Achtung, dieser Beitrag ist sehr bildlastig. Ich konnte mich nicht entscheiden, welche ich rauswerfen sollte, jetzt sind sie eben alle drin!
– Wind und Whisky –
Langsam wurde es Zeit für mich, wieder nach Süden zu fahren. Ich hatte die Fähre nach Amsterdam bereits gebucht, im Anschluss an die Schottlandreise wollte ich gleich nach Schweden weiterfahren.
In den nördlichen Highlands machte das Radfahren nur bei Windstille Spaß. Da man weit und breit kaum drei Bäume am Horizont ausmachen kann, gibt es nichts, um den Wind etwas auszubremsen. Wie gewohnt blies mir ein starker Gegenwind ins Gesicht und holte im Laufe eines Tage eine beachtliche Anzahl an Flüchen und Schimpfworten aus mir heraus, da ich trotz meiner Anstrengungen nur eine sehr überschaubare Geschwindigkeit aufrecht erhalten konnte. Teilweise war der Gegenwind so stark, dass ich selbst bergab in die Pedale treten musste, um nicht stehen zu bleiben!
Was dort oben an Wäldern fehlt, das wird mit Whisky-Destillerien wieder wett gemacht. In der Speyside-Region stehen mehr Destillerien als irgendwo anders in Schottland, alle paar Kilometer kommt man an einer vorbei. Leider hatte ich nie die Gelegenheit, eine genauer zu besichtigen, da entweder die Zeit fehlte, ich zu spät kam oder es zu teuer war. Ich fand aber direkt neben der Dalwhinnie-Destillerie einen schönen Platz zum Zelten.
Nocheinmal Servas und ein zufäliges Frühstück in Edinburgh
Auf halbem Weg zwischen Edinburgh und Glasgow traf ich Val, eine Servas-Gastgeberin, die im kleinen Dörfchen Muthill lebte. Wir kamen sehr gut miteinander zurecht und ich blieb drei Tage statt den üblichen zwei. Kurz nach mir tauchten noch mehr deutsche Besucher bei ihr auf. Es war eine Familie aus der Nähe von Aachen, die sich von ihren kleinen Kindern nicht davon abhalten ließen, mit einem Land Rover und einem großen Zelt die Highlands zu bereisen (ich finde generell jeden sympathisch, der mit Kindern reist.)
Je weiter südlich ich kam, desto mehr Bäume und sogar Wälder tauchten auf, und die Berge wurden von Hügeln ersetzt. Das Vorankommen war nun viel einfacher, und ich konnte weiter fahren. Je früher ich in Newcastle ankäme, desto mehr Zeit würde ich dort haben, mit Alicia, einer Freundin von mir, die Gegend zu erkunden und Dinge zu unternehmen.
Ich fuhr wieder durch Edinburgh, hielt mich allerdings nicht dort auf, weil es regnete. In einer Kleinstadt nicht weit von Edinburgh schlug ich mein Zelt an diesem Abend auf. Am nächsten Morgen rief mich eine Frau von ihrem Gartenzaun zu sich, als sie mich aus meinem Zelt kommen sah. Was sie wohl will? Darf man hier etwa nicht campen? Es ist doch überall erlaubt? Ich lief mal zu ihr.
„Guten Morgen!“ rief sie und fragte freundlich, ob ich denn gut geschlafen hätte.
Dann: „Sag mal, willst du Frühstück haben?“
Was für eine Frage! Einen Radfahrer zu fragen ob er Hunger hat. Das wäre, als wenn man einen Hund fragen würde, ob er ein Schnitzel will. Natürlich nahm ich das Angebot dankend an. Sie wollte wissen, wo ich überall schon gewesen bin, ich erzählte ihr von meiner bisherigen Reise. An diesem Tag kam ich wirklich nicht sehr früh in die Gänge – um 11 saß ich noch plaudernd in ihrer Küche.
Warum es toll ist, allein zu reisen
Am Anfang meiner Reise machte ich mir noch Sorgen wie wohl werden würde, ganz alleine unterwegs in Schottland. Diese ewige Fahrerei alleine, abends einsam im Zelt, niemand, mit dem ich reden könnte…
Doch meine Sorgen waren unbegründet. Was ich nämlich nicht wusste: wenn man alleine unterwegs ist, kommt man viel mehr mit Leuten in Berührung. Ganz oft sah mich jemand vorbeifahren, den einzelnen Radfahrer, und lud mich kurzerhand zu einem Tee ein. Ist ja nur einer, da geht das ganz einfach. Ich hatte allergrößte Freiheit bei der Planung, ich musste ja keine Rücksicht auf Mitreisende nehmen. So konnte ich einfach mal eine Woche in Glasgow bleiben oder mich mit anderen Radlern zusammentun und mit denen ein paar Tage fahren.
Das passierte mir nämlich auch hin und wieder, dass ich jemanden traf und dann einen oder mehrere Tage mit dieser Person verbrachte. Ich wurde von einer alten Dame in ihr Gästezimmer eingeladen, von Pfadfinderinnen aufgenommen, in Edinburgh bekam ich Frühstück, mit anderen Radlern furh ich zusammen herum. Und dann war ja noch Servas, was als Einzelperson wirklich sehr praktisch ist. Ich war zwar alleine unterwegs, aber ich war nie einsam!
Und wenn ich mal stunenlang durch die weite, leere Landschaft raldelte, dann hatte ich Zeit zum Nachdenken. Oder ich sang laute, selbstgedichtete Lieder; es war ja niemand da, den es störte!
Zurück nach Newcastle, nach ca. 1500km
Schließlich verabschiedete ich mich aber doch, und im Laufe des Tages brachte ich doch noch ein wenig Land zwischen mich und Edinburgh. Am nächsten Tag war ich schon in England. Die Hügel waren hier kleiner als in Schottland, doch sie waren auch zahlreicher und fieser. In den Highlands geht es teilweise kilometerlang bergauf, doch es ist oft nur eine schwache, stetige Steigung. In England muss man fast jeden halben Kilometer einen kleinen, gemeinen Hügel erklimmen, nur um auf der anderen Seite gleich den nächsten zu sehen. Bäh!
Auf der anderen Seite gab es viel Wald. Ich fuhr durch den Kielder Forest Park, auf der Karte als großer grüner Fleck erkennbar, der gleichzeitig den kürzesten Weg darstellte. In Null Komma Nix war ich wieder in Newcastle.
Sich in Newcastle zurecht zu finden war weitaus schwieriger als in Edinburgh und Glasgow. In den beiden schottischen Städten sind die Straßen mehr oder weniger gerade und überschaubar, doch ich Newcastle ist das Straßennetz eher ein Labyrinth. Es ist, als hätten die Stadtplaner einst eine große Landkarte genommen, einen Haufen Schnüre drauf geworfen, und dann die Straßen einfach da gebaut, wo die Schnüre lagen.
Schließlich fand ich doch noch zu Alicias Haus, wo ich vier Tage blieb. In Newcastle und Umbegung wird es einem bestimmt nicht langweilig, jeden Tag hatten wir irgendwas auf dem Plan, Museen, Innenstadt, ein Kletterpark, Grillparty – die letzten vier Tage in Großbritannien waren nicht schlecht!
Alles im Lot aufm Boot? Ja! Überfahrt nach Amsterdam
Irgendwann musste ich dann doch zum Fährhafen. Ich fuhr wieder mit DFDS, diesmal ging es statt mit der „King Seaways“ mit der „Princess Seaways“ über die Nordsee. Radfahrer, merkt euch das für später: Wenn ihr die Wahl habt, fahrt mit der Princess. Da kommt mal als Radfahrer viel einfacher rein und auch wieder raus. Bei der King Seaways muss man warten, bis alle anderen von Schiff gefahen sind, bevor man selbst dran ist.
Die Überfahrt war sehr schön, vor allem, weil ich gute Gesellschaft hatte. Ich verquatschte mich am Fährhafen mit zwei englischen Radlern, und wir verbrachten den gesamten Abend zusammen. Erst verkosteten wir ein paar selbstgebraute Biere, die die beiden gemacht hatten, dann setzten wir uns in eine der vielen Bars und hörten Live-Musik. Es wurde recht spät, viel Schlaf bekam ich nicht diese Nacht.
Am Morgen frühstückte ich noch einmal ordentlich (das Buffet war schön groß!) und traf dann den Rest meiner Familie in Ijmuiden am Fährhafen. Sie würden am nächsten Tag nach Großbritannien fahren, also verbrachten wir einen Tag zusammen, bevor ich weiter nach Schweden fuhr. Darüber berichte ich dann im nächsten Beitrag! Hier ist noch eine Landkarte von Schottland mit meiner Route drauf: