Der Leuchtturm von Texel – Doppelte Wände und eine grausame Geschichte
Die Küstenlandschaft von Texel verschwindet im dichten Nebel. An diesem tristen Tag besichtigen wir den Leuchtturm trotzdem und tauchen ein in die traurige Geschichte der Insel.
Ein Leuchtturm mit außergewöhnlicher Geschichte
Leuchttürme sind außergewöhnliche Bauwerke, sie stehen an interessanten Orten und haben eine beachtenswerte Architektur. Geschichtliche Ereignisse umranken die meist runden Türme wie Efeu. Der Leuchtturm von Texel mit seiner bewegten Geschichte bildet da keine Ausnahme.
Arien, der Leuchtturmguide, sitzt an der Kasse. Draußen ist es so neblig, dass außer uns keine anderen Touristen den Weg zum Leuchtturm gefunden haben. Gerade wegen dieser extrem schlechten Sicht lohnt sich für uns der Besuch an diesem Tag. Arien hat Zeit. Wir unterhalten uns eine Stunde lang angeregt. Der Leuchtturm hat eine grausige Geschichte, dazu passt das triste Novemberwetter gut.
Aber fangen wir mal von vorne an.
Zwei Inseln werden zu einer und tückische Sandbänke
Der nördliche Teil von Texel heißt Eierland. Früher sammelten die Anwohner dort Möweneier, daher der Name. Eierland war vor 200 Jahren noch eine eigenständige Insel, durch Landgewinnungsmaßnahmen verband sie sich mit Texel und gehört seit 1835 zu Texel.
Die Sandbänke in der Region sind tückisch, hunderte von Schiffen sind hier schon in stürmischem Wetter auf Grund gelaufen und verloren Mannschaft und Ladung.
Texel brauchte also dringend einen Leuchtturm, doch es dauerte Jahrzehnte, bis der texeler Notar Johannes Ludovicus Kikkert sich mit dieser Forderung in Rotterdam durchgesetzt hatte. Es erforderte zahlreiche Briefe und Eingaben, bis der Bau genehmigt wurde. Im Jahr1864 war es endlich soweit: der Turm war betriebsbereit.
Der Aufstand der Georgier
Arien erzählte uns über die Zeit des zweiten Weltkriegs, da erreichte der Turm traurige Berühmtheit. Die deutschen Besatzer bauten zahlreiche Bunker als Teil des Atlantikwalls um den Leuchtturm herum.
Die auf Texel stationierten, 800 zwangsverpflichteten Soldaten eines georgischen Batallions, meuterten am 6. April 1945, als sie an die Ostfront verlegt werden sollten. Sie hatten nichts zu verlieren. Entweder sie starben an der Front im Kampf, oder sie wurden bei der Heimkehr nach Russland als Deserteure hingerichtet. In einem Anflug von Verzweiflung brachten die Kriegsgefangenen den Großteil der deutschen Besatzung auf Texel um. So hätten sie wenigstens eine Chance, in ihrem Land als Helden zu gelten.
Doch der Plan ging nicht auf, einigen der 400 deutschen Soldaten gelang die Flucht, und die benachbarten Kampfeinheiten wurden alarmiert. Die Artillerie drängte die Rebellen nach heftiger Schlacht zurück. Der Leuchtturm war die letzte Zuflucht. Zahlreiche Georgier verschanzten sich im stabilen Turm, die deutschen Soldaten nahmen ihn unter schweres Feuer. 50 Georgier verloren im Leuchtturm ihr Leben, weitere 60 wurden gefangengenommen und umgehend exekutiert. Bis dahin war es relativ ruhig gewesen auf der niederländischen Insel, die als Europas letztes Schlachtfeld das Leben von 600 Georgiern, 800 Deutschen und 120 Texelern gekostet hat.
Arien erzählt, dass sein Großvater einer derjenigen war, welche helfen musste, die gefallenen Georgier aus dem Turm zu schleppen. Unser Gespräch nimmt eine traurig- philosophische Wendung.
„Niemand redet auf der Insel über die Greueltaten und Grausamkeiten des Krieges“ meint Arien. „Geht mal in die Seniorenheime und fragt nach! Da kommt nichts.“ Er selbst hat als Soldat in einigen Kriegen gekämpft. Ich denke deswegen war es ihm möglich, die Geschichte so bildhaft zu erzählen, aber auch die Sinnlosigkeit und die aussichtslose Situation der Georgier zu schildern.
Der Leuchtturm im Leuchtturm
Der Turm hatte durch den Beschuss großen Schaden erlitten. Die Turmspitze mit dem Licht war weggepustet worden, die Außenmauern schwer beschädigt. Nach dem Krieg musste ein neues Leuchtfeuer für die Schifffahrt her. Die Versorgungslage war schwierig, für ein neues Licht fehlten die Resourcen, aber ein gebrauchtes Licht konnte aufgetrieben werden. Dessen Basis war aber einiges breiter. Darum entschloss man sich, einen zweiten Mantel aus Backsteinen um den alten Turm zu bauen und die Spitze darauf zu setzen. Nach der Reparatur war der Leuchtturm um einiges dicker, dafür aber kürzer als zuvor.
Nachdenklich stiegen wir die Treppen nach oben. Im 4. Stockwerk ist ein Zugang zwischen die beiden Wände, da kann man noch die Einschusslöcher am Innenturm sehen.
Oben auf der Balustrade ist die Aussicht an diesem Tag eher eine Innensicht. Von oben herab können wir nicht mal den Boden erkennen.
Am nächsten Tag sieht es schon besser aus!
Ein paar Fakten auf einen Blick:
- Der Leuchtturm von Texel ist der einzige niederdändischer Ort von dem man aus die Sonne über dem Meer auf- und untergehen sehen kann
- Zwischen Texel und Nordpol liegt nur Meer
- Der Turm ist 35 Meter hoch, (43 Meter vor 1945) und steht auf einer 20 Meter hohen Düne.
- Er hat sieben Stockwerke und 153 Stufen.
- Seit 2003 ist der Leuchtturm nicht mehr bemannt, das schon länger automatisierte Licht aber noch in Betrieb.
Am nächsten Tag hat der Wind den Nebel von der Insel weggeblasen. Der Himmel ist wieder blau und wir steigen frohen Mutes nochmal die Treppen des Turms hinauf. Diesmal sind wir nicht die einzigen Besucher. Anfang November ist am Strand und Leuchtturm noch eine ganze Menge los.
Für Hunde sind die engen Treppen des Leuchtturms ungeeignet.
Aussicht vom Leuchtturm – vor allem bei gutem Wetter:
- Im Westen sieht man die gefährlichen Sandbänke und den breiten Strand, der sich seit 1994 nach dem Bau eines Meerdammes gebildet hat.
- Im Norden liegt der Vliehors, eine Sandinsel.
- Im Osten geht der Blick übers Wattenmeer, bei Flut sieht man nur die Sandbänke.
- Im Süden schweift der Blick über die Nordhälfte von Texel.
Zum Schutz der Vögel wird der Leuchtturm angestrahlt
Texel ist für seinen Vogelreichtum berühmt. So herrscht auch um den Turm herum reger Vogelflugverkehr. Früher prallten Unmengen von Zugvögeln, angelockt durch das Leuchtfeuer, an den Turm geknallt und verendeten. Um das zu verhindern bekam der Leuchtturm eine eigene Beleuchtung, seither kommen nur noch gelegentlich Vögel dort um.
Ausführliche Informationen zum Aufstand der Georgier findet man im Luftfahrt- und Kriegsmuseum nahe des Inselflughafens.
Im Strandräubermuseum Flora können sich Besucher ein Bild von der Gefährlichkeit der Sandbänke vor Texel machen. Wir haben auch dieses Museum besucht und werden demnächst drüber berichten.
Grindel macht sich gut auf den Fotos :-)
Ja, der neblige Tag hatte auch was Gutes. Wir waren auch noch auf dem Markt.
liebe Grüße
Gabi
Kein Problem Gabi – So ein Leuchtturm ist nicht nur ein Fotomotiv, sondern eigentlich immer hoch interessant.
LG, Gabi
Aber wir teilen das doch sehr gerne mit Euch :-) Und zusätzlich ist es für uns gut, weil wir die Geschichten dadurch selbst so richtig verdauen. Es macht einfach Spaß immer wieder was Neues zu lernen.
liebe Grüße in den Norden, Gabi
Ja, Grindel vorm Leuchtturm gefällt mir auch sehr gut und das letzte Bild „Leuchtturm aus der Ferne“.
Immer wieder toll welche Geschichten ihr „ausgrabt“ und vor allem schön, daß ihr diese mit uns allen teilt !
Liebe Grüsse
Ich schließ mich Edeltraud an: ein sehr informativer Artikel! Schön geschrieben und tolle Bilder neben jeder Menge Information! Dake dafür und noch einen schönen Sonntag!
LG Gabi
Das ist ein sehr interessanter Artikel. Ich habe ihn mit Begeisterung gelesen. Der erste nebelige Tag war für den Bericht hier sehr von nutzen.
Die Aufnahmen sind allesamt sehr gut geworden.
Mein liebstes ist…..Grindel und Leuchtturm am Abend.
Gruß Edeltraud