Hilfe – wo ist unsere Reiseroutine?
Irgendwie sind diesmal die Vorbereitungen auf die Reise noch anstrengender als sonst. Wir waren zu lange daheim gewesen und die Reiseroutine lag in gefühlt weiter Vergangenheit. Außerdem merken wir plötzlich, dass daheim noch viele Dinge erledigt werden müssen, die keinen so langen Aufschub dulden. Das bringt die Hektik ins Spiel. Aber wir schaffen das schon, wieder ins Reisen rein zu kommen.
In der Coronazeit fotografierte ich jeden Tag daheim in der Umgebung. Das verändert auch meine Herangehensweise an die Fotografie auf Reisen.
LAAAAANGSAM Reisen – und noch ein paar Tage innehalten!
Wenn ich daheim nach fast 30 Jahren noch Stellen finde, die ich nicht kannte, wie kann ich dann je an einem besuchten Ort „fertig“ werden? Beim schnellen von Ort zu Ort Reisen, wie wir es früher getan hatten, kann man noch nicht mal an der Oberfläche kratzen.
Wir wollen diesmal sowieso langsam reisen. Also lassen wir uns auf die besuchten Orte ein und bekommen wenigstens einen etwas tieferen Einblick. Unsere Reiseerfahrung hat auch gezeigt, dass es viele Orte gibt, die sich anfangs etwas störrisch gegen eine Entdeckung sträuben. Nach zwei bis drei Tagen haben wir uns dann irgendwie eingelebt und fangen an, immer mehr schöne Ecken und Details zu finden.
Wir starten also Richtung Normandie, damit wir möglichst schnell am Meer ankommen würden. Eine Zwischenübernachtung legen wir kurz hinter Reims in Corbeny ein. Sie ist nötig, weil wir wieder einmal später als geplant losgefahren sind. Der Wohnmobil-Stellplatz in Corbeny liegt in wunderbar ruhiger, idyllischer Lage an einem kleinen See.
Am nächsten Tag erreichen wir Dieppe. Vor drei Jahren hatte es uns dort bereits sehr gut gefallen. Damals passte das Licht für die Fotografie am Strand nicht, weil Wolken aufkamen. Dieppe ist ein idealer Ort für uns, wieder in die Küstenfotografie rein zu kommen.
Tief nach Dieppe hinein
Dieppe wurde 900 nach Chr. von den Normannen besiedelt. Der Name stammt vom damaligen Englischen ab und bedeutet „tief.“ Was auf die ideale Lage als Hafenstadt an der Mündung des Arques hindeutet. Auch heutzutage ist Dieppe ein wichtiger See- und Fischereihafen. Eine Verbindung mit England besteht weiterhin durch die Fährlinie Dieppe-Newhaven.
In Dieppe gibt es zwei Stellplätze für Wohnmobile, ein kleinerer etwas abseits am Hafen, direkt unter den Steilklippen am rechten Ufer des Flusses Arques. Der andere liegt direkt an der Strandpromenade an der linken Seite des Flusses. Du kannst dir denken, auf welchen der Plätze wir es abgesehen haben?
Da Ostern vor der Tür steht, ist der Stellplatz ziemlich voll. Wir bekommen keinen Platz mehr mit Blick aufs Meer, sondern stehen inmitten der recht eng geparkten Reisemobile. Die Nacht kostet 14 Euro, der Preis wird kaum günstiger, wenn man länger bleibt. Wir bleiben vier Tage! Und langweilig wird es uns in Dieppe nicht. Wir könnten gar noch länger bleiben, doch die Bretagne lockt.
Zwei Kilometer Glücksgefühl – die Promenade von Dieppe
Die Promenade von Dieppe ist etwas Besonderes. Fast zwei Kilometer lang und grob geschätzt hundert Meter breit trennt sie den Strand von den Hotels und Appartementblöcken. Entlang der Promenade finden sich Spielwiesen, ein Schwimmbad, Karussells, Spielplätze, eine Skateboardanlage und natürlich Stände mit Souvenirs, Eis und sonstigen Futteralien.
Der Strand vor der Promenade fällt relativ steil ab und besteht aus, großen grauweißen Kieselsteinen. Rutscht man diesen Kieselsteinhang hinunter, trifft man auf den bei Ebbe extrem weiten Sandstrand. Fotografisch war ich noch voll auf Hunde eingestellt. So schaue ich am Strand jedem Hund hinterher und fotografiere auch hier und da einen interessanten. Aber unterwegs ist das nicht wirklich empfehlenswert. Mit der Canon EOS R6 kommen da bei 20 Bildern pro Sekunde extrem viele Fotos zusammen. Also, zügele dich Gabi!
Zwei Mädels spielen mit ihrem belgischen Schäferhund mit leuchtend hellen Augen auf dem Sandstrand. Da klappt es bei mir mit dem Zurückhalten nicht mehr und ich frage die beiden Mädchen, ob ich ein paar Fotos von ihrem Schäferhund machen dürfe. Der Hund hat so richtig Spaß mit dem Meerwasser und ich beim Fotografieren. Hundefotografie ist hier im Gegensatz zu daheim supereinfach. Die Weite des Strandes macht die Bildgestaltung leicht, weil kein unruhiger Hintergrund vom Hund ablenkt, das sehr helle Licht sorgt für ideale Belichtungszeiten. Und mit der Canon EOS R6 mit ihrem Tieraugen-Autofokus ist es unglaublich effektiv, knackscharfe Actionfotos hin zu bekommen. Den beiden Mädels schicke ich hinter auch die Fotos, und die haben sich riesig gefreut.
Radfahren – mal einfach, dann wieder anspruchsvoll
Das Fahrradfahren in Dieppe kann einfach sein, oder schwierig. Je nachdem, wo man hin will. Wir fahren erst einmal die eineinhalb Kilometer lange Strandpromenade entlang bis zu den Steilklippen. Auf dem Radweg wäre das eigentlich super einfach. Aber da schlendern immer wieder Leute entlang, Hund an langen Leinen laufen dir vors Rad oder Kleinkinder auf Laufrädern scheren plötzlich unberechenbar in deine Richtung aus. Aber wir passen auf, haben Zeit, das Wetter ist herrlich, es gibt keine Steigungen und es ist ja nicht wirklich weit.
Der Traumstrand für Fotografen an den Steilklippen von Dieppe
Der Strand von Dieppe ist einer der vielfältigsten, den wir kennen. Bei Ebbe legt das Meer die unterschiedlichsten Felsformationen frei. Ganz typisch Normandie findest du den weißen Kreidestein, der von den Klippen abgebrochen ist, auf dem Sand liegen. Felsen sind mit grünen Algen bewachsen, schon länger liegende Kreidefelsen sind dicht an dicht mit Löchern bestückt. Und natürlich viel Sand und Gezeitenbecken. Herrlich! Mit dieser Motivvielfalt ist es einfach, sich wieder an die Fotografie am Meer zu gewöhnen.
Am ersten Abend habe ich natürlich die normandie-typischen weißen Kreidefelsen im Blick. Die sind sogar der Grund, warum ich hier nochmal hin gewollt habe. Doch kaum habe ich meine Bildkomposition gefunden, kommt die Flut mit unheimlich anmutender Geschwindigkeit und setzt meine Motive unter Wasser. Es bleiben mir nur noch die Kieselsteine und ein grandioser Sonnenuntergang. Macht aber nix, ist trotzdem gut.
Wir fahren jeden Abend zu Strand und widmen uns einem anderen Motiv. Und jedes Mal sind die Ebbe-Flut-Bedingungen und das Licht wieder ganz anders.
Unser Fazit zu diesem fotografischen Motiv: Es ist unmöglich, eine bestimmte Einstellung zu planen, weil sich immer irgendeine der vielen Bedingungen ändert. Aber, das macht ja das Ganze so spannend und eröffnet dir im Gegenzug neue Möglichkeiten. Du machst dich frei! Du schaust, was gerade ist, öffnest dich der Wahrnehmung und reagierst spontan.
Auch nach vier Abenden und einem Morgen wird es uns an diesem Strand nicht langweilig. Also, wenn du Dieppe besuchst, schau genau hin. Reagiere auf die Situation vor Ort und habe enormen Spaß dabei.
Fotos des Strandes von Dieppe
Junge Sportkünstler in Aktion
An einem Abend radeln wir gerade entlang der Promenade an einem Skaterpark vorbei. Das Licht ist weich, eine dünne Wolkenschicht dient als gewaltiger Diffusor. Da springt ein junger Mann auf seinem Roller gekonnt hoch in die Luft uns wirbelt mitten im Sprung seinen Roller dreimal über seinem Kopf durch die Luft. Da springt bei mir, wie bei den Hunden, direkt die Fotografin an. Ich gehe so stark in die Bremsen, dass Gunter mir fast hinten drauf gefahren wäre. Schon hatte ich die Kamera aus dem Rucksack und Hände an Auslöser, als ich den Jungen frage, ob ich ihn fotografieren darf. Er schaut mich etwas erstaunt an. So was passiert ihm wohl nicht so oft. Er und sein Kumpel willigen aber ein, und wir machen eine kurze Fotosession. Nachdem ich ihnen die ersten Fotos auf dem Display der Kamera gezeigt habe, ist die Bereitschaft der beiden zur Kooperation schon wesentlich stärker. Jetzt wollen sie noch dies und das ausprobieren. Est stellt sich bei dieser Aktion heraus, dass Artiom, der jüngere der beiden, der beste Scooter-Skater von Dieppe. Wir haben jedenfalls Spaß an dem Abend und verabreden uns für den nächsten Tag noch einmal. Nach dieser abendlichen Fotosession am Strand habe ich in der Nacht eine Menge Fotos herunterzuladen. Hunde am Strand, Skater bei den Kunststücken, die Kreideklippen und die Stadt mit Hafen.
Am nächsten Tag meldet sich direkt noch ein Skater, der Fotos von sich möchte. Aber das Licht passte nicht so wirklich und die Bahn war zu voll, da hielt ich mich zurück. Ein paar tolle Fotos bekommt er aber trotzdem von sich.
Es freut mich, wenn die jungen Leute so viel Spaß dabei haben. In den nächsten Tagen treffen wir uns immer wieder mal und erzählen mit einem etwas holprigen Englisch-Französisch-Kauderwelsch.
Wir radeln die Hügel rauf und wieder runter
Nachdem wir erst einmal meergesättigt sind, radeln wir auch die Hügel östlich und westlich der City hoch und besichtigen die Klippen und die Kirchen. Die Burg auf der Westseite hatten wir schon letztes Mal besichtigt. Das Ankommen und Wegfahren der Fähre nach England war jedes Mal ein Spektakel, das ich das natürlich auch gern fotografiere. Auch wenn die Fähre jedes Mal einen furchtbaren Gestank nach verbranntem Schiffsdiesel verbreitet.
Fotomotiv Hafenmole – direkt vor der Wohnmobiltür
In der Nacht bietet sich der kleine Leuchtturm am Ende der Hafenmole als Fotomotiv an. Und von der Mole aus spiegeln sich die Lichter der Stadt im Meer.
Morgens ist der Hafen am schönsten
Morgens ist es in der Stadt und im Hafen besonders bei Nebel am schönsten. Der frühe Morgen ist sowieso die beste Zeit, um in den Hafenstädten das besondere Licht der Meeresküste einzufangen. Wir können gut verstehen, dass dieses Licht viele Maler des Impressionismus angelockt hat, die Dieppe zu ihrem Wirkort erklärten.
Frühmorgens sind zudem kaum Leute und Autos unterwegs, das Hafenambiente wirkt entschleunigt und entspannt. Die Möwen kreischen, weil die Fischer nicht nur ihren Fang verkaufen, sondern auch die leckeren (für die Möwen) Abfälle ins Hafenwasser werfen. Wir mögen diese Ruhe und das Licht morgens extrem gern. Und wenn wir dann in der wärmer werdenden Sonne mit frischem Baguette und Pain au Chocolate zum Wohnmobil laufen und unseren Kaffee schlürfen, macht sich Glücksgefühl breit.
Kirchen in Dieppe
Wir schauen uns gern die Kirchen an. Aber hier jetzt nur mal kurz ein paar Fotos.
Fast unbearbeitete Fotos im Live Reisebericht!
Unser Notebook mag das neue Lightroom noch nicht. Die Desktop-Version ist ein wirklich anspruchsvolles Programm für jeden Rechner. Mit dem Notebook bin ich unterwegs leider eingeschränkt damit. Viele der neuen Funktionen brauchen einfach ewig. So viele Stunden hat die Nacht gar nicht. Also beschränke ich mich auf dieser Reise auf die essentiellen Bearbeitungsschritte.
Die Fotos werden hier nur vorläufig sein und es wird auch nicht so viele geben. Das kommt alles später, wenn wir wieder zuhause sind. Aber einen ersten Eindruck wirst du sicher bekommen.