam im Bauch. Die Fahrt war wahrlich anstrengend. Die Fähre am nächsten Tag kam gar nicht aus dem Hafen von Aberdeen raus!
Ich muß mir die Bilder daheim anschauen, das Internet ist zu langsam und sehr im Traffic begrenzt!
Liebe Grüße
Gabi
Hallo !
Na, alle wieder fit ?
Euer Leuchtturm scheint ja sehr anziehend zu sein ;-) http://www.panoramio.com/photo/1949072
Geniale Fotos und gute Reise !
Gruß
Lutz
Ich kann mich den Vorrednern nur anschließen: sehr beeindruckender Bericht, ich muss fast k….n, so habe ich „miterlebt“. Wie wäre es, wenn ihr zurück über Bergen und dann Gedser fahrt? Dann könntet ihr bei uns einen Stopp einlegen? Manchmal hat der Mensch Ideen….
Deine ersten Fotos von eurer neuen Zeitheimat machen neugierig auf me(e)hr, bin schon gespannt. Das Klippenfoto ist sehr schön.
LG von Gabi, ich geh jetzt wieder Schnee schippen (WIR HABEN FRÜHLING! angeblich)
Oha! Deine Beschreibung erinnert mich fatal an eine Tour bei der unchristlichen Seefahrt: nordöstlich von Schottland gab es 4-Meter-Wellen, also 8 Meter Hub zwischen Wellental und -kamm. Leider durften wir damals nicht in den Kojen bleiben… Eure Unterkunft sieht auf jeden Fall vielversprechend aus – da ist die Überfahrt sicher schnell vergessen. ich freue mich schon auf die Fotos!
Gruß, Andreas
WOW – die Überfahrt war ja wohl mehr als heftig…….
Aber schön, daß der Leuchtturm gleich mal so einen tollen Eindruck auf Euch macht. Das „Meer auf allen Seiten“ hört sich ja traumhaft an. Nun lebt Euch mal gut ein in Eurem neuen Traumdomizil und wir freuen uns schon auf die nächsten interessanten Erlebnisse und Fotos von Euch.
Macht’s gut !
Boah… ich kann mich Michael nur anschliessen… seeeeehr eindrücklich verfasster Bericht! Auch wenn ihr erst angekommen seid und noch nicht an die Rückfahrt denken mögt, ich wünsche euch schon jetzt eine seeeehr ruhige und angenehme Rückreise! Eine „Bestellung“ im Voraus wäre vielleicht nicht schlecht…
Doch jetzt geniesst erst mal den Leuchturm und alles was euch gefällt und erfreut!
Liebe Grüsse
Sandra
Sehr eindrücklich geschrieben, Gabi. Nach dieser Überfahrt werdet ihr sicherlich die besten Fotos ever machen. :)