Für den Nachmittag beschließen wir, dem Städtchen Guilvinec noch eine Chance zu geben. Dieses Mal fahren wir von vornherein die richtige Flussseite an. Und siehe da, es ist heute überhaupt kein Problem, auf die beiden Stellplätze des Ortes zu kommen. Seit Wochen sind wir immer das einzige ausländische Wohnmobil auf den Plätzen. Diesmal landen wir mitten in einer Wohnmobilreisegruppe, die heute abend ihren Abschied feiert. Draußen steht vor den Mobilen ein langer Tisch mit allerlei alkoholischen Getränken und nach kurzer Zeit sitzen sicher 30 Leute lachend zusammen. Wir kommen ins Gespräch. Ob es zu laut sei, werden wir gefragt? Ach was, für uns fängt der Abend ja erst an. Das Licht wird fantastisch, wir ziehen mit Kamerarucksäcken und Stativen los in den Hafen und sind stundenlang glückselig in die Arbeit vertieft. Erst als es bereits dunkel ist, kehren wir zum Mobil zurück. Da ist auch der Tisch wieder eingepackt und alles ist ruhig.
Doch warum fasziniert uns Guilvinec so sehr?
Guilvinec ist eines der Fischereizentren der Bretagne, also liegen nicht nur Privatboote und Yachten im Hafen, sondern auch eine ordentliche Zahl kommerzieller Fischerboote. Zusammen mit den ehrwürdigen Gebäuden der Hafenfront kommt der Ort authentisch und malerisch rüber. Ja und für uns passt das Licht perfekt. Außerdem gibt es auf jeder Seite des langen Hafens einen Leuchtturm und da die Flut zum Sonnenuntergang hoch ist, knallen sogar ein paar Wellen an die Hafenmauern.
Guilvinec
Die Leuchttürme von Guilvinec
Abendlicht in Guilvinec
Klick dich bitte unbedingt durch die Fotos durch. In Groß wirken die viel schöner.
Der Schiffsfriedhof von Guilvinec
Der folgende Morgen versucht uns mit einer geschlossenen Wolkendecke zu enttäuschen. Das klappt aber nicht, denn auch wenn der Himmel eher langweilig grau ist, regnet es nicht. Das Wetter und der Gezeitenstand sind geradezu ideal, um die den Dinosaurierskeletten ähnlichen Schiffswracks im Hafen zu fotografieren.
Durch stachliges Gestrüpp, über algenbehangene Steine und durch rutschigen Schlick nähern wir uns mühsam den verrottenden Bootskadavern. Immer mit der Angst auszurutschen und sich das Bein zu verdrehen. Oder ganz im Schlick stecken zu bleiben. Wie in einer Meditation bewegen wir uns ganz bewusst Schritt für Schritt vorwärts. Testen jeden Tritt, bevor wir weiter gehen. Überall liegen Holzboote in allen Stadien des Zerfalls herum. Vorsichtig nähern wir uns den Booten, um ein paar schöne Ansichten einzufangen. Alles geht gut.
Meerohren
Von oben herab schauen wir auf Wracks, die von Hecken überwuchert sind, da sehe ich im Matsch das Perlmutt einer Abalone, eins Meerohrs, aufblitzen. Erstaunt sehe ich, dass da ganz viele Meerohren, meine Lieblingsschnecken, liegen. Nun, dafür lohnt sich meiner Meinung nach noch eine Kletteraktion. Ganz behutsam klettere ich über die riesigen Felsen am Uferrand. Gunter fischt aus einem Müllcontainer einen Eimer heraus, sonst hätte ich meinen Schatz gar nicht transportieren können. An einem Bootssteg im Hafen von Guilvinec reinige ich die Schalen gründlich von Sand und Schlick und zähle nach. 42 Meerohren sind es. So viele habe ich noch NIE auf einmal gefunden. Was für ein Glücksgefühl!
Guilvinec hat sich uns auf dem zweiten Besuch komplett anders gezeigt als am Abend zuvor. Waren wir am Vortag noch durch die undurchsichtige Verkehrsführung frustriert, hat sich Guilvinec heute mit uns versöhnt und von seiner allerbesten Schokoladenseite gezeigt. Auch wenn der Ort ein Tourist Office und zwei Stellplätze hat, wirkt er erstaunlich untouristisch. Wenigstens aktuell in der Vorsaison.