Jonathan Wills – Seabirds and Seal Tours – Abends Strandspaziergang und Schafe
Fortsetzung von Gestern:
Als wir alles gehört hatten, was es über die Burra Bären zu hören gab, machten wir uns auf zu unserem nächsten Treffen, mit einem gewissen Jonathan Wills. Dieser nennt eine Wildlife-Beobachtungs-Firma sein eigen und war gerade mit der alljährlichen technischen Überholung seines Bootes beschäftigt, als wir ihn kontaktierten. Trotzdem, kein Problem, wir können mal vorbeikommen, mit ihm reden und uns das Boot anschauen.
Also irrten wir durch das von ihm genannte Industrie-Hafengebiet und suchten zwischen all den gigantischen Gerätschaften sein relativ kleines Boot.
So klein war es am Ende aber gar nicht, nur wenn es inmitten all dieser Frachtschiffe und Industriekräne an Land steht, übersieht man es trotzdem leicht…
Ein ungeübter Beobachter hätte wohl gesagt, dass auf dem armen kleinen Boot eine Bombe eingeschlagen haben muss; überall lagen kreuz und quer Werkzeuge, Ersatzteile, Farbeimer und sonstige Utensilien aller Art herum und man konnte kaum einen Schritt tun, ohne an etwas zu stoßen. Ich aber erkannte auf den ersten Blick, dass dies keineswegs Unordnung war, sondern dass hart gearbeitet wurde… ich bin auf dem Feld nämlich Experte! Wenn ich etwas arbeite, dann sieht auch jeder andere nur Chaos in meiner systematischen Ordnung, haha.
Wir waren gerade am letzten Tag des jährlichen Inspektion aufgekreuzt, am nächsten Tag schon soll das Boot wieder zu Wasser gelassen werden, und am Tag darauf sticht es in See… und wenn wir Glück haben, dürfen wir mit fahren!
So war Jonathan sehr arg im Stress und konnte nicht innehalten, um mit uns zu reden… nicht dass das nötig gewesen wäre: er arbeitete einfach weiter, während wir uns unterhielten.
Mit seinen Wildlife-Touren ist er fast den ganzen Sommer über beschäftigt. 7 Tage die Woche fährt er mindestens zweimal am Tag raus, und bleibt nur im Hafen, wenn ein Sturm gerade die Hafenmauer desintegriert oder die Dächer abdeckt. Ausfälle wegen schlechtem Wetter gäbe es etwa 20 Mal im Jahr, Ausfälle wegen zu weniger Buchungen höchstens ein, zweimal.
Es sei von extremer Wichtigkeit, das Boot jedes Jahr von Bug bis Heck und von Mast bis Kiel zu überholen, denn wenn man wie er zwischen den rauen Felsen und hohen Klippen herumschippert, dann darf nichts kaputt gehen. Ein Motorschaden kann fatale Folgen haben, denn der Wind drückt ein wehrloses Boot in Null Komma Nichts in die Klippen. Da alles wie am Schnürchen laufen muss, war Jonathan auch gar nicht zufrieden damit, dass jemand Farbe auf ein unverzichtbar wichtiges Hydraulikteil hat kommen lassen. Leicht ärgerlich pinselte er Farbverdünner darüber, während wir uns unterhielten. Irgenwann wurden wir ganz schwindelig vom Verdünnergeruch und streckten seitlich immer wieder mal die Nase in den frischen Wind.
Das Sichten von Vögeln der ein oder anderen Art ist auf seine Touren fast schon garantiert… die genaue Art der Vögel ist natürlich saisonal bedingt, aber irgendwelche kommt man immer zu Gesicht. Zur Zeit tummeln sich größtenteils Basstölpel und Eissturmvögel hier, bald kommen auch die anderen, unter ihnen die berühmten, süßen Papageitaucher. Jonathan war in jungen Jahren wegen seiner Passion für Vögel nach Shetland gezogen. Viele Jahre arbeitete er als Journalist. Doch vor 22 Jahren startete er mit seinen Vogeltouren. Die Dunster III ist sein drittes Boot. Dunster ist der shetländische Name für Eiderente, diese Vögel mag Jonathan besonders gern.
Sehr oft, also fast immer, sieht man auf den Touren auch Seehunde. Für die hat Jonathan sogar extra eine ferngesteuerte Unterwasserkamera, mit der er sie filmen kann. Besonders toll ist es, sagte er, wenn sie anfangen, mit der Kamera zu spielen. Vögel kennen die Touristen von vielen Touren, was sie am meisten begeistern würde sei die Unterwasserwelt, die üppigen Kelpwälder, die Jonathan mit der Unterwasserkamera live auf den Bildschirm i
Was man hier allerdings nur eher selten sieht sind Wale. Shetland ist zwar der beste Walbeobachtungspunkt im Vereinigten Königreich, doch das heißt nicht viel, meinte er… die anderen Orte seinen einfach noch schlechter geeignet, haha.
Und wenn er mal Wale sieht, dann folgt er ihnen auch nicht. Das verstößt nämlich gegen den internationalen Walbeobachtungskodex, welcher besagt, dass man die Tiere nicht stören soll.
Einen Tag später kreuzen wir dann wie ausgemacht wieder im Industriegebiet auf, um das Zuwasserlassen zu beobachten. Ein irrsinnig hoher und massiver Kran steht jetzt wie ein Monument auf dem Kai und ist bestimmt auch noch auf dem Festland zu sehen… zumindest könnte man das leicht glauben, wenn man darunter steht. Das mehrstöckige Boot sieht jetzt noch kleiner aus, fast wie ein Spielzeug, und überall rennen Arbeiter in Overalls herum und sind damit beschäftigt, das Boot fertig zu machen. (Bilder folgen!)
Wir werden gebeten, eine gewisse Distanz von den Geschehnissen zu wahren… schließlich haben wir ja keine Helme auf! (…Als wenn die was helfen würden, wenn das Boot wirklich runterkommen sollte) aber wir gehorchen und stellen uns brav abseits, observieren das Ganze aus sicherer Entfernung.
Dann rumpelt es tief und bedrohlich, schwarzer Rauch quillt aus den Schornsteinen des Krans, und mit der Behäbigkeit eines Riesen vollführt er geduldig eine nach der anderen Bewegung. Trotzdem, in kürzester Zeit hat der das Spielzeugschiffchen in das Hafenwasser befördert, und Jonathan strahlt; übermorgen geht es wieder los! Und wir sind vielleicht sogar dabei… :)
Johnathan ist 65, er würde gern in Rente gehen und sucht seit einer Weile schon einen Nachfolger. Hat jemand Interesse, dieses fantastische Natur-Tourismus-Business zu kaufen? Meldet Euch bei ihm! Hier ist die Seite von Seabirds and Seals.
Es gibt eine Shetlopedia, hier findet ihr den Artikel über Jonathan Wills.
Abends zog ich mit den Kids allein los, nochmal nachschauen, ob wir die Lämmer ansehen können und zum weitläufigen Strand am Ende der Straße. Gunter hatte sich morgens beim Anziehen heftig mit dem Fuß an einer hohen Kante gestossen, er brauchte etwas Ruhe.
Wieder war das Licht abends wunderschön. Wir liefen entlang der Klippen, die ich gern noch weiter erwandert hätte – aber ein hoher Stacheldraht hielt uns von den höchsten Klippen fern. Wir liefen über den Strand, ich suchte mal wieder nach Flaschenpost. Und da lag eine! Ich griff danach, Esra riss mir das seltene Fundstück neugierig aus den Händen. Es dauerte keine drei Sekunden und der Zettel, der trocken in der Flasche lag, war entrollt und vorgelsen. Die Enttäuschung war groß: die Post war so ein Vordruck mit eingetragener Adresse. Weit war der Weg der Flaschen auch nicht: sie kam aus Scalloway, etwa 10km entfernt und sie war seit 24. Februar 2013 unterwegs gewesen.
Trotzdem: es war eine echte Flaschenpost! Das Glück, endlich eine Flasche mit einem Brief darin zu finden, dann die spannenden Minuten – bei Esra nur Sekunden, bis man den Brief dann sogar noch leserlich in den zittrigen Händen hält. Dann die Ernüchterung, naja, wieder was unpersönliches. Wir lachten und freuten uns, machten Scherze und nahmen uns vor, auf der nächsten Fähre auch eine Flaschenpost zu verschicken! Wir dachten auch darüber nach, wie frutrierend „Spam-Flaschenpost“ sein müsste.
Ich machte ein paar Langzeitaufnahmen der Küste, Amy lief mit den Jungs zu den Pferden. Auf dem Rückweg lief ein Farmer mit zwei Boder Collies am Strand entlang. Das war „der“ Schaffarmer von gestern. Wir redeten, bekamen große Ohren, weil wir seinen Akzent sehr schlecht verstanden, fragten halt zwischendurch mal nach. Wir durften uns die Schafe und Lämmer wieder ansehen. Ich fand den Kontrast gut: erst das Gespräch mit seiner Frau, da ging es um Geburten und die Gesundheit. Jetzt mit dem Mann, da ging es um Marktwert, das Beringen der Schwänze, damit der Preis besser wird. Wir erfuhren auch, was alles schief gehen kann. Hochinteressant aber beide Themenkreise! Der Preis für die Wolle eines Schafes ist auch hier ein Pfund! Einen Pullover könnten man nicht machen aus der Wolle eines Schafs! Die Shetlandschafe würden die beste Wolle liefern, sie wäre wesentlich weicher und feiner! Das Thema ist selbst so interessant und umfangreich – deswegen haben wir hier einen ganzen, langen Artikel darüber geschrieben. Shetland Wolle
„Die Möwen sind die größten Feinde von Schaffarmern und den Schafen. Sie können Lämmer ganz geschickt töten. Ein trächtiges Schaf fiel auf den Rücken, es kam nicht mehr hoch. Da hat es dann keine Chance. Die Möwen picken zuerst die Augen aus, dann gegen sie an die Zunge, danach an den Hintern und dann picken sie seitlich in der Nierenregion.“
Lämmer bringen ohne die Schwänze mehr Geld, also werden sie „beringt“, d.h. ein Ring wird angebracht, der Schwanz wird nicht mehr durchblutet und fällt ab. Das gleiche wird mit den Hoden praktiziert. Diese Methode sei aus Australien gekommen. Wir wollten gar nicht so genau wissen, wie das sonst noch gemacht wurde – ich garantiere, dass Ihr es auch nicht wissen wollt!
Das Ehepaar, sie eher die Hebamme, stimmten darin überein, dass es wesentlich einfacher sei, die Lämmer in der Scheune zu betreuen. Während der Haupt-Lämmerzeit würden die beiden auch in der Scheune wohnen.
Einen Tag später erfuhr ich auch, warum ich mich mit dem Verstehen so schwer tat: das war Shetländisch!
Das war wieder ein hoch interessanter Tag mit vielen neuen Bekanntschaften gewesen! Ich bin der Meinung, dass die Shetländer die freundlichsten Menschen sind! Auf keiner unserer bisherigen Reisen haben wir nettere Menschen kennengelernt!
Übersichtsseite Shetland
Zum nächsten Blogbeitrag:
Hi Claudia,
wir versuchen die Berichte interessant zu halten. Ist nicht immer einfach, wenn man den ganzen Tag auf den Beinen ist und es immer weiter geht und viel passiert. Wir werden im moment nur so von Ereignissen und Informationen umspült. Das müssen wir erst mal alles verarbeiten – da hilft so ein Blog schon :-)
Liebe Grüße
Gabi
Wir schafften sogar noch eine Bootstour aber eine andere als Ihr jetzt denkt. ich werde berichten. Hänge im moment ein paar Tage hinter her……Da passiert einfach zu viel.
Hi Ursula,
ja, die Flaschenpos :-) Erst ist man super aufgeregt, dann etwas enttäuscht….
Die Bären scheinen sich wirklich gut zu verkaufen, aber ob das in Deutschland funktionieren würde? Glaube ich nicht. Wir versuchen lieber, unsere Bilder und Reisegeschichten zu verkaufen :-)
Ne, Gunter eignet sich nicht als Seebär! Auch, wenn er jetzt nach ein paar Wochen Schottland fast wie einer aussieht!
liebe Grüße
Gabi
Als ich angefangen habe eueren Blog zu lesen war es an sich wegen der vielen tollen Bilder. Aber schon nach ein paar Einträgen fand ich euere Berichte ebenso spannend. Ich drücke euch die Daumen, dass das mit der Tour was wird und euch viele Seabirds und Seals über den Weg laufen – äh… vor die Linse kommen und freu mich schon auf den nächsten Eintrag.
Also was Ihr auf Eurer Reise nun alles über Schafe und Ponies gelernt habt……mit all den Infos – da könntet ihr vermutlich bald ein Buch darüber schreiben.
Klasse, daß ihr wieder so interessante Menschen kennenlernen durftet. Auf Eure Bootstour bin ich auch schon gespannt, vor allem wenn die Unterwasserkamer mit bei ist.
Gruß
So so, eine Flaschenpost, und dann aus der Nähe. Verständlich, eure Enttäuschung.
Das mit den Woll-Recycling-Bärchen finde ich eine tolle Idee. Ihr könntet doch eine deutsche Filiale aufmachen und die süßen Bärchen hier vermarkten;-)
Drücke euch die Daumen, dass es mit der Schiffstour klappt. Wäre das Natur-Tourismus-Business nichts für euch?;-) Mal so ´ne Sommersaison lang…..? Aber Gunter als Käpt´n Seebär – das wird wohl nichts.
Viel Spaß noch!
LG Ursula