Von Schottland nach Schweden
Das ist der letzte Teil meines Radtour-Reiseberichts. Nachdem ich lange in Schottland unterwegs war wollte ich noch meine Freunde in Schweden besuchen, also verlängerte ich meine Reise nochmal um knapp 1500 Kilometer.
Holland ist so flach
Nach knapp sieben Wochen in England und Schottland erreichte ich schließlich wieder das Festland. Der Rest der Familie wartete am Fährhafen auf mich, denn sie wollten am nächsten Tag selbst nach Schottland fahren.
Es gab viel zu erzählen, immerhin hatten wir uns seit einer Ewigkeit nicht gesehen, und ich hatte unzählige Geschichten gesammelt. Ich sicherte meine Fotos, wir fuhren ein wenig in der Umgebung Amsterdams herum, und ich schlief diese Nacht auf dem Boden des Wohnmobils statt in meinem Zelt. Das Mobil ist mittlerweile viel zu eng für uns fünf. Mein Zelt ist gemütlicher! Am nächsten Tag fuhr ich früh los.
Mein Ziel war Kiel, denn von dort würde ich eine Fähre nach Göteborg nehmen, und der einfachste Weg dort hin führte an der Küste entlang. Ich hatte keine Karte von Holland dabei und auch kein Smartphone (da der Akku sowieso immer nur leer wäre), doch ich brauchte eigentlich auch keine Orientierungshilfe, immerhin musste ich nur darauf achten, das Meer immer links von mir zu haben.
Flaches Land und Regen, Regen, Regen
Holland war, vor allem verglichen mit Schottland und seinen grandiosen Bergen, mystischen Lochs und nebligen Tälern, ziemlich langweilig. Die höchste Erhebung, die ich auf dem gesamten Weg von Amsterdam bis zur deutschen Grenze zu meistern hatte, war der Deich auf dem ich hin und wieder entlang fuhr. Teilweise führte der Weg so lange geradeaus, dass ich bis zum Horizont keine Kurve ausmachen konnte. Dazu kam noch, dass es unablässig regnete.
Vom Glück des Rückenwindes und spontanen Reisepartnern
Ich war trotzdem sehr gut gelaunt, und das hatte zwei Gründe: zum einen den Rückenwind, der als steife Brise mal ganz ausnahmsweise nicht von vorne oder von der Seite kam, sondern mich merklich antrieb. Zum anderen war da Michelle, eine Radlerin aus Deutschland, die in die selbe Richtung fuhr. Ich traf sie gleich am Anfang meiner Holland-Etappe. Wenn man zu zweit ist kann die Landschaft so langweilig sein wie sie will. Eigentlich war es sogar ganz gut, dass die Strecke so anspruchslos war, denn das hieß, dass wir gemütlich nebeneinander fahren konnten, um uns zu unterhalten.
Irgendwo unweit der deutschen Grenze verabschiedete sich Michelle, um mit einem Zug nach Hause zu fahren. Ihr Urlaub war knapp bemessen und so konnte sie insgesamt nur eine Woche unterwegs sein. Bei mir rief zwar keine Arbeit, doch auch ich musste bald einen Zug nehmen, damit ich rechtzeitig in Kiel war, um die Fähre noch zu erwischen. Wie ärgerlich! Gerne wäre ich die ganze Strecke gefahren.
Das Land der Roten Häusschen und endlosen Wäldern – Schweden
Als ich in Schweden ankam, änderte sich die Landschaft wieder. Es ist übrigens ein ganz anderes Erlebnis, wenn lange Zeit unterwegs ist und ein Land nach dem anderen besucht, statt nach zwei Wochen gleich wieder nach Hause zu fahren. Denn dann vergleicht man irgendwann die Länder untereinander, und nicht mehr mit Deutschland.
Schweden ist so eine Art Kompromiss zwischen Schottland und Holland, was den Anspruch an Radfahrer angeht. Es gibt keine hohen Berge und keinen ewigen Gegenwind, doch es ist dort auch nicht flach und langweilig. Eigentlich ist Schweden perfekt zum Radfahren geeignet, wenn man es gemütlich angehen will.
Man kann es natürlich auch sportlich statt gemütlich angehen, um große Strecken auf einmal zu meistern. Genau das tat ich auch. Ich wollte nämlich so schnell wie möglich bei meinen Freunden in Schweden sein, die ich schon viel zu lange nicht gesehen hatte. Sie veranstalteten wie jedes Jahr ein einwöchiges Festival für Freilerner, also Leute, die genau wie ich nicht zur Schule gehen oder gegangen sind.
Ich überrasche meine schwedischen Freunde und besuche das Freilerner Festival
Jedes Jahr hatte ich viel davon geredet, dass ich auch endlich mal kommen würde, und jedes Jahr wurde dann doch nichts daraus. Wir kamen eine Woche zu spät oder konnten nur im Winter kommen, das Wohnmobil war kaputt, etc… Also kündigte ich dieses Jahr meinen Besuch nicht so lautstark an. So klappt es vielleicht!
Mit all der Vorfreude im Gepäck fuhr es sich tatsächlich sehr leicht, ich legte sie 420 Kilometer von Göteborg nach Askö in zweieinhalb Tagen zurück. An einem sonnigen Mittag kam ich die kleine Schotterstraße entlanggefahren, an der die Farm meiner Freunde liegt. Sie deckten gerade einen Tisch unter dem Apfelbäumen als ich kam, pünktlich zum Mittagessen. Ich sorgte für eine große Überraschung, denn ich hatte ja wie gesagt nicht erwähnt, dass ich kommen würde.
Auf meiner ganzen Reise machte ich hier die längste Pause, ich blieb drei Wochen.
Ich half noch ein paar Tage mit den Vorbereitungen für das Freilerner Festival, immerhin kamen 150 Leute. Als sie schließlich kamen, fing die wohl beste Woche des Jahres an. So viele Leute auf einem Haufen, die alle auf die gleiche Art und Weise verrückt waren wie ich und meine Freunde! Es war prächtig!
Freilerner-Treffen in Schweden
Das Programm war sehr stark auf Freizeitaktivitäten ausgelegt und wurde größtenteils spontan erfunden. Jeden Tag standen Fußball, Cricket oder irgendwelche anderen Ballspiele auf dem Plan, wir bauten eine Kartoffelkanone, veranstalteten Spiele im Wald, ließen ein Floß zu Wasser und spielten nachts so lange in der Scheune Karten und Gesellschaftsspiele, bis die Sonne wieder aufging. Einige Leute hatten ihre Instrumente dabei, und es dauerte nicht lange, da hatten wir eine Band. Es machte Spaß, mal unter so vielen Freilernern zu sein. Auf einmal waren die wenigen, die in die Schule gingen oder gegangen waren, die „anderen“.
Als die Woche vorbei war, schliefen wir erst einmal ein paar Tage lang.
Irgendwann war es dann Zeit, weiter zu fahren, und ich war wieder alleine.
Ich reise allein und bin nie einsam
Hab ich eigentlich schon einmal erzählt, wie toll es ist, allein zu reisen? Diese Reise war meine erste längere Tour, die ich ganz alleine gemacht hab. Keine Familie und keine Freundin dabei, nur mein Rad und ich. Aber einsam war ich nie, denn als Alleinreisender kam ich extrem leicht ins Gespräch mit den verschiedensten Leuten. Zum Beispiel geschah es mehrmals, dass sich meine Wege mit denen anderer Reisender kreuzten – und prompt hatte ich für ein paar Tage Gesellschaft. Wenn ich in einen Pub oder ein Café kam, wurde ich oft einfach so angesprochen („Hey, bist du in dem Siffwetter ganz bis hierher geradelt?! Wow! Setzt dich doch zu uns!“). Wenn man zu zweit oder gar zu fünft reist passiert das bei weitem nicht so oft – immerhin hat man seine Gesprächspartner ja schon dabei, und die Leute wollen nicht stören.
Ich konnte auch viele meiner Freunde besuchen, die in Nordeuropa verteilt sind. Hätte ich noch jemanden dabei gehabt, wäre das schwer geworden – wenn ich eine Woche bei einem Freund auf der Couch chrashe kommt es komisch, wenn ich einfach meinen Mitreisenden ungeladen mitbringe.
Und natürlich war ich so unabhängig wie noch nie! Alle Entscheidungen über die Route, das Essen oder den Schlafplatz lagen bei mir, es gab keine Diskussionen oder Kompromisse, die irgendwen unzufrieden stimmen.
Um von Meinen Freunden bei Stockholm nach Malmö an der Südspitze Schwedens zu radeln brauchte ich fünf Tage. Hier sind noch ein paar Bilder von der Strecke.
Alles in allem bin ich fast 4.000 Kilometer mit dem Rad gefahren (Und noch ein paar mehr mit Fähren und einem Zug). Ich war fast 3 Monate lang unterwegs, verbrachte die Hälfte der Zeit unterwegs und die andere bei alten Freunden oder neuen Bekannten. Es war einer der besten Sommer meines Lebens!