Das ist der zweite Teil meines Schottland-Reiseberichtes
Entspannte Tage in den Borders, Schottlands Grenzregion im Süden
Ich war immer noch unterwegs mit Joey und Chris, meinen neugefundenen Reisekameraden. Wir hatten es alles andere als eilig, fuhren ohne eine einzige Sorge im Süden Schottlands herum und genossen das gute Wetter. Es machte richtig Spass, mit zwei anderen Radlern zusammen unterwegs zu sein, vor allem, da wir in etwa das gleiche Level an Fitness hatten – oft, wenn meine Beine nach einem Hügel müde waren und ich eine Pause vorschlagen wollte, kam mir einer der anderen knapp zuvor.
Gedanken um Schlafplätze mussten wir uns wenige machen, da in Schottland das Campen nahezu überall erlaubt ist. Wir nahmen nicht den Kuestenweg, sondern fuhren erst nach Westen ins Land hinein, bevor wir nach Norden nach Edinburgh fuhren. Auf dem Weg kamen wir an einer grossen Anzahl sehr kleiner, sehr hübscher Ortschaften vorbei, die alle eine grosse Auswahl an gemütlichen Cafes und Biergärten zu bieten hatten. Das verlangsamte unser Vorankomen erheblich. In jeder zweiten Ortschaft machten wir Halt, Joey und Chris wühlten ihr Go-Brett aus einer der Taschen und wir vernichteten unerhörte Mengen an Essen uns Bier (irgendwo muss der Treibstoff ja herkommen). Radwege gab es so gut wie keine, doch die kleinen Landstrassen, auf denen wir radelten, waren nahezu verkehrsfrei.
Die kleine Strasse zwischen Innerleithen und Edinburgh führte uns zwischen grasbewachsenen Hügeln immer weiter hinauf, stundenlang ging es mal auf ebener Strecke entlang, mal ganz leicht bergauf. Irgendwann hatten wir aber die höchste Stelle erreicht, einen Pass fuer Anfänger, wenn man es so nennen will. Die Aussicht war grandios! Wir konnten nicht nur die gesamte Stadt Edinburgh im Tal vor uns sehen, sondern auch die Bucht dahinter und die Highlands am Horizont. Wir genossen die Aussicht kurz, konnten es aber kaum erwarten, den ganzen Weg auf der anderen Seite wieder herunterzurasen. Zum ersten Mal auf der Reise konnte ich im höchsten Gang fahren!
Edinburgh, die Altehrwürdige, war mit dem Rad leichter zu bewältigen als gedacht
Motiviert von den hohen Geschwindigkeiten fuhren wir immer weiter Richtung Edinburgh mit dem Plan, ganz kurz vor der Stadt eine Wiese zum übernachten zu suchen. Das funktionierte natuerlich nicht. Auf einmal waren wir in den Vororten von Edinburgh, die Gebäude rückten immer dichter aneinander, und wir wussten nicht so ganz, wo wir jetzt campen sollten. Zum Glueck fanden wir einen grossen Park im Herzen von Dalkeith, in dem wir unsere Zelte aufbauen konnten. Wir hielten einen respektvollen Abstand vom Herrenhaus, welches in der Mitte des Parks stand. Auf dem Weg zum Park hatten wir einen Supermarkt gesehen, also knobelten wir einen Boten aus (mich), der Bier und Käse holen fuhr. Damit machten wir uns einen schönen Abend, der recht lange dauerte, da die Sonne um diese Jahreszeit erst gegen 11 Uhr abends hinter dem Horizont verschwand. Natürlich wurden wieder die Go-Steine rausgeholt, die gehörten mittlerweile zur Routine.
Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns, denn ich wollte nicht unbedingt durch das Stadtzentrum fahren – ich hatte Bedenken, dass es stressig und ätzend sein würde. Ich folgte also den Radwegschildern aus der Stadt heraus, die anderen Beiden verschwanden in die entgegengesetzte Richtung.
Leider waren die Radwege in und um Edinburgh herum so schleht ausgeschildert, dass gar keine Schilder besser gewesen wären, als das, was da an den Laternenpfähen hing. Nach einer Stunde Irrfahrt stand ich keine huntert Meter von dem Ort entfernt, wo wir uns verabschiedet hatten. Und siehe da, Joey und Chris waren auch nicht viel weiter gekommen. Sie freuten sich, mich wieder zu sehen, und wir entschieden uns, lieber zusammen auf den Strassen zu fahren. Das war überraschend einfach und stressfrei, und ehe wir uns versahen, waren wir mitten im Herzen der Stadt. Umgeben von massiven, sehr wichtig ausschauenden Steingebäuden, kleinen Läden und Parks genossen wir den frühen Nachmittag. Ednburgh ist eine unerhört schöne Stadt, es gibt kaum ein hässliches Viertel. Und im Zentrum sind nur Busse, Taxis, und Fährräder erlaubt, was unser Leben erheblich einfacher machte!
Eine Woche im lebendigen Glasgow
Leider konnte ich nicht ewig in Edinburgh bleiben, da ich am nächsten Tag mit einer Freundin in Glasgow verabredet war. Zwischen den beiden Städten verläuft ein alter Binnekanal, also war es ein Kinderspiel, den Weg nach Glasgow zu finden. Es dauerte zwar eine Weile, bis ich den Kanal in Edinburgh ausfindig gemacht hatte, doch dann musste ich wirklich einfach nur dem Wasser folgen.
Da ich erst am Späten Nachmittag losfuhr, musste ich eine übernachtung einplanan, dafür war ich aber am nächsten Tag recht früh in Glasgow. Gerade eben noch am Wasser entlanggefahren, auf einmal tauchen ein paar Häuser auf… und plötzlich stand ich im Stadtzentrum, mitten im geschäftigen Treiben etlicher Touristen und Glasgower.
Ich wusste, dass die Freundin, die ich besuchen wollte, im Westen der Stadt wohnte. Ich hatte ihre Adresse und eine ungefähre Anhung, wie ihr Haus aussah, eine Karte der Stadt hatte ich allerdings keine – aber so schwer konnte das doch nicht sein! Ich tüftelte aus, wo Westen war, und fuhr erstmal eine Weile lang in die Richtung. Irgendwann änderte sich die Landschaft, statt Burögebäuden und Einkaufszentren war ich nun von Wohnhäusern umgeben, und als die Wohhäuser anfingen, so auszusehen wie das gesuchte, wusste ich, dass es nicht mehr weit war. Ich fragte einen vorbeilaufenden Postboten nach dem Strassennamen.
”Hmm…” meinte er und dachte nach ”Ich glaube, das liegtzwei Meilen in diese Richtung”. Ich dankte ihm und fuhr in die Richtung, fragte mich dann noch ein oder zwei mal durch, und dann hatte ich das Haus auch schon gefunden.
Ich blieb eine Woche in Glasgow. Wie in Newcastle war es toll, mit jemandem befreundet zu sein, der sich dort auskennt. Rhona, das war ihr Name, tat ihr bestes, mich an alle sehenswerten Orte zu bringen, die sie sich ausdenken konnte. Das Transportmuseeum, die Kelvingrove Art Gallery, der Botanische Garten, die Universität – alles musste angeschaut werden! Ausserdem trafen wir uns mit vielen von Rhonas Freunden, meist anderen Studenten der Glasgower Uni. Im Gegensatzt zu Edinburgh, dass einen gemütlichen und wichtigen Eindruch macht, ist in Glasgow immer was los. Es wirkt viel lebendiger dort, das Nachtleben ist ziemlich cool, und die Leute sind, ganz entgegen den in England üblichen Vorurteilen, sehr freundlich (ein Freund aus England tat später ganz überrascht, dass ich in Glasgow nicht erstochen wurde). Die Woche über gab es viel Glasgow-typisches Essen, was im Prinzip dem schottischen Essen sehr ähnelt, aber frittiert ist. Fish’n’Chips, frittiertes Haggis mit Chips, sogar frittierte Marsriegel konnte man an jeder zweiten Ecke kaufen. Dazu gab’s IRN BRU, ein leicht toxisch anmutender, orangefarbener Softdrink, der nach Kaugummi schmeckt und in Schottland öfter über die Theke geht als Coca Cola.
Nach der Woche in Glasgow fuhr ich in Richtung Norden weiter, durchquerte die Highlands und besuchete die Isle of Skye. Darüber schreibe ich allerdings lieber im nächsten Bericht, sonst wird dieser hier zu lang!
Hi Esra,
ein klasse Bericht mit schönen Aufnahmen. Die Landschaften, die Städte, alles toll, aber bei frittierten Marsriegeln und Irn Bru hört es bei mir auf.
Da bevorzuge ich doch die skandinavische Küche, die du jetzt genießen kannst.
LG Ursula
Also immer wenn ich einen von Euren Berichten lese (egal ob von Esra oder den übrigen Reicherts) möchte ich hinterher am liebsten die Koffer packen…..
Das passt ja wie die Faust aufs Auge: wir waren gestern in Edinburgh mit dem Rad. Von wegen wenig Verkehr?!
Freu mich, bald noch mehr von Dir zu lesen.
liebe Grüße
Gabi