Das alte Fort Bertheaume in der wilden See
Fort Bertheaume hatten wir schon im Frühjahr versucht anzufahren, aber damals hat die schroffe Felseninsel mit den Festungsruinen im trüben Wetter auf uns dunkel und abweisend gewirkt. Jetzt fahren wir wieder durch die Gassen von Plougonvelin, immer den Womo-Schildern nach um zwanzig Ecken bis zum Stellplatz. Wieder einmal verwehrt eine Schranke den Zugang zum weitläufigen Platz. Das Bezahlsystem mit Zugangscode ist uns inzwischen vertraut, kein Problem. Der Platz kostet neun Euro pro Nacht. Die einzelnen Stellplätze sind großzügig geschnitten, viele sind windgeschützt von Hecken umsäumt, teilweise mit Blick über das Meer, und Stromanschluss gibts auch ohne Aufpreis. Die Stromversorgung ist uns im trüben, wechselhaften Wetter am wichtigsten. Da bringt unsere Solaranlage auf dem Fahrzeugdach nicht viel.
Wir gehen den kurzen Fußweg zum Fernwanderweg, der an der steilen Küste entlangführt, und haben einen fantastischen Ausblick: Der kleine Felsbrocken von Insel mit dem Fort, dahinter die ganze Küste entlang bis zum Pointe Petit Minou. Die alte Festung auf der kleinen Felseninsel wurde von 1694 bis 1944 militärisch genutzt, danach lag sie brach und vergammelte, bis die Gemeinde Plougonvelin sie 1990 dem Militär abkaufte. Aus dem Fort ist ein riesiger anspruchsvoller Abenteuerspielplatz und Klettergarten geworden, der allerdings nur im Juli und August von 11 bis 18 Uhr geöffnet ist.
Als Fotomotiv gibt die Insel im Abendlicht gewaltig was her. Die Wellen donnern an die Felsklippen und springen hoch hinauf. Bei solch einer dynamischen Meeresoberfläche lohnen sich Langzeitbelichtungen besonders.
Die Sonne guckt schüchtern unter den Wolken hervor und vertreibt die letzten Spuren von Düsternis, hell und strahlend liegt das Inselchen in der aufgewühlten See vor uns am Eingang der Bucht von Brest.
Vom Küstenpfad führen extrem schmale Trampelpfade durch die allgegenwärtigen Ginster- und anderen Hecken. Die Pfade ähneln eher grünen Tunnels und enden an der Klippenkante. Es ist mühsam, sich da durchzuquetschen, das Heckenwerk ist stachlich und will uns festhalten. Zudem sind nach einem Regenschauer die Blätter noch nass, und meine Hose ist es hinterher auch. Aber die Blicke hinunter zum Meer, zu den Felsformationen der Klippenküste und zu den Bäumen an der Kante lohnen die Mühen. Wir sind stundenlang unterwegs, besuchen auch die Ortschaft Plougonvelin, die uns aber fotografisch weniger interessant erscheint.
Am nächsten Morgen quetschen wir uns wieder durch die Pfade und erkunden die Gegend im frühen Licht des Tages. Hier werden wir wohl öfters wieder vorbeischauen und beim nächsten Mal die längeren Wanderungen bis zum Petit Minou im Osten oder in bis zum Leuchtturm Saint Mathieu in westlicher Richtung unternehmen.
[caption id="attachment_28403" align="aligncenter" width="920"] Fort Bertheaume, Langzeitbelichtung im Sonnenlicht[/caption]
[caption id="attachment_28402" align="aligncenter" width="920"] Fort Bertheaume, Langzeitbelichtung ohne Sonnenlicht[/caption]
Fort Bertheaume im Vergleich mit und ohne direkte Sonnenbestrahlung
Wir besuchen unsere Freunde in Brest
Der Hafenstadt Brest, dem kulturellen und kommerziellen Brennpunkt der westlichen Bretagne, müssen wir natürlich auch einen Besuch abstatten. Unsere Freunde Norbert und Corinne wohnen dort. Wir haben uns noch nie ein ausführliches Sightseeing in Brest gegönnt. Vor vielen Jahren hatten wir mit unseren Kindern das unbedingt lohnenswerte Aquarium Oceanopolis angesehen, sahen uns aber die Innenstadt nicht an.
Wir parken unser Mobil in einer engen Gasse vor dem Haus unserer Freunde. Die beiden renovieren gerade ihr neu gekauftes Haus von Grund auf. Das bedeutet, sie wohnen in einer staubigen Baustelle. Uns macht es nichts aus, auf Campingstühlen zu sitzen, wir freuen uns, die beiden treffen zu können. Komfort wird eh überbewertet.
Per Zufall geraten wir in eine Stadtbesichtigung von Brest
Am nächsten Morgen springen wir in die moderne Straßenbahn und fahren ins Stadtzentrum. Wir haben uns absichtlich nicht auf den Besuch vorbereitet. Möchten uns einfach treiben lassen uns sehen, wie die Stadt auf uns wirkt.
Viel erwarten wir nicht, denn Brest wurde im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört und völlig neu wieder aufgebaut. Die meisten Gebäude sind zweckdienliche und nüchterne Wohnblocks, die Hafenanlagen voller industrieller Geschäftigkeit. Dazwischen stehen Monumente, grüne Parks, das massive Chateau aus dem 12. Jahrhundert mit dem Marinemuseum, und natürlich das Oceanopolis, Europas größtes Aquarium. Eine Fahrt mit der Gondelbahn haben wir leider nicht mehr geschafft, obwohl die im Straßenbahnticket mit enthalten gewesen wäre. Da wäre ein wenig Vorbereitung doch sinnvoll gewesen. Nun denn…
Als wir uns während eines Regenschauers am supermodernen Theater Le Quartz unterstellen, gesellt sich auch eine lustige Studentin mit zwei amerikanischen Ehepaaren dazu. Sie ist Stadtführerin und erzählt begeistert fast ohne Punkt und Komma interessante Geschichten und Anekdoten über Brest. Wir hören gerne mit zu und wollen wieder weiter, als der Regen aufhört. Die Studentin hat mitbekommen, dass wir zuhören und lädt uns ein, mitzugehen, was wir liebend gerne tun. Und so hören wir noch viel mehr Stories rund um die Stadt. Über die alten Zeiten, über den Krieg, über den Wiederaufbau und über die moderne Zeit.
Wir finden beim nächsten Regenschauer in einem großen Spielzeugladen Unterschlupf. Dort kaufen wir Asterix-Hefte auf Französisch für unsere Kids, und ich entdecke sogar einen superschnellen Rubiks Cube – einen mit 5x5x5 Kantenlänge. So einen habe ich schon lange gesucht. Ich bin absoluter Rubik Fan!
Der Leuchtturm Trezien am Pointe de Corsen
Nach dem Besuch in Brest übernachten wir noch einmal am Fort Bertheaume, diesmal allerdings im Regen. Wir haben Stromanschluss, da können wir problemlos unsere Fotos sichern und Blogbeiträge schreiben. Am nächsten Tag brechen wir auf nach Trezien beim Pointe de Corsen, dem westlichsten Punkt Kontinental-Frankreichs. Diese Gegend hat uns schon auf der vorherigen Reise äußerst gut gefallen.
Pointe de Corsen im Frühjahr mit einer blühenden Küste
Auch dieses Mal wirkt die Magie der einsamen Klippen und felsengesprenkelten Sandstrände, und die Fotomotive fallen geradezu über uns her. Wir kommen auf dem Küstenwanderpfad nicht wirklich gut voran, sind aber trotzdem dauernd auf den Beinen. Hin und her und wieder zurück, ohne Unterlass, nur mit Fotopausen. Immer auf der Suche nach den Motiven. Die Wellen springen über die Felsen, wir stellen das Stativ in den Sand und fotografieren konzentriert und glücklich vor uns hin.
Auf dem Stellplatz treffen wir auf alte Bekannte, die wir in Le Conquet kennengelernt hatten. Was für eine Freude auf beiden Seiten. Wir finden aber auch noch andere, nette Gesprächspartner, und sogar Norbert und Corinne aus Brest kommen für einen Sonntagsausflug vorbei. Das ist eine super Zeit mit Gesprächen, Wanderungen und guten Fotomotiven. Am liebsten würde ich hier wochenlang bleiben.
Regentage
Für Montag ist wieder Dauerregen angesagt, der natürlich auch eintritt. Irgendwie treffen die schlechten Wetternachrichten öfter zu als die guten. Jetzt sitzen wir hier im Wohnmobil, während sich unser Fahrzeug eine gründliche Wäsche gönnt und schreiben weiter an unseren Berichten. Der Dauerregen geht langsam in Dauernieseln über, was auch keine wirkliche Verbesserung bedeutet. Nach nur ein paar Schritten Richtung Strand sind wir durchgeweicht. Wir haben auf dem Platz in Trezien keinen Strom, und können die nassen Klamotten schlecht trocknen. Also bleiben wir lieber drinnen.
Für die nächste lange Bretagne-Tour werden wir nur eine deutsche Gasflasche mitnehmen. Dann besorgen wir uns eine französische Gasflasche und können die bei Bedarf unkompliziert gegen eine volle tauschen. Dann müssen wir nicht mehr mit den Gasvorräten geizen und können heizen wie es uns gefällt, ohne Rücksicht auf knappe Vorräte zu nehmen.
Unter großem Gelächter kriege ich eine neue Frisur
Wir brauchen Bewegung und Wärme also unternehmen wir eine kleine Einkaufstour durch den Carrefour von Saint-Renan und entscheiden, wieder nach Le Conquet zum Übernachten zu fahren. Komisch, dass dieses Städtchen uns auf dieser Tour immer und immer wieder magisch anzieht. In den Regenpausen ziehe ich oft auch allein durch die Gassen. Ich liebe den Buchladen, denn dort gibt es viele anschauenswerte Bildbände. Irgendwann ist mir meine Frisur unerträglich, meine Haare machen was sie wollen. Ich habe dünne Haare und wenn die zu lang werden, kann man das auf meinem Kopf nicht mehr Frisur nennen. Dazu der Wind und die ständige Mützentragerei. Ich suche mir einen Coiffeur, und hoffe, dass das Haareschneiden hier in Frankreich nicht allzu teuer ausfällt.
Entgegen meiner anfänglichen Befürchtungen gerät der Termin zu einem Riesenspaß. Im Laden wird gerade eine Frau aus den USA bedient. Sie hilft mir beim Übersetzen meines Anliegens und wir kommen ins philosophieren. Ich hatte die Coiffeuse mitten in der Arbeit gestört, aber das macht niemandem was. Eine Stunde später sitze ich auf dem Stuhl. Meine amerikanische Übersetzerin ist inzwischen gegangen. Wir unterhalten uns trotzdem blendend. Ich zeige Fotos auf dem Smartphone, schwärme von meinem Beruf und von der Natur und der Bretagne und finde begeisterte Zuhörer. Mein Kopf sieht hinterher doppelt gut aus. Meine Haare sind gebändigt und ich trage ein breites, zufriedenes Grinsen im Gesicht. Die Leute im Laden sind auch super gut in Stimmung. Das hat uns allen richtig Spaß gemacht, in unterschiedlichen Sprachen und mit Händen und Smartphone zu kommunizieren. Ein Foto von meiner Frisur habe ich irgendwie vergessen…