Die Städte des amerikanischen Nordwestens – Portland, Seatle und Vancouver
Selbst der beste Plan überlebt nicht den ersten Feindkontakt. Unser Reiseplan ist keine Ausnahme dieser Regel. Der Feind, in unserem Fall, ist das Wetter. Als wir im Süden Oregons in der Nähe des Crater Lake National Parks sind, erfahren wir, dass dieser wegen unbändigbarer Schneemassen unzugänglich ist. Und während in der Höhe Schnee fällt, prasselt unten an der Küste der Regen.
Den Olympic National Park können wir auch nicht besuchen, wenn es wie aus Eimern regnet, daher wird der Plan kurzerhand über Bord geworfen und wir schauen uns so lange die Städte an, bis das Wetter sich bessert. Von Süden kommend liegt Portland als erstes auf unserem Wege.
Portland – Refugium von allem Alternativen.
Wie in San Francisco besuchen wir in Portland Leute, die wir auf der Servas-Gastgeberliste gefunden haben. Mark und Robin, ein ehemaliger Geologiedozent und eine Berufsvermittlerin, sind die stolzen Besitzer eines Passivhauses. Es ist extrem gut isoliert, mit Solarpanelen bestückt und durch seine Leitungen fließt ausschließlich Regenwasser. Wir merken schnell, dass wir mit Mark und Robin auf einer Wellenlänge sind.
Am Tag nach unserer Ankunft erkunden wir Portland. Robin hatte uns vorher schon gewarnt, dass Downtown langweilig ist, und dass die eigentliche Musik im Norden Portlands spielt. Diese Wahrheit bestätigt sich uns, Downtown ist eine Einöde mit hohen Häusern und unpersönlichen Kaufhauskettenfilialen. Als ab in das Hippie/Hipster-Viertel!
Wir wandern bestimmt eine halbe Stunde durch ein Wohngebiet, bis sich vor uns das erste bunte Ladenschild präsentiert, doch dann sind wir plötzlich mitten im Geschehen. Fahrradläden, Hippieklamotten, Craftbeer-Bars und Restaurants mit veganer Speisekarte an jedem Eck. Jedes amerikanische Klischee wird hier aktiv widerlegt – in vielen Schaufenstern wird mit einem kleinen Schild ausdrücklich klar gestellt, dass Trump HIER nicht Präsident ist. Wir essen in mexikanischen Food Trucks zu Mittag und stöbern in den Läden, bis es dunkel wird. Und jeder hier ist so offen! Statt „Hi“ grüßt man mit „How’s it goin‘?“ und wir werden ständig gefragt, wo wir denn her kommen. Es scheint, als verirrt sich in dieser Jahreszeit kaum ein Tourist hier her, die sitzen alle in Downtown rum und langweilen sich zu Tode. Da zahlt es sich aus, bei Leuten aus der Stadt unterzukommen!
Seattle – Stadt des Regens und des Kaffees
Nach zwei Nächten ziehen wir weiter nach Seattle, wo wir bei Julie und Massimo übernachten. Sie ist frisch gebackene High School Lehrerin, er arbeitet als Softwareentwickler bei Microsoft. Die beiden leben in einem sehr gemütlichen, aber auch sehr kleinen Haus im Süden von Seattle. Wir gehen am ersten Abend Burger essen um die Ecke. Das Ale ist dunkel wie die Nacht (und Montags billiger!) und die Burger mit Pilzen und Schweizer Käse sind ein Traum.
Seattle hat ein sehr interessantes Stadtzentrum, ganz im Gegensatz zu Portland. Das hier hat CHARME. Es stürmt zwar und regnet, als gäbe es kein Morgen mehr, aber genau deswegen sind wir ja auch in einer Stadt und nicht im Wald. Nachdem wir uns ein bisschen in diversen Mitbringsel-Geschäften verlaufen haben (Kaffeetassen mit Regenschirm-Motiv lassen uns wissen, dass das Wetter hier typisch ist) finden wir den Pike Place Market an der Waterfront. Das ist ein (Gott sei dank überdachter!) Markt mit exklusiven Waren. Zwar teilen uns die Preisschilder mit, dass wir ganz bestimmt nicht zu dem Klientel gehören, welches hier seine täglichen Einkäufe erledigt, doch faszinierend ist es trotzdem. Obst, Gemüse und Meeresfrüchte locken von allen Seiten, aber auch Töpferei, Kunst und Klamotten werden hier verkauft.
Gegenüber des Pike Place Market stehen die Leute bei einem klitzekleinen Starbucks Schlange. Was da wohl besonderes zusammengebraut wird? Wir schauen nach: nichts Besonderes. Allerdings handelt es sich bei diesem kleinen Laden um den ersten Starbucks weltweit, wir haben den Geburtsort ausfindig gemacht. Das erklärt auch die außergewöhnliche Starbucks-Dichte in dieser Stadt. Generell gibt es hier mehr Cafés als überall sonst. Kein Wunder, dass man Seattle gerne auf den Regen und den Kaffee reduziert. Und wenn wir ehrlich sind – diese beiden Eindrücke machen wir in unserer kurzen Zeit dort auch.
Vancouver – nördlichster Punkt der Reise
Wir sind in Seattle sowieso direkt an der Grenze zu Kanada. Da wäre es ja doof, sie nicht zu überqueren, und sich wenigstens Vancouver noch anzuschauen. Es regnet immer noch, lange Wanderungen in der Natur kommen also noch nicht in Frage.
Den Weg zu unseren Servas-Gastgebern in Vancouver finden wir nicht so leicht, denn unser Navi lässt uns im Stich. Ich hatte mir zwar vorher eingeprägt wo es lang ging, aber eine falsche Abzweigung reicht, um unserem Orientierungssinn einen Schraubschlüssel in die Zahnräder zu werfen. So schnell kann man eine Stunde später ankommen als geplant…
Unsere Gastgeber sind ein gebürtiger Brite und eine gebürtige Tschechin, die schon seit Jahrzehnten in Kanada leben. Zuerst machen sie den Eindruck, als wären sie als Mitglieder der oberen Mittelklasse einen anderen Lebensstil gewohnt als wir zwei Studenten (Das Abendessen besteht aus mehreren Gängen!). Aber es stellt sich schnell heraus, dass sie auf Reisen am liebsten mit dem Fahrrad von A nach B kommen, und wir doch einen recht ähnlichen Reisestil pflegen.
Mit Kartenmaterial ausgestattet fahren wir am Tag drauf in die Stadt rein. Portland war alternativ gewesen; Seattle war verregnet und charmant; Vancouver ist vor allem eines: groß!
Es ist nicht so, dass hier besonders viel mehr Menschen leben als in Seattle, aber es wirkt auf jeden Fall so. Die Hochhäuser sind dichter gedrängt, es werden überall neue gebaut, und die Straßenschluchten wirken tiefer und enger. Sandra sagt, dass sie hier zum ersten Mal in einer wirklichen Großstadt ist. Wie Vancouver so ist lässt sich schwer sagen, wir sehen nur Downtown, Granville Island, und den Stanley Park. Zu Essen gibt es Poutine. Das ist ein Haufen Pommes mit Pilzsoße und Käse obendrauf. Granville Island ist eine kleine Insel unter der Granville Bridge, auf der hunderte kleine Läden und eine große Markthalle uns Touristen anlocken wie ein Mülleimer die Fliegen. Wer kann bei einer Halle voll mit leckeren Speisen schon widerstehen?
Auf dem Rückweg kommen wir dann nochmal in Seattle bei Julie und Massimo vorbei. Es ist Saint Patricks Day, und Julie warnt uns vor: „Ach ja, es kommt noch meine Familie vorbei, es wird etwas eng werden“. Gut, dann sitzen an dem Tisch für vier Leute eben acht, passt schon. Nein! Das winzige Haus platzt aus allen Nähten. Es sind über 20 Leute in der kleinen Wohn-Esszimmer-Küche, und vom lauten Onkel über das süße Kleinkind bis zur lieben Oma ist alles abgedeckt. Und wir sitzen mittendrin im Chaos, essen mit an dem köstlichen Kartoffeleintopf und dem Irish-Cream-Kuchen, und haben einen Riesenspaß. So eine Erfahrung kann man auch nur mit Servas machen.
Das Wetter ist mittlerweile auch besser geworden. Also kann es in den Tagen darauf endlich ins Freie gehen!
Ui, da muss es aber ganz schön geregnet haben, wenn ich hier im Blog „Das Wetter als Feind“ lese… Aber ich hab so nen Regen mal in Prince Rupert (Ende der nördlichen Bahnstrecke von Jasper nach Westen – die Südroute endet übrigens in Vancouver) erlebt … Da blieb kein Kleidungsstück mehr trocken und ich verbrachte mehr Zeit als geplant im Hostel. Na, nicht umsonst ist wohl westlich der Rockies der coastal rain forest.
Viel Spaß und trockenere Tage auf der weiteren Reise!
Schöne Bilder, schöne Erzählung – fehlt nur noch das schöne Wetter! Aber wer weiß, vll soll alles so sein, wie es ist. Viel Spaß euch noch!
LG Gabi