Wanderungen auf Great Bernera – Gespräch mit einem Hobby-Schafhirten
Gestern haben wir unsere kleine Insel nicht verlassen, um auf Entdeckungstour zu gehen… stattdessen haben wir die lokale Landschaft erforscht.
Gabi, und ich machten uns mittags zum zweiten mal auf den Weg (sie war morgens schon einmal in aller Frühe draußen gewesen). Wir hatten verschiedene Leute nach dem Weg zum Bostra Strand gefragt und ganz unterschiedliche Auskünfte bekommen. Die Zeitangaben differierten zwischen 30 Minuten und 3 Stunden. Die Sonne strahlte, so testeten wir das mal aus und bewegten uns gemächlich darauf zu. Auf dem Weg durch die ruhige, sumpfige Landschaft kamen wir an einer sehr anhänglichen, kleinen Schafsherde vorbei, die uns auf Schritt und Tritt zu folgen schien. Sie bewahrten zwar eine gewisse Distanz zu uns, liefen uns aber doch neugierig, fast erwartungsvoll hinterher, während wir einen steinigen Küstenabschnitt erforschten. Dieser war, sehr zu unserem Verdruß, wie so viele andere Küstenabschnitte hier, fast schon mit einer regelrechten Müllhalde vergleichbar. Man hatte uns bereits erklärt, dass es die Leute auf den vielen Handelschiffen in den hiesigen Gewässern mit der Mülltrennung nicht so ernst nehmen; alles kommt in die selbe Tonne: das Meer. Und dieses schwemmt den vielen Abfall dann an Schottlands Küsten. Flaschen, Verpackungen, alte Stiefel, Fässer und enorm viel Seil und Fischernetze… das alles liegt in großen Mengen überall herum. Die größten Brocken kommen allerdings aus Fischzuchten. Die enorm umfangreichen Schwimmer sind so schwer, dass man sich gar nicht vorstellen kann, wie sie ihren Dienst, nämlich das Schwimmen verrichten. Wir versuchen eines dieser Teile zu bewegen und schafften es nicht.
Nach einer halben Stunde entschieden wir uns, zurück zu gehen und die anderen zu holen, um mit ihnen zusammen den Rest der Wanderunganzupacken. Auf halbem Wege trafen wir allerdings auf einen netten Schotten in Arbeitskleidung und mit einem schwer aussehendem Sack unterm Arm, mit dem wir prompt ein Gespräch begannen. Wie es sich herausstellte war er der Besitzer der anhänglichen Schafe, und er war auch gerade auf den Weg zu ihnen, um sie zu füttern. Wir änderten also kurzerhand unseren Plan und liefen mit ihm zurück zur Schafswiese, wo die hungrigen Pulloverschweine uns sofort entdeckten und blökend auf uns zugetrabt kamen, als sie den vielversprechenden Sack in den Händen ihres Besitzers sahen.
Allerdings kamen ein paar zu viele Schafe angerannt; „Mist, die mit der blauen Farbe gehören mir gar nicht!“, rief der Schafsbesitzer auf einmal und rannte los, um die unpassenden Tiere zu vertreiben. Wie durch ein Wunder gelang es ihm auch (mithilfe von vielen lustigen Geräuschen) die blauen von den roten Schafen zu trennen. Als er schließlich das Futter in die Behälter schüttete, nutzten wir unsere Chance und fragten wir ihn über seine wolligen Schützlinge aus.
Wie es sich herausstellte, war er lediglich Hobby-Schäfer, von Beruf Lehrer, weswegen wir schließlich unsere seit Jahren angestaute Neugierde gestillt bekamen. Geduldig beantwortete er all unsere Fragen. Seine Familie hatte zwar seit Generationen schon Schafe gehabt, doch mit der Zeit sind es immer weniger geworden, und man konnte auch immer weniger Geld mit ihnen verdienen. Wo einst über 250 Tiere auf den Weiden grasten, fütterte er an diesem Sonntag lediglich ein gutes Dutzend. Im Jahr verdiene er etwa 100 Pfund mit ihnen, also könne man es wirklich nur als Freizeitbeschäftigung ansehen. Er liebt es aber, jedes Wochenende nach draußen zu gehen und sich um sie zu sorgen, und um nichts in der Welt wolle er seine Sams- und Sonntage anders verbringen. Dass es sowenig Schafe gibt hat auch Vorteile: das Land kann sich erholen und die Vögel haben es einfacher zu brüten, denn ihre Nester werden nicht niedergertampelt.
Während die Schafe fröhlich blökend um uns herum staksten und ihre Köpfe in den Futtertrogen versenkten, erzählte er uns einiges über sie… Im Winter, wenn das Gras in Schottland nicht so schnell nachwächst wie die Schafe es wegfressen, muss er jede Woche mit einem Gemisch aus Zurckerrübe, Gerste und Mais zufüttern, damit sie wohlgenährt bleiben. Ihre bauschigen Wollfelle sind übrigens ziemlich trügerisch: wenn sie einmal abrasiert sind, sehen die armen Biester ziemlich dürr aus… sie bringen gerade einmal 25 Kilogramm auf die Waage, und das einem besonders guten Tag.
Und ziemlich „blöde“ sind sie im Grunde auch. Man darf sie nicht auf eine Weide lassen, auf der es tiefe Löcher gibt, denn auf der Suche nach Fressbarem würden die Schafe sich auch dort hinein wagen, nur um stecken zu bleiben und zu verhungern. Auf eine scharfen Verstand darf man also nicht bei ihnen zählen…
Die Wolle von Schafen, die ihre Lebenszeit im Freien verbracht haben, kann man leider nicht wirklich für Textilien benutzen. Sie sei nicht hochwertig genug für viele Hersteller, die würden ihre Ware lieber von Tieren beziehen, die im Inneren eines wohligen Gebäudes aufgewachsen sind. Die Wolle von seinen Schafen würde man mit höchster Wahrscheinlichkeit als Dämm-Material benutzen. Ich finde das ziemlich schade, die gute Wolle für so etwas zu verschwenden… aber so scheint es wohl heutzutage zu laufen. Für die Wolle eines Schafes bekommt man etwa 2 Pfund. Wir hätten gedacht, das wäre wesentlich mehr.
Nach unserem sehr informativen und interessanten Gespräch liefen wir endlich nach Hause und holten Amy, um mit ihr zusammen dann ein weiteres mal in Richtung des Strandes zu wandern. Wir waren eine ganze Weile unterwegs, erreichten ihn aber trozdem nicht, sondern nur das nächste Dorf. Statdessen verirrten wir uns in den sumpfigen Hügeln und mussten einen ziemlichen Umweg laufen, um wieder nach Hause zu finden. Hmpf. Nasse Füße hatten wir natürlich auch mal wieder.
Die Wanderung hat trozdem Spaß gemacht, die frische Luft hat uns gut getan (obwohl wir davon in letzter Zeit eigentlich mehr als genug bekommen) und es war schön warm… also, relativ. Es ist immerhin Februar. Aber wir hatten Pullover an und haben nicht gefroren, haha.
Auf dem Rückweg trafen wir wieder Gesprächspartner. Ein Ehepaar, er Fischer, jetzt aber Schnitzer. Lange stranden wir an der Brücke und tauschten uns aus. Wir machten ein Treffen für nächste Woche aus.
Abends suchten Gabi und Gunter nach einer guten Fotolocation, fanden sie aber nicht. Der Strand bei Bosta lag im Schatten, einen anderen gab es nicht in der Nähe.
Bis spät in die Nacht fotografierten wir noch Sterne. Die können wir leider hier nicht zeigen, weil Lightroom zu langsam auf dem Notebook läuft.
Hi Lutz,
auf den Lofoten haben wir nicht so viel Müll gesehen, das scheint hier mehr zu sein. Vor allem Seile und Netze und sehr große Schwimmer liegen hier rum. Weniger Haushaltsmüll. Nicht so viele Flaschen wie in Frankreich.
Ja, Hanf wäre wohl viel besser!
Ich suche trotzdem immer nach Flaschenpost!
liebe Grüße
Gabi
Hi Gabi,
ja, ich denke auch anders über meine warmen Socken.
Wir haben Deine Mütze vergessen – da wollte ich Dir Bilder von machen. Wir haben winddichte Mützen, damit die Ohren auch wirklich warm sind am Meer und im Sturm.
Wegen der Wolle fragen wir uns mal ausgiebiger rum! Interessant, gell?
liebe Grüße
Gabi
Hi Angelika,
ja, hier fühlen wir uns sehr wohl! Das Haus ist sehr gemütlich und man kann sehr gut wandern. Der Pfad beginnt vor der Tür.
Wir werden bald weitere Informationen zum IronAge House zusammenstellen. Mit etwas Glück können wir es auch besichtigen. Normalerweise ist es über den Winter geschlossen. Aber die Nachbarin kennt die Frau, die den Schlüssel hat :-)
Wegen der Schafe werden wir uns auch nochmal informieren. Das Gespräch war jedenfalls sehr informativ, wir quetschten den Herrn aber auch aus, weil wir uns schon oft fragten, wie das alles gemacht wird.
Liebe Grüße
Gabi
Hallo !
Diese total zugemüllte Strände haben wir auf den Lofoten erlebt. Am Anfang haben wir auch gedacht, dass kommt alles von den vorbeifahrenden Schiffen – man bekommt es ja so erzählt. Bei genauerer Betrachtung des Mülls und wenn man sich mal die Frage stellt, was wird auf einem Handelsschiff verbraucht und weggeworfen, bei einer Besatzung von ca. 20 Personen (http://de.wikipedia.org/wiki/Schiffsbesatzung#Typische_Zusammensetzung_der_Besatzung_eines_konventionellen_Containerschiffes_des_21._Jahrhunderts), so kommt man sehr schnell darauf, dass der überwiegende Müll von den Anrainern der Meere ins Meer befördert wird. Und ein großer Teil kommt, wie schon von euch ganz richtig beobachtet, von den Fischern.
Früher wurden ja Netze und Seile überwiegend aus Hanf hergestellt, die sind auch schnell vergammelt, bei den Kunststoffnetzen sieht das ganz anders aus.
Weiterhin gute Reise !
Lutz
Ich danke auch für die ausführlichen Infos über Schafe und Wolle usw. Neues gelernt! Da bekomme ich gleich ein andres Verhältnis zu meinen Schafwollsocken.
Euch noch viel Spaß und LG Gabi
Euer Haus sieht sehr einladend aus. Gut, dass ihr so viele sonnige Tage habt! Das Haus aus der Eisenzeit interessiert mich. Moeglicherweise ist es aber nicht so alt…. ich sehe gerade auf Wikipedia, dass die skandinavische Eisenzeit ja erst gegen 1000 n. Chr. zu Ende ging und denke, das Schottland da auch darunter faellt. Habt ihr Genaueres erfahren?
Interessant, dass Wolle von naturnahe gehaltenen Schafen kaum Geld einbringt. Not exactly helpful for ‚artgerechte Tierhaltung.‘ Schade. Wie das wohl mit den Schafen hier in der Gegend aussieht? Jetzt bin ich neugierig.
Alles Gute!