Gabi Reicherts Interview über Fotografie und Freilernen im SWR Kaffee oder Tee.
Beiträge
Die Autorität des Lehrers schadet oft denen, die lernen wollen.
Marcus Tullius Cicero
Man lernt nur von dem, den man liebt.
Johann Wolfgang von Goethe
Für mich gibt es wichtigeres im Leben als die Schule.
Mark Twain
Der Mensch soll lernen, nur die Ochsen büffeln.
Erich Kästner
Zum ersten Mal habe ich mit drei Freundinnen ein Buch zum Thema Freilernen herausgegeben. Unglaublich, wieviel Arbeit in so einem Buch steckt. Cool, dass man es heutzutage sogar über Skype und Zoho gemeinsam machen kann, obwohl mal hunderte Kilometer auseinander wohnt. Logischerweise kann ich dir das Buch sehr empfehlen. Vor allem, wenn du dich für das Freilernen interessierst.
So liest sich mein Vorwort im Buch:
Das nachhaltigste, müheloseste Lernen beobachtete ich bei meinen Kindern. Es passierte einfach, sie waren sich dessen nicht bewusst.
Sie paukten keine Vokabeln oder Grammatik! Sie saßen nicht mit Schulbüchern am Tisch. Sie reisten einfach mit uns durch Europa, und plötzlich verstanden und sprachen sie Englisch. Lernen ist inneres Wachsen.
Es liegt in der Natur des Menschen, zu lernen. Als Zündfunken braucht es nur Neugier und Interesse.
Deswegen ist es unmöglich, nicht zu lernen. Lernen ist die natürlichste Sache der Welt, wenn wir uns nicht einmischen!Als unsere Kinder mit der Schule immer unzufriedener wurden, wusste ich aus eigener Erfahrung, dass mehrere Wege zum Ziel führen. Damals in der Schule konnte ich auch nicht zeigen, was ich kann. Ich hatte später über den zweiten Bildungsweg das Abitur nachgeholt und einen exzellenten Abschluss hingelegt. Warum sollten wir also die Kinderjahre mit sinnlosem Büffeln verschwenden? Unsere Kinder sollten eine glückliche Kindheit voller unbändiger Neugier erleben können.
Vergleichen wir einmal die verschiedenen Bildungsmöglichkeiten mit einem Schuhladen: Wir haben unterschiedlich große, schmale oder breite Füße. Jeder kann sich die Schuhe heraussuchen, die bequem passen. Die Schuhe dürfen weder zu eng noch zu weit sein. In bequemen Schuhen laufen wir besser gelaunt weiter als mit nicht passenden Schuhen.
Mit dem Lernen verhält es sich ähnlich. Wäre der Schuhladen das Schulsystem, würde er nur wenige Schuhmodelle in den drei häufigsten Standardgrößen anbieten. Warum werden wir gezwungen, uns auf wenige Schuhgrößen/Schulformen zu beschränken, mit denen wir unter Umständen gar nicht zurechtkommen? Wie irrsinnig ist denn die Annahme, dass alle Menschen auf die gleiche Art und Weise lernen? Lernen ist ein individueller Prozess. Unser Schulsystem mit seinen limitierten Vorgaben und Regeln kann einfach nicht für jeden passen. Doch neu zu denken ist schwierig.
Neu zu denken ist schwierig. Die Meinung, Lernen sei nur in der Schule möglich, hält sich fest in der Gesellschaft.
Als wir uns für ein nomadisches Leben entschieden, wehte uns in unserem Umfeld harscher Gegenwind ins Gesicht. Freunde kritisierten uns heftig. Nur die wenigen gleichgesinnten Eltern verstanden uns, doch die mussten wir in Deutschland erst einmal finden.
In Freilerner-Gruppen im Internet und durch die Fernschule Clonlara lernte ich andere Vordenker kennen. Es war wie ein Nachhausekommen. Zuerst war da natürlich Karen damals bei Clonlara, die die ganze Familie betreute. Mit Heike führte ich zahlreiche mutmachende Gespräche am Telefon. Stefanie entdeckte ich über ihr Buch und ihre Webseite. Und schließlich kamen wir alle mit der Idee zu diesem Buch zusammen. In stundenlangen Skypekonferenzen überlegten wir uns Fragen, planten das Projekt und lektorierten gemeinsam die Texte. Wir haben viel gelacht, hart gearbeitet, manchmal auch geflucht und vor allem unglaublich viel gelernt!
Liebe Familien da draußen, wir wollen euch Mut machen, euren individuellen Weg zu gehen. Und wenn ihr im Schuhladen steht und euch kein Schuh passt, dann lauft eben barfuß.
Gabi Reichert
Das hier ist unsere Pressemeldung.
Freies Lernen ohne Schule – Erfahrungsberichte von Familien
Schule – ein Ort, an dem junge Menschen gerne lernen? Leider ist das heute für viele in Deutschland nicht die Realität. Angesichts der Mängel im staatlichen Schulsystem suchen immer mehr Familien nach Alternativen und weichen zunehmend auf private Schulen und Einrichtungen aus oder suchen ganz neue Wege. Das sogenannte Freie Lernen ohne Schule ist bereits in vielen europäischen Ländern eine gängige Praxis. In Deutschland – wo die Behörden diese Form des Lernens noch verbieten – wissen die wenigsten Eltern, was Freies Lernen bedeutet oder sie haben Vorurteile.
Das im tologo verlag erschienene Buch „Wir sind so frei – Freilerner-Familien stellen sich vor“ gibt Einblicke in das Leben ohne Schule aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Herausgeberinnen Karen Kern, Stefanie Mohsennia, Gabi Reichert und Heike Weimer haben Berichte von 29 Familien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengetragen, die ihre persönliche Geschichte über Erfahrungen mit Schulen, Ämtern und vor allem über die Entfaltung und Entwicklung ihrer frei lernenden Kinder erzählen. Die persönlichen Schilderungen zeigen eindrucksvoll auf, dass es den Freilernern nicht um eine Demontage der Regelschule geht, sondern um das Recht auf freies, den individuellen Bedürfnissen und Begabungen der Kinder angepasstes Lernen.
„Wir wünschen uns ein Recht auf selbstbestimmte Bildung anstelle des Schulzwangs“, sagt Heike Weimer, die selbst Mutter von inzwischen berufstätigen, frei lernenden Jugendlichen ist und fügt an: „In zahllosen Gesprächen mit Freilernern und deren Eltern wird immer wieder deutlich, dass die Vielfalt der Menschen eben auch einen unterschiedlichen Bildungsansatz verlangt. Wenn dieser Vielfalt im Bildungssystem Rechnung getragen würde, käme das nicht nur der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen zugute, sondern auch der Gesellschaft insgesamt und somit letztlich auch dem Arbeitsmarkt.“Das Buch macht nicht nur deutlich, welche Konsequenzen der herrschende Schulzwang für Kinder und ihre Familien haben kann und welche Hürden sie bewältigen müssen, wenn sie sich auf den Weg des Freien Lernens machen. Es zeigt durch die sehr persönlichen Darstellungen auch auf, dass Freies Lernen eine Bereicherung für alle sein kann. Damit ist das Buch von großem Interesse für Eltern, Jugendliche und Lehrer, sowie für alle, die nach neuen Denkansätzen in der Bildungsdebatte suchen.
Wie Du vielleicht gesehen hast, gab es letzte Woche ein Portrait über unsere Familie und das freie Lernen auf Spiegel Online. Die Journalistin Nike Laurenz nahm sich einen ganzen Tag Zeit um mit uns zu reden und schrieb dann über unseren Lebensstil und über Esras Abitur als Freilerner. Alles in allem ist es ein positiver Artikel, doch es gibt ein paar Sachen, die wir noch anmerken wollen.
Sind alle Teetrinker Kaffeeverweigerer?
Wir sehen uns selbst nicht als Schulverweigerer, sondern als Freilerner. Wobei uns der Begriff Freilerner auch nicht ganz passend erscheint. Es war nie so, dass die Kinder die Schule komplett verweigert hätten – sie war zwar ein relativ unangenehmer und unproduktiver Ort. Esra wäre sicher bis zum Abitur dort geblieben, wenn wir nicht vorher das Reisen und das Freilernen für uns entdeckt hätten. Noah allerdings war sehr unglücklich in der Schule.
Wir verweigerten trotzdem nichts, wir entschieden uns einfach für etwas anderes. Zudem liberalisierten wir uns als Eltern gleichzeitig indem wir uns trauten von einem gut bezahlten 9-to-5-Job in die Selbständigkeit zu gehen und dabei noch ortsunabhängig zu arbeiten!
Außerdem ist jemand, der lieber Tee trinkt statt Kaffee, ja auch kein Kaffeeverweigerer.
Die Schulpflicht in Deutschland
Was viele nicht wissen: Deutschland ist in Europa mit der Schulpflicht, als Schulanwesenheitspflicht nahezu alleine. Nur Schweden hat seit zwei Jahren ein ähnliches Gesetz auf die Beine gestellt. In allen übrigen Ländern herrscht stattdessen Bildungspflicht. Kinder und Jugendliche müssen zwar Bildung erlangen, doch den Weg dahin wählen sie weitgehend frei. Ein Blick über unsere Grenzen genügt, um zu erkennen, dass Kinder auch ohne obligatorischen Schulbesuch zu wohlgebildeten und ausgeglichene Menschen heranwachsen können, denn überall sonst funktioniert das System Bildungspflicht bereits hervorragend.
Wir haben die letzen Jahre als Autodidakten gelernt und waren viel mit unserem Wohnmobil unterwegs, deshalb habe ich uns scherzhaft als Womodidakten bezeichnet.
Wir finden den Titel des Spiegel-Online Artikels sehr bewertend
Nike Laurenz hat sich während unseres langen Interviews alle Mühe gegeben, einen sachlichen, neutralen Standpunkt zu vertreten und das ist ihr auch gelungen! Herzlichen Dank dafür!
Doch wir merkten auch, dass es schwierig ist, in Deutschland über das Freilernen zu berichten ohne das Thema Schulpflicht anzusprechen. In jedem anderen europäischen Land wäre es möglich gewesen über unser Leben und unsere Erfahrung mit dem Freilernen zu sprechen ohne das Thema Schule zu thematisieren.
Wir fanden die Richtung, die der Artikel nimmt, sehr gut, doch der Titel überraschte uns am Tag der Veröffentlichung schon sehr. Wir erkannten uns so überhaupt nicht in ihm wieder. Der Titel polarisiert und fordert Emotionen heraus.
Leute, die uns gut kennen, haben ungläubig bis entsetzt auf den Artikel reagiert, weil er nur eine Facette von uns zeigt. Leute, die uns weniger oder gar nicht kennen, fanden den Artikel hingegen gut.
Die Kommentare sind das eigentlich Interessante
Richtig lustig wird es erst bei den über 200 Kommentaren. Neben den üblichen Hassmails, Neidern, systemtreuen Betonköpfen, und den üblichen Versuchen, uns in die religiöse Sektenecke zu stecken, waren auch erstaunlich viele positive und verständnisvolle Kommentare dabei.
Schule oder Freilernen? Nein, beides!
Grundsätzlich ist uns aufgefallen, dass es ausschließlich um Schule ODER Freilernen ging. Kein einziges Mal wurde auch nur die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass beide Systeme koexistieren könnten. Quasi eine Liberalisierung des Schulwesens mit einer Auswahl an Lernmethoden als Chance.
Den zweiten Punkt haben wir schon erwähnt, er glänzt in den Kommentaren mit Abwesenheit: Fast überall in Europa und der Welt ist Heimunterricht und Freilernen eine legale Option. Generell sind die Erfahrungen mit dem schulfreien Lernen positiv, und irgendwie hat keins unserer Nachbarländer Angst, dass extremistische Eltern das Homeschooling ausnutzen, um ihren Nachwuchs zu indoktrinieren.
Was als Artikel über Esras Weg zum Abitur als Freilerner begonnen hat, ist irgendwie zu einem Politikum herangewachsen. Wir wünschen uns darum nichts mehr, als dass jetzt wenigstens eine offene und sachliche Diskussion über dieses Thema beginnt, um dem Freilernen in Deutschland die Illegalität zu nehmen, und um unseren Kindern eine freiere Wahl des Bildungsweges und mehr Freude am Lernen zu ermöglichen.
Reaktionen auf den Artikel
Die Reaktionen außerhalb des Spiegel Forums waren unglaublich: das Telefon stand nicht still an diesem Tag. Wir bekamen Anfragen fürs Fernsehen, Radio und Zeitungen. Einige Anfragen sagten wir ab, anderen sagten wir zu. Wir werden hier im Blog über die Berichte informieren!
Dienstag den 3.3. 2015 in Sat 1 – Frühstücksfernsehen!
Heute abend um 18:45-19:30 Uhr redet Esra über seine Erfahrung zum Abi ohne Schule in der Landesschau beim SWR, Rheinland Pfalz!
Ein herzliches Dankeschön an das Team beim SWR! Das hat uns Spaß gemacht!