Lärm im Meer – ein Zodiac-Trip mit Heike Vester von Ocean Sounds
Von Esra
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Als wir Anfang dieser Woche bei Heike waren erzählte sie uns, dass sie später am Tag noch auf den Fjord rausfahren würde, um mit ihrem Hydrophon nach Walen und anderem zu horchen und um das Boot wieder vollzutanken. Da könne auch gern jemand mitfahren, fügte sie hinzu, um ihr vielleicht bei der einen oder anderen Sache als Assistent zu dienen. So eine Chance konnte ich mir selbstverständlich nicht entgehen lassen, und ich war schon am Schnürsenkelverknoten, da hatte sie den Satz noch kaum zu Ende gesprochen.
Es dauerte nicht lange bis wir aus dem Hafen von Henningsvaer raus waren, auf dem spiegelglatten, klaren Wasser des Westfjords. Es regte sich kein Lüftchen und die Sonne knallte, wie sie es sonst nur im Juli zu tun pflegt. Die Berglandschaft am Horizont sah einfach umwerfend aus, und es war ein richtiges Vergnügen, sich einfach nur die Umgebung anzuschauen – was aber nicht unbedingt das war, weswegen wir gekommen waren.
Als erstes stand nämlich nicht Landschaft-Anstarren, sondern Unterwasserwelt-Abhorchen auf dem Plan. Vielleicht sollte ich hier etwas ins Detail gehen: Unter Wasser bewegen sich Schallwellen etwa fünfmal schneller fort als in unserer wohlbekannten Atmosphäre, und sie kommen auch ein ganzes Stück weiter, ohne einen Großteil ihres anfänglichen Volumens einzubüßen. Prima Voraussetzungen also für alle möglichen Arten von Meeressäugern, sich zu verständigen. Manche Wale können sich über ungeheure Distanzen hinweg „unterhalten“, indem sie verschiedenste Quietsch- und Klick-Geräusche von sich geben, die dann irgendwann fast am anderen Ende des Ozeans ankommen; Pottwale nutzen Echolokation, um in mehreren tausend Metern Tiefe ihre Orientierung nicht zu verlieren.
Dumm ist halt nur, dass nicht nur Walgespräche als Schallwellen unter der Meeresoberfläche unterwegs sind, sondern halt auch aller möglicher Lärm, der von Booten, Ölbohrinseln und anderen menschengemachten Gebilden herrührt. Und da die meisten Wale und Delfine über ein äußerst sensibles Gehör verfügen, ist es für sie zuweilen regelrechte Folter, wenn irgendwo in der Nähe ein laut rumpelnder Schiffsdiesel herumtuckert und jegliche Kommunikation unmöglich macht.
Wo man nun aber ein großes Schiff noch als schwere Lärmbelästigung abtun kann, sieht es mit den seismischen Messungen, die die Ölindustrie zur Erschnüffelung von neuen Ölquellen nutzt, und zwar ohne jede Rücksicht auf Verluste, ganz anders aus. In zehnsekündigen Intervallen verursachen sie ohrenbetäubende Explosionen, um durch das Echo über die Beschaffenheit des Meeresbodens schlau zu werden. Diese Explosionen sind auch noch in 1.000 Kilometern Entfernung zu hören, und jeder Fisch, der das Pech hat sich in relativer Nähe zum Schnüffelschiff aufzuhalten, hat ordentlich die Arschkarte gezogen. Der schwimmt dann nur noch aufwärts, und zwar mit dem Bauch nach oben.
Heike erklärte mir, dass die seismischen Messungen den kompletten Sommer über von morgens bis abends betrieben wurden, und nicht mal Sonntags haben sie Ruhe gegeben. Höchstens wenn es mal ein technisches Problem gab war kurz Pause, es dauerte aber nie lange, bis es wieder funktionierte. Einmal als es anfing, so erzählte sie, beobachtete sie gerade eine Gruppe Delfine, die vergnügt um ihr Schlauchboot kreiste und scheinbar in guter Stimmung waren. Auf einmal, wie auf ein Kommando, traten sie den Rückzug an und verschwanden wie vom Teufel gejagt in den nächsten Fjord. Sie hing ihr Hydrophon in die Wellen, um so der Sache auf den Grund zu gehen, und siehe da: man hatte gerade wieder angefangen zu messen.
Zurück zu unserer Tour: Heike wollte nachschauen, ob die Messungen immer noch am Laufen waren, also versenkten wir das Hydrophon. Zu ihrer freudigen Überraschung waren keine Explosionen zu vernehmen, und man konnte annehmen, dass damit nun für diesen Sommer mal genug war! Besonders leise war es natürlich trotzdem nicht im Westfjord, es klang eher wie in einer Fabrikhalle; „Siehst du das Schiff da hinten am Horizont?“, fragte sie. Ich kniff die Augen zusammen und machte in weiter Ferne, an der Grenze zwischen Wasser und Himmel, einen weißen Punkt aus. „Da kommt der Lärm her, den wir hier hören“.
Wir fuhren etwas weiter und wiederholten die Prozedur mit dem Unterwassermikrofon, diesmal war es still, das Schiff hatte also angelegt. Zu vernehmen war allerdings immer noch nichts, nur die kleinen Wellen, die an unser Boot plätscherten. Dass wir keine Delfingespräche abhören konnten musste aber nicht zwingend bedeuten, dass an dem Tag nicht doch der eine oder andere Wal unterwegs war; Schweinswale zum Beispiel machen nämlich gar keinen großen Lärm. Das hat auch seinen guten Grund, sie wollen nämlich nicht den hellhörigen Orcas als Mittagessen dienen und halten deshalb besser still.
Und wie es der Zufall wollte, bekamen wir sogar ein paar dieser Einzelgänger zu Gesicht. In relativer Entfernung zwar, da die Tiere sehr scheu sind, und besonders viel gemacht haben sie auch leider nicht, aber immerhin. Es schien sich um eine Mutter mit zwei Kleinen zu handeln; wobei, die Mutter selbst war auch ziemlich klein. Schweinswale werden nur etwa 1.30m lang. Irgendwann gingen sie weiter ihres Weges, und wir taten es ihnen gleich. Noch einmal musste das Hydrophon baden gehen, diesmal ging es wieder ordentlich ab unter Wasser. Es klang in etwas so, als wolle ein Düsenjet in einer großen Höhle starten, jedenfalls heulte und jaulte und kreischte es, dass sich einem die Fußnägel zusammenrollten. Das wäre die neue Personenfähre, die da so einen Lärm veranstaltete, erklärte mir Heike. In diese hatte man ein Paar neuer Turbinen zur schnelleren Fortbewegung eingebaut, daher das Geheule.
Schnelle Fortbewegung stand jetzt auch bei uns auf dem Plan – wir mussten in Svolvaer noch auftanken. Heike gab mir das Steuer, zusammen mit einer Schlauchbootfahrstunde. Hinter mir brummten und krachten 250 Pferdestärken, was für ein Wasserfahrzeug unserer Gewichtsklasse mehr als ausreichend war. Ich musste den Gashebel nur leicht antippen, und die Nase des Bootes hob sich aus dem Wasser. Das erste, was ich nach dem Gasgeben lernte, war das Bremsen – dabei ist nämlich eine gewisse Vorsicht geboten, denn wenn man zu abrupt anhält, wird man von der recht voluminösen Heckwelle eingeholt; dann steht das ganze Boot unter Wasser. Ich hatte den Dreh allerdings recht schnell raus, und wir sanken zum Glück nicht.
Heike navigierte mich nach Svolvaer, und wieder sog ich die atemberaubende Landschaft in mich hinein. Das Wetter war wie aus einem Bilderbuch herauskopiert, am Himmel lungerte kaum eine Wolke herum. Wir tankten auf, während ein paar Entchen im Hafenwasser herumschwammen, und fuhren dann wieder zurück nach Henningsvaer. Auf dem Weg hielten wir kurz, um mit der GoPro im klaren, relativ flachen Wasser Filmaufnahmen zu machen (die sich später allerdings leider als wenig spektakulär herausstellten).
Später am Tag, als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten, kam uns dann der Fuchs besuchen, aber das hatten wir ja schon hier im Blog…
Ps: irgendwie dumm, dass ich außer dem einen da oben keine Bilder gemacht habe, ich hatte meistens beide Hände voll zu tun…
Nicht „Verdammt sei die Ölindustrie.“? Och man, da hab ich mir solche Mühe gegeben! Wie gut das ich mich nie unter Wasser verständigen muss! :D
So, bin wieder zurück und darf nun alle Beiträge auf einmal lesen….:)
War auch gleich ganz fasziniert von Deinem Bericht, Esra !
Öhm, mal sehen was das bedeuted… „Hilfe! Seetang, gelber Hering, meine Rückenflosse tut weh“
:P
oh je Oda, ich füchte du hast den Dreh noch nicht so ganz raus…. haha
Toll ge- und beschriebener Beitrag, danke Esra!
Quiiiiitsch…Klick Klick Kliiick…Quitsch…Klick Quitsch…Kliick
Was spreche ich da?
Verdammt sei die Ölindustrie.
Hi Claudia,
bei uns daheim nervt der Fluglärm ganz gewaltig. Den Walen geht es da genauso. Das ist schon heftig!
Und gut, dass Heike es beobachtet und darüber berichtet. Für Esra war diese Tour, mal ganz allein, auch sehr lehrreich.
liebe Grüße
Gabi
Toll ge- und beschrieben, da brauchts gar nicht viele Fotos. Den Lärm kann man sich sehr gut vorstellen. Kaum zu glauben was die Meeresbewohner so aushalten müssen. Wir hatten im Büro letztens Bauarbeiten und nach ein paar Stunden war ich kurz vorm Durchdrehen. Ich bin an dem Tag dann früher nach Hause gekommen, aber die Meeresbewohner können ja nicht weg. Die Armen!