Tage 9 und 10 der Radtour – Ankommen in Göteborg!
Nach etwas über einer Woche waren wir völlig in der Reiseroutine und hatten an diesem Punkt noch 150km bis Göteborg zurückzulegen. Der Kanal lag lange hinter uns und wir kamen mithilfe der Karte und der Wegweiser voran wie zwei Pfadfinder auf Schnitzeljagd. Es machte richtig Spaß!
Die Landschaft war auch zum ersten mal richtig schön flach, und man sah manchmal kilometerweit. Wir konnten also zum einen schnell fahren, und zum anderen war es interessant, so viel vom kommenden Weg vor sich zu sehen.
„Siehst du den großen Wald da am Horizont?“
„Ja“
„Da fahren wir jetzt außen drum.“
Am Tag Nummer neun war mal wieder das Frühstück nicht ganz so üppig wie wir das gerne hätten, was wohl daran lag, dass das vorherige Abendessen um so üppiger gewesen war. Egal, wir können ja bei der ersten Gelegenheit was kaufen.
Die Landstraße führte in weiten Kurven durch Wälder und Felder, und das Wetter machte gute Laune. Es war kaum ein Wölkchen am Himmel.
Die Landstraße führte allerdings nicht durch Ortschaften, denn davon gab es hier keine. Wir kamen zwar an einigen Bauernhöfen vorbei, aber keine Ansammlung von Gebäuden war groß genug, um einen Supermarkt zu rechtfertigen. Unsere Mägen knurrten.
Nach ein oder zwei Stunden kamen wir nach Tun. Tun ist eine kleine Siedlung, die im Grunde auch nicht groß genug ist, um eine Einkaufsgelegenheit zu rechtfertigen. Da Tun allerdings mitten im Nirgendwo liegt, betreibt dort ein alter Herr „Tun’s Lanthandel“. Der Laden macht zwar ganz den Anschein eines Supermarktes, komplett mit Kühlregalen, einer Käsetheke, einer Brotecke und der Gemüseauslage, aber das alles passt in einen Raum, der nicht viel größer als unser Wohnzimmer ist.
Es gibt sogar eine öffentliche Toilette, doch um dort hin zu kommen, mussten wir durch den Heizkeller, den Lagerraum und den Feuerholzraum gehen. Aber immerhin!
Wenn ihr euch in Tun mal umschauen wollt – ich habe herausgefunden, dass dort ein Google-Street-View Wagen vorbeigefahren ist. Hier:
Wir fuhren weiter, ließen unsere Arme und Beine bräunen und genossen unsere aktuelle Situation. Kurz vor Värnersborg regnete es kurz, doch das störte nicht weiter. Wir stellten uns einfach bei einer Tankstelle unter und machten mal wieder eine Essenspause.
In Värnersborg war das Wetter dann auch schnell wieder zum Ausgangszustand zurückgekehrt, die Sonne schien wieder. Wir bummelten durch die Stadt und schauten und den Hafen an (Värnersborg liegt an der Stelle, wo der Fluss „Göta Älv“ dem Värnernsee entspringt und in die Nordsee fließt). In einer der vielen Pizzerien bestellten wir zwei Pizzen zum mitnehmen und bekamen, wie in Schweden üblich, zwei Portionen Krautsalat umsonst dazu. Wir setzten uns an den Rand eines Kais und genossen die Mahlzeit. Ich spülte das Geschirr im Waschbecken einer öffentlichen Toilette, so mussten wir kein Trinkwasser dafür verschwenden.
Es wurde langsam spät, doch wir fuhren noch ein paar Kilometer aus Värnersborg heraus und suchten uns einen Schlafplatz etwas außerhalb der Stadt. Wir wurden in Utby fündig, einer Ansammlung an Häusern, die kaum als Ortschaft zu bezeichnen war. Dennoch hatten sie dort einen Spielplatz. Neben dem schlugen wir unser Lager auf. Wir waren an dem Tag 75km weit gefahren, also etwas unter dem Durchschnitt.
Hier war Google auch gewesen. Wer findet den Spielplatz?
Am nächsten Morgen wachten wir dadurch auf, dass die Sonne das Zelt aufwärmte. Au ja! Der Tag würde gut werden.
Unser Plan sah vor, dass wir heute nach Göteborg fuhren, wo wir Aurora und Andrew besuchen. Die beiden waren selbst gerade nach Göteborg gezogen, da Aurora dort studiert.
Wir machten uns also auf den Weg. Navigatorisch war es kein Problem, nach Göteborg zu kommen. Unsere Route verlief parallel zum Göta Älv, und der mündet bei Göteborg. Wir hätten uns schon arg anstrengen müssen, wenn wir uns verfahren wollten.
Von den 50 – 60km bis Göteborg gibt es nicht viel zu berichten – die Sonne knallte vom Himmel und ließ uns braun werden, es war kein Wölkchen zu sehen. Dazu gab es ein stetiges, leichtes Gefälle (wir fuhren ja ans Meer) und leichten Rückendwind. Ein Radfahrerparadies.
Und exakt an dieser Stelle kann man bei Google den Pfosten sehen, auf dem unsere Kamera für dieses Foto stand:
In Göteborg selbst gingen wir eigentlich davon aus, mindestens eine Stunde lang in den Straßen herumzuirren. Wenn man an Norrköping zurückdenkt, wo wir erst nach vier langen Stunden unseren Weg nach draußen fanden, müsste man vielleicht sogar von mehr ausgehen, immerhin ist Göteborg größer. Außerdem war das Apartment von Aurora und Andrew überhaupt nicht auf dem Stadtplan drauf, den wir am Vortag in Värnersborg gekauft hatten. Die beiden lebten noch dazu im anderen Ende der Stadt, also mussten wir einmal quer durch.
Zu unserer großen Überraschung gingen wir aber nicht einmal ansatzweise verloren, was wir wohl dem erstklassigen Radwegnetz und der genauso erstklassigen Beschilderung zu verdanken haben. Wir wussten, dass wir in den Stadtteil Högsbo mussten, also folgten wir einfach den entsprechenden Schildern.
Auf dem Weg gingen wir noch Pizza essen. Die Besitzer des Lokals waren sehr freundlich und gesprächig, sie interessierten sich sehr für unsere Tour. Wir hatten zwei große Portionen gegessen, beim Bezahlen wurde allerdings mit dem Preis von zwei kleinen Portion gerechnet. Und selbst dann schob mir der kurzgewachsene, gutgelaunte Kassierer noch das Kleingeld zurück und nahm sich nur den 100-Kronen-Schein.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht verließen wir die Pizzeria und waren kurz darauf auch schon in Högsbo. Das Problem war nun, die richtige Straße zu finden. Aurora und Andrew wohnten erst seit zwei Tagen in ihrer neuen Wohnung und kannten sich entsprechend schlecht in der Gegend aus, konnten uns also keine Instruktionen geben. Ich fragte einfach Andrew am Telefon, was für Landschaftsmerkmale denn so vor ihrem Fenster lägen.
„Also, da ist ein recht großes Gebäude mit … 12, 13, 14, 15… mit 15 Stockwerken. Dann ist da eine Autowerkstat und wir wohnen an einem kleinen, quadratischen Platz. Da drüben ist eine Bibliothek“
Bewaffnet mit diesen Informationen schauten wir uns einmal gut um und erblickten schnell ein Gebäude mit 15 Stockwerken. Als dann noch ein Schild mit dem Namen der Werkstat in dieselbe Richtung wies, wussten wir, dass wir so gut wie angekommen waren.
Wir hatten die knapp 80km bis zu dem Apartment relativ schnell geschafft, vom Tag war noch viel übrig. Aron, ein guter Freund von mir und Auroras Bruder, war auch da, er hatte beim Umzug geholfen. Magnus und Maria, ihre Eltern, trafen wir auch noch, sie fuhren aber bald wieder nach hause. Das Apartment war winzig, und zu fünft wurde es recht eng, doch das störte niemanden. Morgen wollten wir zusammen Göteborg erkunden gehen.
Danke Gabi! Liegt wohl daran, dass ich so lange gewartet habe mit dem Bericht….
Hallo Esra,
da bringst du uns ja irgendwie doch den Sommer zurück mit deinem Bericht – richtig schön so im Vorweihnachstgedöns.
LG Gabi