Leichter Reisen, das Rollei Stativ Compact Traveler No.1 im Erfahrungsbericht
Lohnt sich ein Kompaktstativ?
Vielleicht denkst du, was ist denn jetzt in die Reicherts gefahren? Warum geben die sich mit so einem Kleinkram ab? Diese Kleinstative sind doch nur Spielzeug für fotografisch unerfahrene Leute.
- Wir brauchen zur Sicherheit einen Notersatz für alle Fälle. Und wir sind neugierig, ob die Vorurteile gegen leichte Reisestative fundiert sind. Gabis treues Manfrotto 190 hat schon viele Jahre auf dem Buckel und auch einige schwere Misshandlungen hinter sich gebracht. So mussten wir schon ein durch versehentliches Drauftreten verbogenes unteres Beinsegment wieder geraderichten, was bisher der Funktionalität dest Stativs zum Glück keinen Abbruch tut.
- Der zweite Grund ist besonders gewichtig. Wir sind jetzt in einem Alter, wo wir gerne einmal mit leichterem Fotogepäck unterwegs sein würden und trotzdem nicht auf ein Stativ verzichten wollen. Und ein Kompaktstativ ist besser als gar keins, oder etwa nicht? Zumindest wäre das kein Problem, so lange das Stativ hinreichend stabil ist.
- Unser Nachwuchs sorgt für Grund Nummer drei. Esra und Noah sind so langsam auf den Fotografiergeschmack gekommen und oft auf Foto- oder Fahrradtour mit der GoPro oder der Canon EOS M unterwegs. Da passt so ein Kompaktstativ wunderbar dazu.
Dann wollen wir jetzt einmal sehen, was man so einem doch recht filigranen Teil an Kameralast zumuten kann.
Darum entscheiden wir uns für das Rollei Compact Traveler Stativ
Zum einen ist es eine Preisfrage. Über 100 Euro wollten wir nicht investieren. Da fallen schon mal alle Carbon-Stative und höherpreisige Stative, wie das Manfrotto MT190 weg.
Die absoluten Billigheimer sind wie immer keine Option. Standfestigkeit und Robustheit sind für diese Konstrukte Fremdwörter. Leichte Stative von Mantona und Benro hatten wir schon in den Händen, die hatten uns nicht ganz überzeugen können.
Darum schauen wir einfach mal bei Amazon.de vorbei, was sich so auf der Beliebtheitsskala bei den Reisestativen tummelt. Und schau an, die Auswahl an Kandidaten ist gar nicht so klein. Von Amazon gibt es die Basics-Modelle in Alu und Carbon, Manfrotto, Cullmann, Mantona und Rollei sind gut vertreten, und auch einige Exoten. Das Rollei Compact Traveler No.1 fällt uns ins Auge, weil es im Zusammenhang mit unserer Manfrotto-Suche aufgetaucht ist.. Zudem liegt es ziemlich weit vorne in der Kundengunst.
Das ist jetzt noch kein wirklicher Kaufgrund, denn viele Käufer, sprich Rezensenten, gehen einfach nur über den Preis und achten weniger auf die Qualität. Auch der Traditionsname Rollei spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Marke gehört schon lange diversen Investorengruppen, unter deren Ägide wurde schon allerlei minderwertiges Zeug verhökert wurde.
Die Bauart des Rollei-Stativs macht von der Beschreibung und von den Bildern her keinen schlechten Eindruck. Es wirkt durchdacht und einigermaßen solide konstruiert. Und die Kundenkritiken sind in der Summe sehr positiv. Das Gewicht von knapp 1,2 kg und das Mini-Packmaß von nur 32 cm unterstreichen die Reisetauglichkeit und sind wohl die überzeugendsten Argumente für dieses Stativ.
Wir wollen uns selbst ein Bild vom Compact Traveler machen und bestellen das Stativ kurzentschlossen in der günstigen Ausführung „titansilber“. Die anderen Farbvarianten orange, blau, grün oder schwarz sind teurer oder haben längere Lieferzeiten. Noch keine 24 Stunden später halten wir ein kompaktes Paket in der Hand. Schnell ist das Kleinstativ aus seinem Karton befreit und direkt einsatzfähig.
Der erste Eindruck
Die Konstruktion des Stativs
Unser erster Eindruck ist eindeutig positiv. Es wirkt solide, der einfache Kugelkopf läuft flüssig und hält eine ausgewachsenen DSLR ohne nachzugeben fest. Nun zur Stabilität, dem absoluten Hauptkriterium jedes Statives.
Die doppelt ausziehbare Mittelsäule werden wir in der Regel nicht nutzen, den Auszug der Mittelsäule nutzen wir bei unseren großen Stativen auch nur in der Not. Die kurzen Stummelbeine des Rollei haben vier Auszüge, die mit Drehverschlüssen fixiert werden. Eine Handgelenkdrehung reicht fürs Lockern und Feststellen. Zusammengeschoben lassen sich alle vier Drehverschlüsse auf einmal bedienen. Als langjährige Schnappverschlussnutzer sind wir positiv überrascht.
Sind die dickeren drei Beinsegmente ausgezogen, erreicht die Schnellspannplatte eine Höhe von 88 cm. In dieser Stellung ist das Traveler erstaunlich solide. Auf das letzte dünne Beinsegment werden wir im Normalfall nicht oder nur wenig ausfahren, denn der Vollauszug kann die Verwacklungsgefahr beim Einsatz mit schwereren Kameras erhöhen. Nur ein paar Zentimeter erlaube ich mir, wenn ich das Stativ auf sandigem Untergrund einsetze, damit keine Sandkörnchen in den Feststellmechanismus geraten. Rollei empfiehlt ebenfalls, auf den untersten Beinauszug zu verzichten, wenn die Höhe nicht benötigt wird.
Auch wenn es nicht ohne Stabililtätsverlust höher hinaus geht, wir kommen mit etwas über einem Meter Höhe ganz gut klar. Niedrigere Einstellungen gehen immer, dafür lassen sich die Stativbeine in drei rastbaren Stufen abspreizen. Da die dritte Raststufe im fast rechten Winkel zur Vertikalachse steht, muss die Mittelsäule ausgefahren werden, was die Nutzbarkeit dieser Stufe wieder einschränkt. Insbesondere Makrofans dürfte das stören.
Eigentlich ist das Rollei in Kombination mit einer leichten spiegellosen Systemkamera mit Makroobjektiv ideal für bodennahe Makroaufnahmen. Radikalere Naturen können natürlich auf den Gedanken kommen, die Mittelsäule abzusägen. Damit ginge der Zubehörhaken an der Mittelsäule verloren, was noch zu verschmerzen wäre. Mehr stört uns, dass das Stativ ohne die auszgezogene Mittelsäule nicht mehr so einfach kompakt zusammenklappbar ist.
Der Kugelkopf mit der Schnellspannplatte
Der Rollei Kugelkopf hält eine ausgewachsene Spiegelreflexkamera mit einem 24-105mm Zoom sicher, auch in einer schrägen Position. Für den Preis gibt es verständlicherweise keine extra Stellknöpfe für Panoramaschwenks und Friktion. Die Schwalbenschwanz-Schnellspannplatte benötigt einige Umdrehungen der Fixierschraube, um sie aus der Führung nehmen zu können. In der Schnellspannaufnahme sind drei Libellen für eine exakte Ausrichtung eingearbeitet. Die Libelle in der Arretierschraube finde ich persönlich sehr gut, sie erleichtert die plane Ausrichtung bei spontanen Reproaufnahmen. Die Aufnahmekupplung ist mit einer Inbusschraube auf dem Kugelkopf befestigt, sie kann also gegen ein anderes Schnellspannsystem ausgewechselt werden. Der Kugelkopf ist mit einer 3/8“ Schraube auf der Mittelsäule fixiert und ist ebenfalls auswechselbar.
Das Compact Traveler Zubehör
Mitgeliefert wird ein leichter Nylonbeutel mit Schnüren zum über die Schultern hängen. Zwei Inbusschlüssel liegen bei, damit kannst du die Leichtgängigkeit der Beinspreizung anpassen.
Das Rollei Compact Traveler No.1 geht mit auf unsere aktuelle Bretagnereise und hat Gelegenheit, auf der Ile d’Ouessant zu zeigen was in ihm steckt.
Erster Einsatz in der Bretagne am Leuchtturm Saint Mathieu
Nach langer ermüdender Fahrt erreichen wir spät nachmittags Le Conquet und parken am Leuchtturm von Saint Mathieu. Ich beschließe spontan, mein Manfrotto 055 gegen das Rollei Compact Traveller zu tauschen und die Probe aufs Exempel zu machen.
Die Testbedingungen sind ideal. Die Dämmerung bricht an und verspricht Belichtungszeiten bis zu mehreren Sekunden. Eine frische Brise vom Meer her mit kräftigen Böen steuert die nötigen Umweltfaktoren für die Standfestigkeitsprüfung zu.
Um uns herum huschen etliche Gestalten mit Dreibeinen unterm Arm durch die Dunkelheit. Da tummelt sich gerade eine Fotoworkshopgruppe, da fühle ich mich mit dem spinnenbeinigen Rollei doch ziemlich deplatziert. Ganz abgesehen von den eher mitleidigen Blicken, die ich damit ernte. Rot werden tue ich deswegen nicht, da heiße es eben, Kopf hoch und durch.
Mit den drei oberen der vier Segmente ausgezogen und der Canon 7D mit dem Tamron 2.8/17-50mm oben auf dem Kugelkopf habe ich keine Verwacklungsprobleme. Das Stativ steht robust da. Der Wind oder kurzes Anschubsen bringt es auch nicht in Schwingung. Die Aufnahmen, egal ob ¼ Sekunde oder 20 Sekunden sind in der vergrößerten Rückschau scharf, was sich auch am PC bestätigt.
Die Bückerei geht mit allerdings auf die Dauer ins Kreuz und ich mache das, was ich eigentlich vermeiden wollte. Ich fahre die vierten Beinsegmente voll aus und nutze sogar den Auszug der Mittelsäule. Zu meinem Erstaunen steht das Rollei mit voll ausgefahrenen Beinen immer noch sicher. Die ausgefahrene Mittelsäule ist ebenfalls nutzbar, nur muss ich hier viel mehr auf Schwingungen achten. Den zweiten Auszug der Mittelsäule habe ich dieser Situation nicht ausprobiert. Er ist trotzdem nicht nutzlos, als Unterstützung beim Arbeiten mit schweren Teleobjektiven entlastet das vollständig ausgefahrene Rollei-Stativ Arme und Schultern ähnlich wie ein Einbeinstativ.
Auch Hochformataufnahmen meistert das Rollei Compact Traveler ohne Mühe. Die Schnellspannplatte sitzt verdrehfest am Kameraboden und der Kugelkopf hält die Kamera unnachgiebig fest.
Die Nacht bricht an, wir ziehen uns ins Wohnmobil zurück und sind bei Tagesanbruch wieder auf den Beinen. Die Sonne quält sich gerade am Horizont durch ein paar Wolken und der Wind hat merklich an Geschwindigkeit zugelegt. Sicherheitshalber lasse ich die Mittelsäule und den letzten Beinauszug des Rollei bis auf einen kleinen Rest drin. Wenn der Wind allzu böig auffrischt, packe ich zur weiteren Stabilisierung das Stativ am Zentralgelenk und drücke es mit gleichmäßiger Belastung sanft Richtung Boden. Auf diese Weise gelingen mir auch unter diesen widrigen Bedingungen scharfe Aufnahmen. Wenn ein Foto wirklich einmal verwackelt ist, hat es meist am zu weichen Untergrund gelegen.
Fazit des ersten Testeinsatzes
Das Reisestativ Rollei Compact Traveller No.1 erweist sich seines Namens würdig. Es ist ein leichter, zuverlässiger, wenn auch nicht allzu hoher Begleiter auf Fototouren mit wenig Ballast. Die relativ geringe Höhe ist auch unser einziger Kritikpunkt. Bei längeren Fotosessions geht die dadurch bedingte gebückte Haltung doch ins Kreuz und in die Beine. Mit einer Kamera mit ausklappbarem Display sieht die Sache schon besser aus. Da stört die niedrige Maximalhöhe nicht. Das Sucherbild lässt sich entspannt im ausgeklappten Display beurteilen.
Das Rollei kann ohne weiteres mit System- und Spiegelreflexkameras mit Standardzooms eingesetzt werden. Eine Canon 7D mit 24-105mm Objektive trägt es sicher, auch bei Langzeitbelichtungen. Sollten wir auf unseren Wanderungen einmal keine Lust auf die Stativschlepperei haben, steht uns jetzt immerhin eine leichtgewichtige brauchbare Alternative zur Verfügung.
Was ich allerdings mehr befürchte, unser fahrradreisender Sohn hat schon mehr als ein Auge auf das Rollei Compact Traveler geworfen und es inzwischen schon einige Male in seine Radtouren integriert. Dann heißt es für uns nur noch: bye bye Rollei.
Hallo Gabi,
vielen Dank für den Ausführlichen Bericht über das Rollei-Stativ. Nach sehr sehr langem Suchen, Rezensionen-Lesen, Youtube-Videos-Gucken usw. habe ich mir vor ein paar Monaten eben genau dies auch gekauft und nie bereut. Es ist insbesondere als Reisestativ ein Klasse-Teil!! Ich habe ebenfalls eine 7 D und daran sogar ein 70-200 L – Objektiv auf dem Stativ, das es auch noch hält.
Viele Grüße
Mathias
Hallo Gabi,
hätte nicht gedacht, dass es so gut abschneidet.
Euch noch viel Spaß in der Bretagne.
Liebe Grüße
Michaela