Primel-Tregastel ist kein Kleinblumengeschäft und auch kein Teil von Tregastel, sondern ein Ortsteil von Plougasnou, ungefähr 50 Kilometer westlich von Tregastel. Primel-Tregastel und seine Zwillingslandzunge Le Diben liegen in exponierter Lage am östlichen Rand der Bucht von Morlaix. Oder anders gesagt, am westlichen Ende der Bucht von Lannion.
Sturm und Wellen haben über Jahrtausende skurrile und faszinierende Felsformationen aus dem Granit geschaffen. Auf den gewundenen Wanderpfaden der Landspitzen geben gewaltige Granittürme immer wieder neue Blicke auf das Meer und über die Bucht auf die gegenüberliegenden Städte Roscoff und Saint Pol frei.
Regenwetter am Pointe de Primel
Auf unserer Fahrt Richtung Westen wird das Wetter immer weniger sonnig, und die Solaranlage schafft es nicht mehr allein, den ganzen Strom zu produzieren. Wir brauchen relativ viel Strom, um die Kameras und Notebooks am Laufen zu halten. Von Zeit zu Zeit suchen wir uns deshalb einen Stellplatz mit Stromanschluss zur Unterstützung und zur vollen Aufladung der Womo-Batterien.
Wir hatten eigentlich vor, den Campingplatz auf der Ile Grande aufzusuchen, aber die Rezeption ist erst in zwei Stunden wieder besetzt, da wollen wir nicht herumsitzen und den Nieselregen beobachten, also fahren wir weiter. Die Region zeigt sich nicht von ihrer Schokoladenseite – was natürlich am Wetter liegen kann. (Die Ile Grande ist auf jedem Fall einen Besuch wert, das haben wir auf einer späteren Reise bei besserem Wetter festgestellt.)
Wir fahren weiter entlang der Küste der Baie de Lannion, bis wir zu den zwei ins Meer ragenden Landspitzen kommen die wir schon seit Ewigkeiten nicht mehr besucht haben. Der Pointe de Primel und der Pointe de Diben. Der Campingplatz der Gemeinde Primel-Tregastel ist noch geöffnet. Wir dürfen uns nach der Anmeldung einen Stellplatz mit wunderbarem Meerblick aussuchen. Wir haben Glück, dass das Wetter auf die Wettervorhersage pfeift und der vorhergesagte Dauerregen nicht wirklich eintrifft. Der Regen macht längere Pausen und lässt uns auf der Wanderung auf der felsigen, hügeligen Landspitze weitgehend in Ruhe. Vom ehemaligen Zöllnerhäuschen auf der Höhe des Pointe Primel haben wir einen wunderbaren Ausblick, aber auch einige Kletterei über nasse und rutschige hinter uns.
Die Gegend ist genauso spektakulär wie die Cote Granit Rose. Die mächtigen zerklüfteten Felstürme, welche die Küstenlinie bestücken, ragen vor uns auf. Sie sind noch feucht vom kürzlichen Regenschauer und zeigen sich so in intensiven Farben.
Der kräftige Wind peitscht das Meer auf, und die hohe Flut tut das Übrige, um gewaltige Wellen auf das steinige Ufer prallen zu lassen. Kleine Pfade führen uns durch das überall wachsende Farnkraut an wilde Küstenabschnitte und hinauf zu hochliegenden Aussichtspunkten. Singvögel zwitschern in den weitläufigen undurchdringlichen Heckenlandschaften. Stürmische Meerestimmung und Rotkehlchen, sowas haben wir noch nicht in dieser Kombination gehabt. Zwischen dem maritimen Pflanzenwuchs haben sich wilde Alpenveilchen angesiedelt. Auch das habe ich so noch nicht gesehen.
Kurz gesagt: die Region ist auch bei weniger freundlichen Wetterbedingungen ein wahres Eldorado für Landschaftsfotografen. Hier gibt es so viel zu entdecken, dass wir gleich zwei Tage auf dem Camping Municipal bleiben. Mit unseren Bremer Platznachbarn Manfred und Claudia (und Foxterrier Maggie) verstehen wir uns so gut, dass wir nach ihrer Ankunft direkt in längere Gespräche kommen. Wir freuen uns, waren doch die Nachbarn auf dem letzten Stellplatz eher wortkarg, und wir unterhalten uns eben gern. Zudem ist Liliclaude von der Rezeption super sympathisch und Gabi versteht sich auf Anhieb perfekt mit ihr.
Liliclaude stammt von Martinique und hat in die Bretagne eingeheiratet. Sie erzählt, dass sie die ersten Jahre unbedingt wieder zurück in die Karibik wollte, doch inzwischen hat sie die Bretagne kennen und lieben gelernt und fühlt sich hier wohl.
Le Diben – tolle Küste, toller Hafen, liebe Leute
Nach zwei fotografier-intensiven Tagen mit herrlich wechselndem Wetter, viel Wind und Wellen und der obligatorischen Regendusche ziehen wir weiter. Wir kommen nur drei Kilometern voran und bleiben in Le Diben hängen, der parallelen Landspitze gleich nebenan. Von da aus können wir fast unseren gestrigen Stellplatz sehen. Der kostenlose Stellplatz am Hafen von Le Diben ist beliebt, die fünf oder sechs für Wohnmobile reservierten Plätze sind bereits belegt. Aber das macht nichts. Es sind keine Autos da und der halbe Parkplatz füllt sich mit Wohnmobilen.
Auch hier kommen wir wieder direkt ins Gespräch mit dem fotografier-begeisterten Karl-Heinz und seiner Frau Gabi und deren Hund Betty. Noch bevor wir uns die Küste anschauen können, klönen wir gemeinsam in deren Mobil und tauschen uns über fotografische Themen aus. Kurz drauf wandern wir los. Le Diben glänzt ebenfalls mit äußerst sehenswerten Felsformationen, einem Küstenwanderweg mit dramatischen Aussichten, einem Yachthafen und einem Schiffsfriedhof. Die Wettervorhersage hat sich auch heute ähnlich schlecht wie die ganzen Tage angehört, aber das hat an der Küste nicht viel zu bedeuten. Wird Regen gemeldet, heißt das automatisch, wir können interessante Wolken und Lichtstimmungen erwarten. Es sei denn, es zieht total zu und Dauerregen kommt, dann machen wir nichts außer Reisebereichte schreiben. Heute aber hat der Wind noch einen Zahn zugelegt und die fetten Regenwolken weggeweht. Mächtige Brecher rollen auf die Küste zu, zerstieben auf den Felsen und schwängern die Luft mit salziger Gischt. Einfach herrlich. Bis auf die Tatsache, dass die Frontlinsen unserer Kameraobjektive dauernd von Salz befreit werden müssen.
Auf der Suche nach einem Lebensmittelladen frage ich einen freundlichen deutschen Camper, ob es in der Nähe einen Laden gibt. Er verneint, fragt aber direkt, was wir denn brauchen. Mein Mann braucht immer Brot. Ich kann mich auch mit Knäckebrot begnügen, das wird nicht trocken, ist es nämlich schon! Jedenfalls schenken uns die Strempels, wie es auf ihrer Visitenkarte steht, Jürgen und Angela, zwei Päckchen eingefrorenes Brot und dann noch zwei Wurstdosen aus der Heimat. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen. Wir werden nicht verhungern. Danke an Jürgen und Angela! das Brot war übrigens das beste, welches wir in der Bretagne gegessen haben, mit Nüssen drinnen. Wir haben es in den folgenden Tagen in den Supermärkten gesucht aber nicht gefunden. Gibt’s wahrscheinlich nur beim guten Bäcker.
Abends wandern wir entlang der Küste, was sich sehr lange hinzieht, weil wir andauernd interessante Motive finden. Zurück wollen wir bis zum zwei Kilometer entfernten Hafenanfang und dem dortigen Schiffsfriedhof.. Gerade als wir zurück an unserem Mobil vorbeikommen wird das Licht so richtig dramatisch. Nix Hafen, wir legen eine 180-Grad-Wendung hin und laufen direkt wieder zur Küste. Das Meer ist jetzt perfekt wild und die untergehende Sonne taucht die Szenerie in weiches Abendlicht. Die Gischt ist so dicht, dass es kaum möglich ist, klare Fotos zu schießen. Zum einen landet dieser schwierig zu putzende Salzfilm auf der Linse, zum anderen hängt die Gischt wie dichter Nebel in der Luft und die Sonne scheint mitten durch. Kurz: es wirkt unwirklich, ist aber echt. Wir kleben, die Ausrüstung klebt, wir können die Einstellrädchen der Kamera kaum noch bewegen, so klebrig ist alles.
Stundenlang sind wir bereits auf den Beinen aber nach dieser Tour müssen wir erst einmal uns und die Ausrüstung reinigen. Die Kameras feucht abwischen, die Filter waschen und trockenwienern. Und da ich neugierig auf die Bildausbeute bin, auch noch die Fotos herunterladen. So hänge ich bis nach Mitternacht am Notebook fest. Nun denn, der Tag war wirklich ereignisreich und traumhaft schön.
____________________________________________________________________________________________________________
Unseren Wohnmobilnachbarn Karl-Heinz treffen wir auch am nächsten Morgen hinten am Strand, als wir versuchen, ein paar fette Wellen mit der Kamera einzufangen. Heute ist Hochflut und der stürmische Wind forciert die Brandung noch zusätzlich. Karl-Heinz erinnert mich ein bisschen an den britischen Schauspieler Simon Pegg. Die Art, wie er schnell redet, die spontane Begeisterung über alles Mögliche. Ist schon lustig.
Der Gesprächsstoff geht auch auf dem Weg zurück zum Wohnmobil nicht aus, aber wir alle wollen weiter und schließlich brechen wir auf. Nachdem wir in Morlaix den dortigen Decathlon nach Klamotten durchstöbert haben und anschließend Einkaufen waren, gehts an Roscoff links vorbei an die Küste bei Cléder. Bei Kerfissien stehen die für die Nordbretagne so typischen Felsgebilde wasserumflutet im küstennahen Meer und es ist Springflut-Zeit. Mal sehen, was sich da an Chancen auf Fotomotive eröffnet.