Auswanderer kennenlernen – Ein Besuch bei Harald in Lanvellec
Von der Cote de Granit Rose hatte ich einige Fotos in einer deutschen Facebook-Gruppe gepostet. Daraufhin meldet sich Harald, ein ausgewanderter Schornsteinfegermeister im Ruhenstand bei uns. Er verbringt neun Zehntel seiner Zeit in Lanvellec. Wir sind wie immer neugierig und möchten uns gerne mit Leuten, die hierher gezogen sind austauschen.
Seine Einladung, bei ihm vorbeizuschauen nehmen wir daher dankend an und fahren einige Tage darauf weg von der Küste ein Stück ins Landesinnere. In Lanvellec bei Harald angekommen werden wir herzlich begrüßt, und nach ein, zwei Tassen Kaffee karrt uns Harald mit seinem Golf durch die Umgebung von Lanvellec.
Was für eine Freude, wir werden gefahren, und nicht mit so einer großen Kiste, wie es unser Wohnmobil nun mal ist. So ein kompakter PKW ist ideal für die engen Gassen, Wege und baumbewachsenen Straßen.
Harald kennt sich hier gut aus. Seit mehr als 20 Jahren kommt er immer wieder in diese Region. Das gemietete Haus hat er eigenhändig renoviert und den Garten schön und ordentlilch angelegt. Er meint, selbst nach so langer Zeit gibt es in der Region immer noch viel zu entdecken.
Mit dem Auto abseits der Küste
Das Hinterland der Baie de Lannion ist jetzt nicht unbedingt der angesagteste Touristenmagnet. Wir wollen das Schloss Rosanbo anschauen, es hat leider seine Pforten schon geschlossen. Allerdings fasziniert uns der alte Taubenturm, der nicht weit davon auf einer Wiese steht. Den können wir sogar innen besichtigen. Was muss da früher für ein Leben geherrscht haben? Der Taubenturm war so etwas wie eine Postzentrale, nur mit Brieftauben. Kommunikation über größere Distanzen war damals wesentlich komplizierter und langwieriger. Ja, ich hab mein Smartphone in der Hosentasche und kann jederzeit mit Leuten aus der ganzen Welt reden oder schreiben. Vor nicht allzulanger Zeit, schickte man dafür Brieftauben los. Die wahrscheinlich nicht alle sicher ankamen. Jedenfalls hatten wir sogar bei geschlossenem Schloß unsere Freude an den Bäumen, der kleinen Straße und diesem Taubenhaus.
Galerie zum Schloß Rosanbo
Weiter fahren wir über klitzekleine Landstraßen zu einer alten Kapelle und einer Dorfkirche. Gunter und ich fotografieren auch hier und wir genießen die Ruhe auf dem Land.
Die Tour schließen wir im Licht der tiefstehenden Sonne an der Lieue de Greve ab. An der Westseite des Strandes stehen einige Villen, die aus den Steinen von ehemaligen Kirchen erbaut worden sind, die der Revolution zum Opfer gefallen waren. Die findet Harald sehr sehenswert. Und das sind die auch. Man sollte mehr Architektur so liebevoll gestalten.
Am Strand angekommen, freue ich mich natürlich endlich – nach mindestens vier Stunden Entzug – das Meer wieder zu sehen. Unvermutet zieht plötzlich Meeresnebel vom Wasser her über das Land. Das sieht super aus, ist aber arschkalt. Wir sind froh, einen Pullover mitgenommen zu haben.
Wieder einmal zeigt sich, dass jede Region mehr zu bieten hat, als oberflächlich zu sehen ist. Man muss nur etwas Zeit mitbringen, Einheimische fragen und sich gut umschauen.
Flammkuchen en masse – die Küche als Sehenswürdigkeit!
Nach dem Ausflug sitzen wir gemütlich in Haralds Wohnzimmer und plaudern, während sein Rasenroboter fleißig kreuz und quer über das ausgedehnte Grundstück wieselt. Einen Busch fährt der Roboter dauernd an, mit dem hat er es wohl nicht so.
Haralds Küche ist ein Erlebnis. Erstens sieht es sehr organisiert aus. Und dann hat Harald für jeden kulinarischen Genuß ein spezielles Küchengerät. Wir sind ja seit Wochen im engen Wohnmobil ohne jeglichen Komfort unterwegs – da geht Haralds Küche bei uns als Sehenswürdigkeit durch!
Wir lernen uns irgendwie schnell kennen und lachen den ganzen Abend. Was für ein Spaß.
Harald kocht für sein Leben gern. Zum Abendessen kredenzt Harald uns diverse Vorspeisen und so viel selbst kreierten Flammkuchen, bis wir fast platzen. Den Nachtisch steht vergessen im Kühlschrank, den hätten wir auch nicht mehr geschafft. Wir sind aber auch sowas von satt. Bei Sekt und Wein lassen wir den Abend fröhlich ausklingen. Haralds Angebot, im Gästezimmer zu nächtigen, nehmen wir dankend an. Das machen wir sonst eher nicht, weil wir ja das Mobil vor der Tür stehen haben. Aber, es ist früh im Jahr und feuchtkalt im Mobil und wir haben nach den vielen alkoholischen Getränken nicht ausreichend Energie, uns gegen den freundlichen Gastgeber zur Wehr zu setzen. Das ist auch gut so. Die Nacht ist super gemütlich und mollig warm und die Dusche am nächsten Tag tut auch sehr gut. Auf den Campingplätzen sind die Duschkabinen immer so zugig, dass wir das Duschen bereits in Rekordgeschwindigkeit absolvieren können. Bei Harald können wir uns beim Anziehen ohne Gänsehauteffekt mehr Zeit lassen.
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns nach dem Frühstück und ziehen weiter. Der Aufenthalt in Lanvellec hat uns gut getan, das war mal etwas ganz anderes als das enge Wohnmobil, und Harald ist ein wirklich lieber Mensch. Vielen Dank für deine Gastfreundlichkeit, Harald.