Obidos, Portugal – Innerhalb der Stadtmauer, außerhalb der Komfortzone
Außerhalb der Komfortzone, innerhalb der Stadtmauer von Obidos
Unter der strahlenden Morgensonne brechen wir von der Peniche-Halbinsel auf und lenken unser Wohnmobil Richtung Norden nach Nazaré. Auf der A8 erreichen wir schnell die Abfahrt nach Óbidos, einem mittelalterlichen Kleinod, welches von diversen Reiseführern als unbedingt sehenswert eingestuft wird.

Die Burg – Castelo de Obidos
Nach unseren stressigen Erfahrungen mit der Stadtbesichtigung in Sintra sind wir uns unsicher, ob wir uns das nochmal antun sollen. Aber das Städtchen ist relativ klein, und am Ortsrand finden wir problemlos den großzügig bemessenen, tagsüber kostenlosen Wohnmobil-Stellplatz. Wenn das nur öfters mal so perfekt passen würde.
Ich tue mich öfters schwer damit, portugiesische Ortsnahmen einzuprägen, vor allem, weil wir ja andauernd uns neue Orte besuchen. Óbidos definiere ich einfach als »Veraltetes Baumarkt-Betriebssystem« und habe danach keine Probleme mehr, mich an den Ortsnamen zu erinnern.
Unser Wohnmobil auf dem Stellplatz in Óbidos

Mit dem Aquädukt wurde Óbidos früher mit Wasser versorgt
Ein echter Flohmarkt
Im Schatten des 1570 erbauten Äquadukts nähern wir uns Óbidos. Am Zufahrtsweg warten Pferdekutschen auf lauffaule Besucher.
Bevor wir aber den Ort durch die mittelalterliche Pforte betreten, weckt der sonntägliche Flohmarkt unsere Neugier. Es werden so gut wie keine Neuwaren angeboten, ich habe den Eindruck, dass hier die Inhalte aller Keller, Dachböden und Scheunen der Umgebung herangekarrt wurden. Zwischen rostbefallenem Werkzeug, Fotoknipsen aus den Sechzigern und Siebzigern, Schallplatten, Spielzeug, Unmengen von Geschirr und gebrauchter Kleidung würden Sammler bestimmt das ein oder andere interessante Stück finden. Die portugiesischen Anbieter handeln aber schlimmer als ein Scherenschleifer.
Wir sind leicht als Touristen erkennbar, vor allem, weil wir auf englisch handeln und somit willkommenes Ziel für überzogene Preise sind. Wir nehmen zwei Weingläser aus Kristallglas mit, müssen dafür mit Händen und Füßen kräftig handeln, um nicht über den Tisch gezogen zu werden.
Wehrgang auf der Stadtmauer
Blick von der Stadtmauer
EIn portugiesischer Kaffee im Schokowaffel-Becher, sehr umweltfreundlich
Auf der Mauer…
Nach diesem durchaus erfrischenden Intermezzo steuern wir auf das mächtige Portal zu, dem Haupteingang der vollständig von einer 500 Jahre alten Stadtmauer umgebenen Stadt.
Als wir aus dem Schatten des Portals wieder in den strahlenden Sonnenschein treten, begrüßt uns ein Heer von roten Ziegeldächern, weißen Häusern und blumengeschmückten Straßen. An der Seite führen Rampen und schwindelerregend steile Treppen hoch zum Wehrturm und auf die begehbare Stadtmauer. Der Rundgang auf der Mauer ist frei, aber Gabi fühlt sich sichtlich unwohl auf der völlig ungesicherten Klettertour. Das Hauptproblem ist an diesem Tag der böig, stürmische Wind. Im Prinzip werden wir uns in den nächsten zwei, drei Stunden außerhalb unserer Komfortzonse bewegen. Sehr erfrischend ist das immerhin. Die Mühe der recht langen Wanderung auf der Stadtmauer lohnt sich. Von oben wirkt Óbidos wie ein Schmuckstück in einer Schatulle. Umgeben von einer hügeligen Landschaft, ist in der Ferne ein Schloss zu sehen, und über uns schweben weiße Wolkenbäusche im kräftigen Himmelsblau.
Wir gehen vorsichtig weiter auf dem Wehrgang der Stadtmauer, der komplett um den Ort herumführt. Der Weg ist ganz schön holprig und auf der Außenseite durch die Wehrmauer begrenzt. Nach innen gibt es kein Geländer nur etliche Meter tiefer liegenden Grund und Häuserdächer. Lustig wird es immer, wenn uns Leute auf dem schmalen Mauergrat entgegenkommen. Einer muss dann auf die Innenseite ausweichen, wo eine kurze Unachtsamkeit oder ein unbedachter Schubser ausreichen würde, sich alle Knochen zu brechen. Wer hat wohl weniger Angst und weicht aus? Meist waren es nicht die anderen.
Steile Treppen ohne Geländer verlangen Überwindung
Das Spiel von Licht und Schatten über den Dächern und den ziehenden Wolken lässt Òbidos in sich dauernd verändernder Schönheit erstrahlen. Wir sind so intensiv am Fotografieren, dass die Enge des Wehrgangs mit der Zeit in Vergessenheit gerät.
An der 800 Jahre alten Burg am entgegengesetzten Ortsrand steigen wir von der Stadtmauer herunter und begeben uns in die schmalen, gepflasterten Gassen. Da es Sonntag ist, wimmelt es nur so von Besuchern. Trotzdem ist die Atmosphäre entspannter als in Sintra. Òbidos hat viel getan, seinen mittelalterlichen Flair zu konservieren und alles wirkt harmonisch und authentisch.
Auf den Wehrzinnen des Stadtportals
Blick über Óbidos zur Burg
Die Dächer von Óbidos von der Stadtmauer aus gesehen
Der Stadtbummel durch die sauberen, blumengeschmückten Gassen, vorbei an liebevoll geschmückten Geschäften und Häusern hat etwas entspanntes. So als würden wir durch ein lebendiges Museum wandeln.
Nach ein paar Stunden der Lauferei melden sich Durst und Hunger, die wir in einem Restaurant erfolgreich mit Pizza und Bier bekämpfen. Auf dem Rückweg kommen wir wieder an den Pferdekutschern vorbei, die jetzt gemütlich miteinander Plaudern. Der Haupttouristenstrom ist jetzt vorbei und wir brechen zu unserem nächsten Ziel auf.
Irgendwo blüht und grünt es immer in den Gassen
Typische weiß-gelb-blaue Häuserbemalung
Blumengeschmückte Stadtterrasse
Steile Gasse in Óbidos
EIn kühles Blondes zur Erfrischung
Nazaré – wo es die höchsten surfbaren Wellen gibt
Nazaré steht vor allem wegen der mächtigen Surf- Wellen auf unserem Reiseplan. Wellen sind nun mal fotografisch unser Thema. Und Surfspots eigen sich auch für unseren »Sport« optimal. Nördlich der Stadt Nazaré bilden sich vor allem durch einen auf die Küste zulaufenden 230 Kilometer langen und bis 5000 Meter tiefen Canyon unglaublich große Wellen. Das Wetter muss natürlich auch noch passen. Im Jahr 2011 gelang es dem Amerikaner Garrett McNamara die bis dahin größte Welle zu surfen. Stolze 23 Meter hoch hob sich die Rekordwelle aus dem Meer. Wir ahnen schon, dass die Bedingungen an diesem Frühsommernachmittag nicht für gigantische Wellen passen. Da muss man schon im Winter nach Portugal reisen.
Fort São Miguel Acanjo vom Praia do Norte
Farol de Nazaré im Fort São Miguel Acanjo
Wir tun uns schwer, uns mit unserem Mobil durch die engen und steilen Gassen zu zwängen. Oben auf der Höhe angekommen halten uns Wohnmobilparkverbotsschilder davon ab, in der Nähe der Stadt zu parken. Irgendwo hier muss doch ein Stellplatz sein. Wir parken am Straßenrand hinter der Stadt und wollen gerade zurück nach Nazaré laufen. Da kommt uns ein hilfsbereiter deutscher Radfahrer entgegen, mit einem wertvollen Tipp. Weiter unten am Strand könne man gut parken und nicht weit davon entfernt auch die großen Wellen sehen.
Wunderbar, dann nichts wie hin. Viel Platz zum Parken gibt es an diesem weltberühmten Strand nicht, aber wir quetschen unser Wohnmobil in eine Parklücke und wandern los. Das Meer strahlt uns hier nicht blau, sondern mehr braun entgegen. Wellen gibt es ebenfalls, nur keine wirklich hohen, obwohl der Wind immer noch kräftig bläst. Trotzdem spüren wir die Gewalt von hunderten Tonnen Wasser, die mit gnadenloser Wucht auf den Strand knallen. Das hat gar nichts Verspieltes an sich. Ich stelle mir vor, wie es hier bei Sturm aussehen muss, und mein Respekt vor dem Mut der Surfer wächst noch ein gutes Stück.
„Ruhiges Meer“ in Nazaré
Springende Welle vor Nazare – man kann erkennen, dass mit diesen Wellen nicht zu spaßen ist, oder?
Hier sind auch die kleineren Wellen schon mächtig
Wir laufen mit den Teleobjektiven bewaffnet, drei Kilometer in die eine Richtung und dann wieder zurück. Im weichen Sand werden uns die Beine gewaltig müde.
Der Tag ist für uns damit noch nicht zu Ende. Wir fahren am Spätnachmittag weiter, auf der Suche nach dem nächsten Stellplatz. Ursprünglich wollten wir ein paar Tage in Nazaré bleiben. Doch ohne Stellplatz, der Strandparkplatz war nicht fürs Übernachten gedacht, die Campingplätze zu weit von der Stadt weg, fahren wir lieber noch ein Stück weiter. Wir haben aber diese Etappe noch nicht konkret geplant, nur an der Küste entlang Richtung Norden. So nehmen wir einfach den nächsten Stellplatz in unserer Liste.
Die Landstraße führt uns nach Sao Pedro de Moel. Da meldet sich unsere Navigateuse und schlägt vor, wir sollen in die Avenue do Farol einbiegen. Farol?! Wie cool – mit einem Leuchtturm hatten wir an diesem Abend gar nicht mehr gerechnet. Erleichtert schauen wir uns grinsend an. Das mehr zufällige Herumgegurke hat uns direkt zu dem wunderschönen Leuchtturm geführt. Und wie genial, hier knallen die Wellen donnernd an die Küstenklippen und schlagen sogar Schaum. Dazu bekommen wir an diesem Abend noch super nette Wohnmobilnachbarn und dieser Tag findet seinen perfekten Abschluss.
Ich laufe natürlich direkt mit der Kamera los, auch wenn die Füße schwer sind und mein heutiges Laufpensum weit überschritten ist. Man weiß ja nie, ob das Licht und die Brandung anhält. Aber darüber mehr im nächsten Blogbeitrag.
Farol Penedo da Saudade
Nur Erwartungen können enttäuscht werden
Dieser Tag hat uns wieder einmal gezeigt, dass die eher zufällig gefundenen Locations oft die besten sind. Óbidos und der Farol Penedo da Saudade standen nämlich nicht auf unserer Wunschreiseliste. Nazaré dagegen hat auf uns den Eindruck gemacht, als würde die Stadt gerne auf Wohnmobilisten verzichten. Schade eigentlich, aber wir hatten auch keine Lust, ewig auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz herumzufahren und in einer engen Gasse steckenzubleiben. So, wie der Tag letztendlich gelaufen ist, war es genial. Und es zeigte sich wieder, dass letztlich nur Erwartungen enttäuscht werden können.
Kirchenvorplatz in Óbidos
Roadtrip Atlantikküste Spanien, Portugal, Frankreich
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Hallo Dieter,
danke für den Hinweis, wir werden sofort korrigierend einschreiten.
Liebe Reicherts,
immer wieder spannend Eure Reiseberichte zu lesen und die schönen Fotos zu sehen.
Nur eine große Bitte und das sage ich jetzt als Fotograf (Fuji X-T1 seit 3 Jahren, weg von der EOS 1, 5.. und nie bereut: Achtet darauf, dass der Meereshorizont gerade verläuft. Sonst sieht es so aus, als würde das Meer zur einen Seite auslaufen.
Aufgefallen ist mir noch das Äquadukt, das eigentlich ein Aquädukt ist. Es heisst ja auch Aqua minerale. Ein Gruß an meinen Lehrer und heutigen Schulleiter, Herbert Bläsi, der diesen Tipp künftig ebenfalls berücksichtigen möchte, wie er 1994 mir sagte.
Herzliche Grüße Euer Fan
Dieter
Der wohl beeindruckendste Mensch, den ich auf Reisen je kennenlernen durfte, war – neben einigen anderen umliegenden Gemeinden und einem Gefängnis – auch Priester in Obidos. Santuario do Senhor Jesus da Pedra – so der beeindruckende Name des Gotteshauses, das jedoch damals schon in einem bedauernswerten Zustand war. Mehr als 20 Jahre ist das jetzt schon her. Obidos hat uns damals sehr gefallen. Schön, durch eure Bilder mal wieder einen Blick drauf werfen zu können… :-)
Liebe Grüße
Jürgen
Hallo Ihr Lieben,
grandiose Fotos eines erlebnisreichen Tages. Ich bin immer wieder froh, dass ihr uns an euren Erlebnissen teilhaben lasst.
Die Erfahrung, dass die wunderbaren kleinen und großen Erlebnisse auf mich zukommen, wenn ich bereit bin und meine Augen öffne, habe ich auch schon erlebt. Erwartungsfreiheit befreit tatsächlich.
Liebe Grüße
Michaela
Hallo ihr Lieben,
die schönen sommerlichen Bilder tun direkt gut, bei dem Schietwetter da draußen.
Der Weg über die Stadtmauer hat sich rentiert.
Bei DEN Wellen konntet ihr bestimmt schwer aufhören, zu fotografieren ;-)
Da hat ihr ein sehr schönes Übernachtungsplätzchen am Leuchtturm entdeckt. Dazu noch nette Nachbarn, was will man mehr?
Liebe Grüße
Ursula