Radfahren nach Cambridge, Südengland
Radtour nach Cambridge
Für Samstag haben wir uns vorgenommen, nach Cambridge zu fahren. Die Wettervorhersage meint es gut mit uns, da nutzen wir doch die Gelegenheit und nehmen die Fahrräder. Einfach sind es etwa 35 Kilometer, gesetzt der Fall, die Radwege sind ordentlich ausgeschildert. Noah und Amy wollen lieber bleiben, auch aufgrund fehlender Fahrräder, und mit Grindel, unserem neuen Dackel, spazierengehen.
Morgens frühstücken wir ausgiebig, dann packen wir Obst, Getränke und die Kameras in die Fahrradtaschen und befreien unsere Drahtesel aus der Heckgarage. Es ist sonnig und warm, nur ein paar weiße Wölkchen driften lässig durch das Blau.
noch die Reifen geprüft, die Sonnenbrillen auf die Nase und los gehts. Nach wenigen hundert Metern treffen wir auf das erste Radwegeschild. Die Radrouten sind in Großbritannien numeriert, und wir wohnen momentan sogar direkt an der Route 11, Teil des nationalen Nord-Süd-Radweges. Na, da können uns wohl nicht verfahren.
Gut ausgeschildert
Auf wenig befahrenen Landstraßen und schmalen Asphaltwegen geht es mitten durch Weizenfelder und entlang der obligatorischen Baumreihen. Auf einer Wiese stehen 4 Esel und winken uns freudig mit den Ohren zu. Wir halten für eine kurze Kraul- und Fotografierrunde, dann gehts weiter. Die Hinweisschilder finden sich an allen Abzweigungen, ab und zu sogar mit Meilenangaben.
Weiter geht es an Kanälen entlang, hin und wieder wechselt der Straßenbelag auf Schotter oder Feldweg, ein paar Mal müssen wir einen Kanal überqueren. Dabei haben wir einmal das zweifelhalfte Vergnügen, unsere Räder eine steile Treppe hochzuschleppen, über eine Fußgängerbrücke zu schieben und wieder eine ebenso steile Treppe hinunter zu bugsieren.
Dann wird es ganz feldwegig. Wir durchqueren ein Naturschutzgebiet des National Trusts, um uns herum nur Schilffelder, Teiche und schmale Wasserwege. Das sind die Fens, ein riesiges früheres Schwemmgebiet, nördlich von Cambridge. Der National Trust kauft Gelände auf, wo er nur kann und renaturiert es bei Bedarf. So entsteht ein gewaltiges Areal, in dem sich Vögel, Amphibien, Libellen und anderes Wildgetier ungestört tummeln können.
Durch Felder und entlang Kanälen nach Cambridge
Jetzt sind wir schon eineinhalb Stunden durch Felder und Natur unterwegs und haben außer ein paar Farmgebäuden kaum menschlichen Behausungen gesehen. Eigentlich erstaunlich für so eine relativ dicht besiedelte Gegend. Das einzige was uns bremst ist der stetige frische Gegenwind, für den wir aber dankbar sind, weil er uns erfrischt. Dann treffen wir doch auf die ersten Dörfer, wir nähern uns auch langsam Cambridge. Ein Stück weit geht es entlang einer lauten Schnellstraße, die am Flughafen vorbeiführt, danach biegen wir wieder in ruhigere Gefilde ab.
Der Radweg zieht sich ganzes Stück am Fluß entlang. Die Ufer sind gesäumt von den typischen Narrow-Boats, das sind schmale lange Hausboote. Dazwischen treiben lässig Schwäne, hin und wieder schießen Ruderboote vorbei, angetrieben von schwitzenden Jugendlichen. Wir machen nochmal kurz Rast und essen eine Banane, bevor wir uns durch Spaziergänger schlängelnd, Richtung Innenstadt weiterradeln.
Touristentrubel und Harry Potter Flair in der Stadt
Abrupt ist es vorbei mit dem gemächlichen Radeln. Wir stecken von jetzt auf gleich mitten im Stadtverkehr, es ist laut, hektisch und stinkt nach Abgasen. Wir müssen über Ampeln drüber, auf der Straße drängeln die Autos, auf den Bürgersteigen laufen die Fußgänger kreuz und quer. Die Straßen werden enger und wir müssen vom Rad runter. Touristenhorden verstopfen die Gassen, eine erkennbare Verkehrsführung ist nicht mehr vorhanden, jeder schaut irgendwie, wie er vorwärts kommt, es herrscht totale Verkehrsanarchie.
Gabi ist ruckzuck in einem traditionellen Buchladen verschwunden, und ich stehe derweil bei den Fahrrädern, mitten im Strom der Touristen. Immer wieder kommen asiatische Reisegruppen mit einheitlichen T-Shirts fröhlich plappernd und zwitschernd vorbeigelaufen, eine junge Frau macht Werbung für einen Imbiss und drückt mir einen Becher mit Schokonüssen in die Hand.
Nach einer halben Stunde kommt Gabi endlich wieder zum Vorschein, und wir kämpfen uns mit den Rädern mühsam weiter Richtung Kathedrale vor. Jetzt offenbart sich uns auch der wahrscheinliche Grund für diesen enormen Andrang: es ist Graduation Day! Auf den Grasflächen vor den altehrwürdigen Colleges steht allerlei fein herausgeputztes Volk herum, umgeben von seltsam gewandeten Jungvolk. Die Zugänge werden von Security-Leuten kontrolliert. Eine Prozession von Umhang- und Doktorhutträgern schiebt sich mühselig durch die Touristenscharen. Irgendwie kommen wir uns vor, wie in einem Harry-Potter-Film am Tag der offenen Tür.
Wir lassen uns mit den Menschenmassen durch die historischen Gassen treiben, in der Hoffnung, ein etwas ruhigeres Plätzchen zu finden, mit wenig Erfolg. Alle Cafés und Restaurants sind übervoll. Schließlich geben wir auf, es ist sowieso Zeit für einen geordneten Rückzug. Und meine Hautpartien mit Sonnenkontakt fangen auch schon an zu protestieren.
Rückenwind auf dem Rückweg
So ganz exakt treffen wir den Rückweg dann doch nicht. Wir folgen dem Fluß zurück, am Flughafen vorbei, an einem Friedhof, wo wir kurz Rast gemacht hatten bis zu einem Pub, wo wir eine kurze Kaffeepause einlegen. Danach treffen wir ein paar Doppeldeutigkeiten mit der Radroutenbeschilderung, weil sich hier zwei Tourenwege kreuzen, und finden uns auf unbekanntem Terrain in einer kleinen Ortschaft wieder. Hier gibt es tatsächlich einen Hügel und der Radweg führt genau drüber. Unsicher, ob wir nicht auf dem Holzweg sind, biegen wir am Ortsende auf einen Feldweg ab und erreichen zum Glück wieder bekannte Wege.
Es ist inzwischen 5 Uhr nachmittags, und der immer noch frische Wind schiebt uns jetzt ordentlich an. Zurück geht es durch die Fens, entlang der Kanäle, über die berüchtigte Fußgängerbrücke, vorbei an den Eseln, und dann sind wir wieder beim Wohnmobil und den Kids.
Nach 75 Kilometern mehr auf dem Radtacho und einem kräftigen Sonnenbrand (nur Gunter, Gabi war mit reichlich Sonnenschutz versorgt), dem wir wegen des kühlenden Windes kaum Beachtung geschenkt haben, werden wir von unseren Kids normal, und dem Dackel hocherfreut begrüßt. Wir strecken uns erstmal kräftig aus und freuen uns auf das Abendessen.
Von Barway nach Ely und Soham
In der anderen Richtung führt der Radweg nach Ely. Bis dahin sind es nur 6 komfortable Kilometer, zuerst an einem Damm entlang, dann über schmale asphaltierte Wege entlang des Kanals, der mit den allgegenwärtigen Narrowboats gesäumt ist, bis hin zum Bootshafen.
Noah und Amy sind den Weg zu Fuß mit unserer Dackeldame Grindel hin und zurück gelaufen, und haben sich zwischendrin die Stadt mit der imposanten Kathedrale angesehen. Das war das einzige Mal, dass Grindel sich nach einem Spaziergang erschöpft zurückgezogen hat. Drei Stunden Lauferei auf ihren kurzen Beinen reichen anscheinend gerade so aus, sie zu ermüden.
Radfahren ist in England eigentlich ganz o.k., wenn man nicht gezwungen ist, auf belebten Autostraßen zu fahren. Bei unserem ersten Ausflug ins 10 Kilometer entfernte Soham sind wir auf der Suche nach der Tierhandlung auf der A 142 im Autoverkehr gelandet. Das ist Stress und Gestank pur, gerade in der Rush-hour.
Für die nächsten Trips nach Soham haben wir uns besser vorbereitet, und unser Ziel ausschließlich über wenig befahrene Nebenstrecken erreichen können.
Ist ja schon irgendwie ein toller Zufall, daß Ihr gerade am Graduation Day dort gewesen seid. Das ist doch etwas, was das Typische von Cambridge als Universitätsstadt noch einmal unterstreicht!
Hi,
da hattet Ihr den richtigen Tag erwischt für Cambridge, Harry Potter-Feeling, lustig.
Die Kathedralen sind schon beeindruckend.
Herzlichen Glückwunsch nachträglich an das Geburtstagskind.
Liebe Grüße
Ursula
Die Narrowboats haben mir damals (vor 26 Jahren als ich als Au-Pair in England war) schon so gut gefallen. Viele hatten die Boote mit jeder Menge Blumenkästen und Bäumchen geschmückt und sich richtig kuschelige Ecken auf den Booten eingerichtet. Und ich hätte mir auch immer so ein Hausböotchen vorstellen können….
Jedenfalls beneide ich Euch gerade etwas, denn so eine Tour durch Englands grüne Hügellandschaften und gemütlichen Dörfer würde mir sicherlich gefallen :)
Liebe Grüsse
Radeln in England ist klasse. Auch rund um Steatford-Upon-Avon führen die ausgeschilderten Radwege über Radlwege, entlang von kaum befahrenen Nebenstraßen – und auch mal über nen Trail und durch Wildgatter hindurch wo man sich überlegt wie man das Radl da durchbekommt… Aber wenns entlang eines Kanals mit den tollen Booten geht ist es der absolute Hit!
Tolle Bilder, die Lust auf den nächsten Urlaub machen – Moment, ich bin ja noch unterwegs und später versuche ich hier in Cardiff den Wales Coast Path zu finden und zum nächsten Ort – mit Freizeit-Pier – zu wandern, oder zum übernächsten… Mal sehen.
Euch weiterhin viel Spaß!
Lieber Gunter, das ist ein schöner Bericht! Ich bekomm grad Lust, die Esel mal zu besuchen ;-)! (ja, ich weiß, zweideutig…)
Die letzten Fotos, die mir von Cambridge gezeigt wurden, waren von unserer Großen, aufgenommen im März mit Handy – so jetzt bekommt man doch einen viele besseren Eindruck! Und ja, das mit Harry Potter ergibt Sinn.
LG Gabi