Kräftskiva – das schwedische Krebsfest
Ein Engländer fischt Flusskrebse
Ich konnte während eines Aufenthaltes bei unseren schwedischen Freunden mit zum Flusskrebse fangen. Jake ist Engländer und seit einigen Jahren mit Viktoria liiert. Die beiden hatten uns vor einiger Zeit in Deutschland besucht und waren mit in der Weinlese gewesen. Jetzt durfte ich eine schwedische Sommertraditon miterleben.
Viktoria hatte gesehen, dass ich über Kaj, den Fischer von Jurmo auf Aland, berichtet hatte. Sie machte mir einen Vorschlag: „Jake ist jetzt auch unter die Fischer gegangen! Willst Du mitfahren und ihn bei der Arbeit fotografieren?“ Jake hatte also einen neuen Job – er half dem Vollzeitfischer Martin in der Flusskrebsfischsaison.
Im Nebel über den See
Gegen 7:00 Uhr morgens machten wir uns auf dem Weg zum viertgrößten See Schwedens – dem Hjälmaren.
Dichter Nebel hüllte die Landschaft ein und verschluckte alle Farben. Ich hatte sicherheitshalber eine Regenhose für mich und eine Hülle für die Kameratasche eingepackt. Niklas, der zweite Helfer, gab mir noch einen Ostfriesennerz mit.
Das Boot war relativ klein, ich schätze mal so sieben Meter lang. Wir stapelten große, schwarze Kübel hinein und fuhren los. Martins Vater, ebenfalls Fischer, wie die ganze Familie seit vielen Generationen, leerte gerade die Netze, die den Sommer über im See liegen. Mit einem großen Kescher schöpfte er die gefangenen Fische in einen Bottich, dann suchte er sich die besten heraus, die anderen flogen quicklebendig zurück in den See.
Wir fuhren zwanzig Minuten zwischen Felsen und kleinen, teils mit Bäumen bewachsenen Inseln hindurch zu den ersten Fischgründen. Die Flusskrebse leben im flachen Wasser mit felsigem Grund. Martin manövrierte das Boot vorsichtig und mithilfe von GPS. Trotzdem rammten wir zweimal einen Felsen mit der Schiffsschraube. Beim zweiten, ziemlich heftigem Rums zeigte das GPS fünf Meter Wassertiefe an. Hmm, der Rempler war echt und hatte die Antriebsschraube verbogen. Sie musste getauscht werden. Dazu manövrierte Martin in eine Bucht und lenkte das Boot vorsichtig ins flache Wasser. Der Rotor war schnell gewechselt, so etwas scheint öfters mal vorzukommen.
Schwedische Flußkrebse
Jetzt ging es zurück zu den Flusskrebsen. Ich staunte nicht schlecht, wie viele in die Körbe gekrochen waren. An jeder Leine hingen 20 Körbe, die nach und nach ins Boot gezogen wurden. Am Tag zuvor waren sie mit Fischköder gefüllt in den See versenkt worden.
Von den Fischresten war nur noch das Skelett übrig, und die Krebse wuselten munter in den Körben. Die größten Exemplare wurden selektiert, die anderen segelten, zumindest wenn Martin sie warf, im hohen Bogen wieder zurück in den See.
Der Nebel war immer noch dicht und die Farben gedämpft, die Landschaft wirkte mystisch. Die Weite des Sees war beeindruckend, fast fühlte ich mich wie auf dem Meer.
Es war der letzte Tag der Saison, die Körbe würden nicht mehr mit Fischködern gefüllt werden. Die Bootscrew klappte sie nach dem Fang zusammen und verstaute sie in großen, schwarzen Tonnen. Nach und nach wurde es im Boot immer enger, weil nun auch die Tonnen herum standen. Ich hatte nach ein paar Stunden nur noch wenig fotografischen Bewegungsraum übrig. Gegen Mittag kam die Sonne durch und verscheuchte den Nebel. Endlich legte Martin seine Schirmmütze zur Seite, die hatte die ganze Zeit sein Gesicht verdeckt.
Die schwedischen Flußkrebse sind gefragt und teuer
Die Männer hatten heute etwa 100 kg Flusskrebse gefangen. Martin war zufrieden mit dem Fang. Er meinte, jetzt in der Flusskrebssaison macht er den größten Gewinn. Martin und sein Vater fischen das ganze Jahr über. Im Winter legen sie die Netze unter das Eis. Das ist nicht ungefährlich. Deswegen fahren sie immer zu zweit hinaus auf den See.
Signalkrebse sind immun gegen die Krebspest
Warum aber sind die Flusskrebse so wichtig für Martin? In Schweden feiert man das Kräftskiva Fest, was so viel wie Flusskrebsfest bedeutet. Logischerweise findet das Fest zur Krebssaison im Spätsommer, im August und September statt. Magnus erzählte mir, dass in den siebziger Jahren eine Pest unter den Krebsen wütete, die fast die gesamte Population ausrottete. In vielen Regionen wurden hinterher sogenannte Signalkrebse ausgesetzt. Diese Krebsart ist immun gegen die Pest, sie heißen Signalkrebse, weil sie einen weißen Punkt an einer Seite haben. Martins Vater setzte sich schon früh dafür ein, wieder Krebse im See anzusiedeln. Anfangs lachten ihn die Kollegen aus, niemand glaubte, dass das funktionieren würde. Doch Martins Vater blieb stur und setzte Jahr für Jahr Krebse aus. Wie man an der reichen Beute dieses Tages sehen kann, hat sich seine Mühe gelohnt.
Das sommerliche Krebsfest wird mit viel Tamtam gefeiert
Die Krebse sind relativ teuer und werden nur im Spätsommer gegessen. Es wird viel Aufhebens um das Krebsessen gemacht. Es gibt Mützen mit Krebsmotiven, und Servietten und Fähnchen. Beim Essen wird viel gesungen und Schnaps und Wodka getrunken.
Jake wollte nach seiner ersten Saison als Flusskrebsfischer unbedingt selbst Krebse versuchen. Wir nahmen eine Tüte mit zwei Kilogramm der lebendigen Krustentiere mit nach Hause. Das Klicken und Rascheln, der Krebse klang wie Wasserrauschen. Es drang sogar während der Autofahrt nach Hause aus dem Kofferraum.
Die Krebse sind auch im Detail nett anzusehen, doch die Masse, die da im Boot gelandet waren, die fand ich schon etwas gruselig. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es am Grund des Sees aussehen würde. Da müssen Millionen von diesen kräftigen Tieren herumkrabbeln.
Magnus hatte noch lebendige Erinnerungen an die Flusskrebssaison, er hatte aber die Krustentiere seit vielen Jahren nicht mehr gegessen. Ein Rezept und die Anleitung für die Zubereitung gab es im Internet. Wir versammelten uns in der Küche, ein großer Topf mit gesalzenem und mit Dill gewürztem Wasser stand auf dem Herd. Wir zählten zuerst die größten Flusskrebse ab. Diese wurden lebendig ins kochende Wasser geworfen. Danach kamen die mittleren Krebse, und zum Schluss die kleinsten Exemplare an die Reihe. So stellten wir sicher, dass alle zur gleichen Zeit gar waren.
Für den nächsten Tag war das große Essen angesagt, der Höhepunkt der Sommersaison. Magnus zeigte uns, wie die Krebse geknackt werden. Es war ein ziemliches Gezerre und Gefriemel, bis das Fleisch aus dem Krebsen herausgelöst war. Das dämpfte meinen Appetit nicht unerheblich, und ich musste daran denken, wie die armen Tiere noch vor ein paar Tagen munter im See herumstolziert waren. So probierte ich nur ein paar kleine Stückchen. Die anderen hatten weniger Hemmungen oder einfach mehr Hunger. Zu den Krebsen gab es Toast mit Butter und bald darauf war nur noch ein Haufen Krebsschalen übrig. Zum Nachtisch gab es Apfelkuchen – da griff ich natürlich wieder beherzt zu.
Ich hatte übrigens diesen Blogbeitrag in den Tiefen unserer Festplatte vergessen. Letztens waren wir im Ikea, da sah ich ein Poster zum Krebsfest und erinnerte mich, dass ich da ja drüber schreiben wollte. Und kurz darauf schaute ich mir die Serie: Welcome to Sweden an. Da kann man gut sehen, mit welcher Begeisterung das Fest gefeiert wird. Das Schlürfen der Krebse ist da auch sehr gut zu hören :-)
Übersichtsseite Wohnmobil Reise zu den schwedischen Leuchttürmen
So, das ist jetzt die letzte Tat, bevor ich ins Mobil hüpfe und nach Schweden fahre. Wir werden aktiver live berichten: versprochen!
Total interessant zu lesen – und ich bin froh, dass ich die kleinen Meereskrabbler nicht essen muss. Ich find Wasserbewohner ohne Flossen ziemlich eklig – und wenn ich dran denke, dass man sie dann auch selbst zerlegen muss… Allerdings schmecken sie an sich lecker, wenn man sich mal durchgerungen hat…
Ein toller Artikel. Da wäre ich gerne dabei gewesen.
Die Saison beginnt traditionell am 8.8. Ratet mal, was es gestern bei uns zu essen gab ;-)
LG Ursula
immer gerne….wir fahren am 12. oder 13.08. für drei wochen. ihr wißt ja, welche fähre ihr dann nehmen müsst. und wir rufen ansonsten auf dem rückweg an. Hach, SCHWEDEN! Ich bin so gerne dort!
(dann können wir uns fuß- und beintechnisch austauschen. ich hab mich vom muskelriss auch noch nicht richtig erholt.)
wir werden diesmal nicht lange unterwegs sein – vielleicht treffen wir uns ja doch bald mal wieder?
Viel Spaß euch und tolle Erlebnisse im geliebten Schweden!!
Wir wollen in zwei Wochen nach Frankreich. Dann ist es dort hoffentlich wieder ruhiger.
LG Gabi