Reisefotografie – kreativer Einfluß der Brennweite auf die Bildgestaltung
In diesem Teil unseres umfassenden Reisefotografie Tutorials zeigen wir dir, wie du Brennweiten kreativ einsetzt und welche Menüeinstellungen sinnvoll sind, um bestmögliche Bildqualität aus deiner Kamera herauszuholen.
1. Der kreative Einsatz der Brennweiten
Weitwinkelobjektive sind nicht nur dazu gedacht, soviel wie möglich aufs Bild zu bringen, und ein Tele ist nicht nur ein bequemes Instrument für Lauffaule.
Weitwinkelbrennweiten vergrößern den Vordergrund überproportional, der Hintergrund wird relativ klein abgebildet. Er rückt in weite Ferne. Vorder- und Hintergrund werden mit dem Weitwinkelobjektiv weit auseinandergezogen.
Teleobjektive haben einen sehr engen Blickwinkel. Sie betonen den Hintergrund und holen ihn näher heran. Vorder- und Hintergrund rücken im Bild dicht zusammen. Damit werden auch die Größenproportionen wahrheitsnäher abgebildet.

Kreuz von Kapelludden auf Öland. Nah am Kreuz stehend, mit 18 mm Weitwinkel augenommen wirken die Fischerhütten relativ klein.
Kreuz von Kapelludden auf Öland. Gehe ich etwas weiter weg und benutze ein leichtes 55 mm Tele, erscheinen die Hütten in Relation zum Kreuz viel größer.
Das eröffnet unzählige Möglichkeiten für das Spiel mit der Perspektive:
Hast du dich nicht schon darüber geärgert, dass die mächtigen Berge auf dem Gruppenbild mickrig aussehen und ganz und gar nicht imposant wirken?
Der Fotograf hat wahrscheinlich dicht vor der Gruppe gestanden, wollte gleichzeitig viel aufs Bild bekommen und hat darum eine Weitwinkelbrennweite eingesetzt.
Wäre er hundert Meter zurück gegangen, und hätte ein Tele benutzt, wären die Größenverhältnisse ausgeglichener.. Die Berge im Bild wären jetzt keine kleinen Steinhaufen, sondern würden mächtig und imposant über den Leuten thronen.
Ein Beispiel für Vordergrundbetonung haben wir auf den Shetland-Inseln bei den Ponys eingesetzt. Die weichen samtigen Schnauzen haben uns dermaßen fasziniert, dass wir sie unbedingt prominent ins Bild setzen wollten. Wir haben dafür unsere stärkste Weitwinkelbrennweite eingesetzt, den Ponys die Kamera direkt vor die Schnauze gehalten, und dann eine ganze Bildserie geschossen. Auf den Bildern dominiert die Pony-Schnauze das Bild total, und lädt geradezu zum Anfassen ein. Alles andere drumherum, wie Weide, Zäune und Wolken, ist nur Beiwerk.
Das Shetland Pony wurde mit 11mm Weitwinkel bei blende f/8 und mit Aufhellblitz fotografiert.
Über den kreativen Einsatz von Brennweiten ist schon so viel geschrieben worden. Wir wollen nicht alles nochmal wiederkäuen, sondern dich an dieser Stelle ermuntern, intensiv damit herum zu experimentieren. Das ist mehr wert als tausend Bücher zu lesen.
Das gemäßigte Tele bringt den aufziehenden Schneesturm groß ins Bild.
Das gleiche Motiv, nur mit Weitwinkel aufgenommen. Die Sturmwolke ist von blauem Himmel umgeben und wirkt kleiner, nicht mehr so bedrohlich.
2. Wichtige Kamera-Grundeinstellungen
In diesem Abschnitt tauchen wir in die Tiefen des Kameramenüs ab. Neben Zeit, Blende und ISO, die für die Belichtung zuständig sind, gibt es noch andere Basis-Einstellungen, die Einfluss auf die Qualität der Aufnahme haben. Zum Glück musst du die meisten davon nur ein einziges Mal korrekt einstellen.
2.1 Das Dateiformat
Hier hast du die Wahl zwischen RAW- und JPG-Format. RAW-Dateien fallen gegen JPGs hinsichtlich Brillanz und Farbe auf den ersten Blick deutlich ab. Das liegt daran, dass die JPG-Bilder automatisch in der Kamera verarbeitet und optimiert werden, während du deine RAW-Bilder später selbst am Computer bearbeitest.
Eine RAW-Datei kannst du dir wie einen Stapel verschiedener Bildversionen vorstellen. Im RAW-Format stecken viel mehr Daten drin, als du auf den ersten Blick siehst.
Selbst krass fehlbelichtete und farbstichige Bilder lassen sich aus einer RAW-Datei noch rekonstruieren. Wegen des hohen Informationsgehaltes sind RAW-Dateien um ein Vielfaches größer als JPGs. Und für die Bearbeitung am Computer benötigst du einen RAW-Konverter. Diese Bildoptimierung wird, angelehnt an die klassische Dunkelkammerarbeit, Entwicklung genannt. Entsprechende Programme liegen meist den Kameras bei, oder du kaufst dir die Software von Adobe Lightroom, Capture One oder DxO Optics.
Ein Tipp: Wenn du deine Bilder normalerweise als JPG speicherst, weil du mit RAW-Dateien wenig anzufangen weisst, oder du nicht nachbearbeiten willst, beachte bitte folgendes:
Bei interessanten Motiven, oder schwierigen Lichtverhältnissen, welche das JPG-Format wahrscheinlich überfordern, stell in deinem Kameramenü die Bildspeicher-Option so ein, dass JPG- und RAW-Format parallel gespeichert werden. Die RAW-Datei hast du dann als Edelreserve in der Hinterhand und du kannst dich bei Bedarf an der RAW-Entwicklung versuchen.
2.2 Der Bildstil
Mit dem Bildstil bestimmt ihr die allgemeine Bildwirkung. Soll es bunt und grell wirken, oder doch eher luftig und sanft?
Kontrast, Farbsättigung, Farbton und Schärfe sind in Voreinstellungen festgelegt. Bei »Neutral« und »Natürlich« sind die Farben verhalten, bei »Landschaft« sind sie kräftig bunt. Der »Porträt«-Stil bewirkt gedämpfte Farben und einen weichen Eindruck durch verhaltenes Schärfen.
Wir benutzen meist die Bildstile »Landschaft« und »Neutral«.
Bildstil: Landschaft. Bunte kräftige Farben direkt aus der Kamera.
Bildstil: Neutral. Dezente Farbgebung, passt mehr für Portraits. Dieses Bild ist ebenfalls ohne Nachbearbeitung.
Andere Bildstile wie »Sepia« oder »Monochrom« sind absolut unnütz. Mit denen wird die komplette Farbinformation aus der Aufnahme entfernt, und lässt sich nicht mehr zurückholen, außer du benutzt das RAW-Format. Diese Effekte kannst du ausgiebig am Computer auf tausend verschiedene Arten mit der Bildbearbeitungssoftware ausprobieren.
Bildstil: Monochrom. Damit kannst du wenig anfangen. Ein Farbbild bietet in Verbindung mit einem Schwarz-Weiß-Konverter tausend Mal mehr Möglichkeiten der Kontraststeuerung.
2.3 Der Weißabgleich
Der Weißabgleich sorgt dafür, dass Weiß auch im Bild weiß bleibt, und nicht gelblich oder lila wird. Wir nutzen den automatischen und den benutzerdefinierten Weißabgleich. Der automatische Weißabgleich bringt fast immer akzeptable Ergebnisse. Und da wir im RAW-Format fotografieren, ist ein falscher Weißabgleich nicht tragisch, wir können ja bei der Entwicklung die Farbtemperatur auf beliebige Werte nachregeln.
Den benutzerdefinierten Weißabgleich stellen wir bei farbkritischen Motiven ein, wenn die Farbtemperatur exakt stimmen muss. Dafür benötigst du eine postkartengroße Neutralgraukarte, zur Not geht auch ein weißes DIN A4-Blatt. Das wird für die Referenzmessung vor Ort abfotografiert. Zusätzlich muss dieses Bild im Kameramenü als Referenzaufnahme ausgewählt werden. Erst dann nimmt die Kamera die nachfolgenden Bilder farbrichtig auf.
Merke: Weißabgleich und Bildstil lassen sich bei RAW-Dateien jederzeit nachträglich ändern!
2.4 Der Autofokus – die beiden Grundeinstellungen
Wir setzen bei der Mehrzahl unserer Aufnahmen den One-Shot-Autofokus, kombiniert mit manueller Messfeld-Wahl ein. Die Entfernungseinstellung speichern wir über den halb durchgedrückten Auslöser. Das die sicherste Methode für das bewusste Platzieren der Schärfe auf einen bestimmten Punkt, wenn auch nicht die allerschnellste.
Für bewegte Motive und Actionaufnahmen schalten wir auf den kontinuierlichen Autofokus um.
Den kombinieren wir mit automatischer Messfeldauswahl und Bewegungsverfolgung. Das ist die schnelle Methode für dynamische Motive, wenn auch nicht die sicherste.
ACHTUNG: Nicht alle Kameramodelle und Objektive sind entsprechend leistungsfähig für eine Bewegungsverfolgung, auch wenn alle diese Option zulassen.
Tipp: Teste den kontinuierlichen Autofokus deiner Kamera gründlich, bevor du auf eine längere Reise gehst. Damit kriegst du ein Gefühl dafür, was du deiner Ausrüstung zutrauen kannst.
Die »intelligenten« Autofokus-Vollautomatiken mit kombinierter Gesichts-, Bewegungs-, Offene-Augen- und Lächeln-Erkennung sind in der Theorie ideal, in der Praxis kommt es aber immer wieder zu Fehlfokussierungen. Die Automatik mag plötzlich den verästelten Wald im Hintergrund lieber als die davorstehenden Personen, und daheim stellst du dann entsetzt fest, dass der einmalige Schnappschuss unscharf ist.
Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass die Gesichtserkennung im Nahbereich gut funktioniert. Sobald aber die Person weiter entfernt steht, legt die Automatik die Schärfe oft auf den Hintergrund, obwohl der Schärfeindikator eindeutig auf dem Gesichtsbereich liegt.
2.5. Sonstige Einstellungen
Es gibt noch weit mehr Einstellmöglichkeiten im Kameramenü und in den sogenannten Custom-Einstellungen. Diese sind in erster Linie dazu da, die Kamera möglichst gut an deine Bedürfnisse und deine Arbeitsweise anzupassen.
Arbeite dich an einem ruhigen Abend durch die verschiedenen Einstellebenen des Kameramenüs, nimm das Kamerahandbuch zum Nachschlagen und probiere die unterschiedlichen Einstellungen durch.
Bei Menüpunkten, wie Tonwert- oder Farboptimierung, solltest du vor und nach dem Verstellen ein paar Testbilder schießen. Vergleiche die Testdateien miteinander. Neben der Farbabstimmung und dem Kontrasteindruck richte dein Augenmerk (bei 100%iger Darstellung) auf Detailwiedergabe, Rauschverhalten und auf die Hell-Dunkel-Kantenübergänge.
3. Überflüssige Menü-Einstellungen
3.1 Das Digitalzoom
Diese Funktion bringt absolut keinen Qualitätsgewinn! Sie schneidet nur den Randbereich des Bildes rundherum ab, die Bildmitte wird vergrößert. Damit simuliert die Kamera einen engeren Bildwinkel, und täuscht eine Teleaufnahme vor. Mit dem Digitalzoom gemachte Bilder haben entsprechend geringere Auflösung. Diese Art des Beschneidens kannst du effektiver am PC durchführen. Hier kannst du nicht nur die Bildgröße, sondern auch die Position des Ausschnitts frei wählen.
3.2 Farbfilter, Effektfilter, Sepia-Modus, Schwarzweiß-Modus und andere Bildverfremdungen
Ob Bildstil, Effektfilter oder Motivprogramm, dieses Bündel an Bildwerkzeugen ist unnütze Spielerei. Als Resultat hast du ein Bild, welches mit einem einzigen, nicht mehr rückgängig zu machenden Effekt verschandelt ist.
Fotografiere einfach ein farbiges und unverfälschtes Bild. Am PC kannst du deinem Spieltrieb dann freien Lauf lassen. Da kannst du hunderte von Effekten anwenden und alle gelungenen Varianten speichern. Speziell die Schwarz-Weiß-Konvertierung kannst du am PC viel besser und genauer durchführen.
3.3 Rauschunterdrückung bei hohen ISO
Bildrauschen automatisch entfernen, das hört sich verlockend an: du schaltest die Rauschunterdrückung ein, und hast im Handumdrehen ein glattes, sauberes Bild.
Die Sache hat leider einen Haken: Diese Funktion beseitigt zwar effektiv die Körnigkeit im Bild, aber gleichzeitig auch die feinen Strukturen. Haare, Wiesengras, Äste oder Laub mutieren zu unschönen matschigen Farbflecken. Da ist mir ehrlich gesagt ein bisschen Rauschen lieber. Das kann ich bei der Bildbearbeitung gezielt und fein gesteuert vermindern, und gleichzeitig auf die Bilddetails Rücksicht nehmen.
3.4 Datumseinblendung und Bilderrahmen
Die Unsitte der Datumseinblendung ist völlig veraltet und hat auch bei Dokumentaraufnahmen keine Beweiskraft mehr. Das digitale Bild enthält sowieso in den Metadaten die Werte für Zeit, Datum, zusätzlich noch viele Kamera- und Belichtungseinstellungen. Wenn du diese Daten wirklich in dein Bild hineinkopieren willst, kannst du das nachträglich ohne viel Aufwand mit deiner Bildbearbeitungssoftware bewerkstelligen. In jeder beliebigen Größe, Farbe und Position.
Die Bilderrahmenfunktion findet sich meist in Kompaktkameramodellen für den Gelegenheitsknipser, und als App in Smartphones und Tablets. Das ist ganz lustig, wenn ihr mal schnell liebe Grüße über Facebook schicken wollt, nur mit so einem eingerahmten Bild kannst du sonst nicht viel mehr anfangen.
Nochmal unser Papageitaucher. Wenn schon Rahmen, dann mit der Bildbearbeitung an einer Kopie des Originals.