Schottische Steilküsten, gewaltige Vogelfelsen und Leuchttürme
Auf dieser Reise versuche ich all das umzusetzen, was mir auf vorherigen Reisen nicht gelungen war. Leider geht der Plan mit den Farne Islands nicht auf. Dort tummeln sich soviele Touristen, dass wir erstens nur eine Nacht auf dem Campingplatz ergattern können und zweitens in Seahouses nicht mal einen freien Parkplatz für unser Mobil finden, somit ist es auch unmöglich, zu den Inseln hinaus zu fahren. Wir lassen also das überfüllte England hinter uns und bewegen uns weiter Richtung Schottland.
Steilküste in St. Abbs
Bisher waren wir immer an der Steilküste und den Vogelfelsen von St. Abbs vorbeigefahren. Dabei gibt es dort sogar einen kleinen Leuchtturm, hoch oben in den Felsen. Wir quälen unser Mobil durch die engen Straßen, finden auf dem kleinen National Trust Gelände einen schrägen Parkplatz und laufen auf dieser Reise zum ersten Mal in Schottland munter los. Logischerweise werden wir wie immer auf unseren langen, kurzbeinigen Dackel angesprochen und sind direkt in ein angeregtes Gespräch verwickelt. Ein alter freundlicher und gesprächiger Mann erzählt von alten Tagen, von Geschichten, die er geschrieben hat, und vom Krieg. Wir haben dabei Gelegenheit, uns ins Schottische einzuhören.
Die zirka 5 Kilometer lange Wanderung geht entlang der steilen Klippen, viele Vögel sind leider nicht mehr da. Wir genießen den Blick zur Ortschaft, die sich scheinbar an den Felsen festkrallt, darunter liegt das blaue Meer. Der Wind bläst uns kräftig um die Ohren, die Haare fliegen uns in die Augen, unterhalten können wir uns bei dem Getöse kaum. Die Sonne meint es gut mit uns. Sie scheint, fotogene Wölkchen hängen am Horizont, ein paar Schafe rupfen am Gras herum und schließlich sehen wir auch den kleinen Leuchtturm. Wir fotografieren eine Weile während Grindel alles abschnüffelt und wie wild herumspringt. Unsere Dackeldame ist geländegängig, die Felsen und der enge Pfad bereiten ihr keine Probleme. Schafe findet sie auch interessant, sie bellt sie glücklicherweise nicht mehr dauernd an. Wir sitzen noch eine Weile oben im Gras und schauen hinunter aufs Meer. Die Rundwanderung führt weiter an einem kleinen See entlang.
Wo ist die Kokosnuss?
Zurück im Wohnmobil futtern wir erstmal leckeres Gemüse und Kokosnuss. Irgendwie hab ich so Lust auf auf Kokosnüsse, dass wir fast jeden Tag eine schlachten. Bisher scheiterten das Kokosnussessen immer daran, dass keiner Lust hatte, sie zu knacken und uns fehlt ein Hammer. Die Anhängerkupplung des Mobils ist an einer massiven Metallschiene angebracht: der ideale Kokosnussknackort. Hört sich wahrscheinlich gefährlich an, wenn mal wieder einer von uns rausgeht und die Nuss ans Heck des Mobils knallt. Es funktioniert jedenfalls super gut. Die Kokosnüsse werden in den hiesigen Supermärkten mit einem Etikett mit Verfallsdatum verkauft. Bisher hatten wir nur frische Nüsse, was in Deutschland nicht immer der Fall ist. Endlich kann ich meine Kokosnusssucht so richtig ausleben!
Barns Ness Leuchtturm
Schon auf unserer Wohnmobilreise im Jahr 2012 versuchten wir, den Leuchtturm Barns Ness, direkt bei der schottischen Grenze, zu erreichen. Damals hatten wir aus Zeitmangel aufgegeben. Diesmal bleiben wir länger dran. Wir fragen uns durch, als wir ein weiteres Mal an der abgesperrten Straße zum Steinbruch stehen. Eine hilfsbereite Frau mit zwei riesigen schwarzen Labrador-Hunden gibt mir den richtigen Tipp. Wir müssen Richtung Dunbar fahren und dann abbiegen und wieder ein Stück in die andere Richtung. Dummerweise steht direkt an der Einbiegung der Straße ein Schild mit der Höhenbegrenzungswarnung von 2 Metern. Wir haben keine Lust 2 Kilometer zu fahren nur um dann festzustellen, dass wir nicht wenden können und rückwärts wieder raus müssen. Gunter schnappt sich also das Rad und fährt los. Wir sehen ihn eine gute halbe Stunde nicht mehr. Mich juckt es in den Fotofingern, denn das Licht ist grandios
Als Gunter endlich zurück ist erzählt er, dass wir durchaus ein Stück hätten fahren können. Na toll. Nur parken kann man beim Leuchtturm nicht, 500 Meter davor steht der berüchtigte Balken.
North Berwick und der Bass Rock
Wir fahren also trotz der fortgeschrittenen Zeit weiter. In der Dämmerung erreichen wir North Berwick. Schon von weitem sehen wir zahlreiche Mobile, die in der hintersten Parkbucht dicht am Meer stehen. Wir quetschen uns in den letzten freien Platz und laufen noch eine späte Strandrunde mit dem Dackel.
Bass Rock rockt
Die weltweit größte Basstölpelkolonie auf einem einzelnen Felsen befindet sich hier in North Berwick, südlich von Edinburgh. Vor einigen Jahren waren wir hier fotografisch schon erfolgreich – ein Foto der Insel mit den ca. 200 000 Seevögeln und dem Stevenson Leuchtturm befindet sich im Leuchtturm Kalender von Delius Klasing für 2016. Ein Foto des Felsens mit Golfspielern im Vordergrund gewann den zweiten Preis beim „Mensch und Natur“ Wettbewerb von Licher.
Damals wollte ich unbedingt eine Bootstour um die Vogelinsel unternehmen, um nah an die Vögel und den Leuchtturm heran zu kommen. Doch die Touren waren ausgebucht, und danach kam der Regen. Diesmal würde ich bleiben, bis es klappt! Gleich morgens laufe ich zusammen mit Gunter und Hund auf dem Strand entlang in die Stadt und zum Vogelzentrum. Der Spaziergang dauert eine Weile, weil wir zahlreichen spielenden Hunden begegnen, mit denen Grindel Nasenkontakt sucht. Für Mittags sind noch Plätze frei, ich wähle die früheste gegen 14:00 Uhr und zahle gern die 17 Pfund.
Es gibt auch noch eine Tour speziell für Fotografen. Nur wenige Leute dürfen auf die Insel und dort drei Stunden lang fotografieren. Morgen wäre noch ein Platz frei. Hmm, das wäre ja noch besser. Ich reserviere sofort einen Platz, so eine Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen.
Ich freue mich wie Bolle, bin aber auch ziemlich aufgeregt. Hoffentlich lässt der kräftige Wind nach und das Wetter hält. Auf dem Rückweg zum Mobil fängt es aber an zu stürmen, der Wind wird stärker und stärker. Ob das wirklich was wird? Gunter hat keine große Lust auf eine Tour, denn er wird leicht seekrank, die Kids wollen auch nicht mit. Ich futtere noch schnell etwas, mache die Kamera fertig und marschiere wieder los. Eine halbe Stunde später bin ich wieder vor Ort. Die etwas frühere Zodiac Tour wurde abgesagt, ich habe auf dem Katamaran gebucht, denn ich wollte es etwas gemütlicher haben. Leider werden alle Leute, die die Schnellboottour gebucht hatten auf das größere Boot umgebucht. Somit ist dieses bis auf den letzten Platz voll. Jeder muss also während der Tour auf seinem Platz sitzen blieben. Glücklicherweise ergattere ich den letzten Platz im Freien, nur ein paar Metallstangen behindern eine absolut freie Sicht. Unser Guide James erklärt alles zu den Vögeln und der Insel, ich höre zwar zu, konzentriere mich aber auf das Schauen und darauf, auf dem schwankenden Boot meine beiden Kameras zu händeln.
Es ist unglaublich – je näher wir dem Bass Rock kommen, desto mehr fühle ich mich wie in einem BBC Dokumentarfilm. Das Meer glitzert in der Sonne, Wellen schlagen an die Felsen, Vögel kreischen um uns herum und fliegen erschrocken vom Wasser auf, es ist geschäftig, nur auf dem Boot sind alle 55 Passagiere still. James erzählt gerade mit seinem sympathischen schottischen Akzent, dass Bass Rock in früheren Zeiten auch als Gefängnis genutzt wurde. Die Tour ist viel zu früh vorbei. Gerade, als wir die Insel wieder als Ganzes hinter uns sehen, schiebt sich eine graue Wolke vor die Sonne. Jetzt sieht sie trist und farblos aus. Der Wind bläst immer stärker, wir schaukeln mächtig auf und ab in den Wellen. Selbst wenn Platz auf dem Boot gewesen wäre, wir hätten uns wegen des Geschaukels kaum bewegen können. Die nächste Tour wird wegen des Sturmes abgesagt. Ha, richtiges Glück gehabt! Darauf hatte ich auch drei Jahre lang warten müssen.
Ich habe mit zwei Kameras gearbeitet, was mich etwas genervt hat, weil sich die beiden Gurte andauernd verheddern und mir am Hals ziehen. Auf der einen Kamera war das 100-400mm Tele, auf der anderen das Weitwinkel. Für die Tour war diese Wahl jedoch optimal gewesen! Mit der Fotoausbeute bin ich sehr zufrieden. ICH HABS GESCHAFFT! Und jetzt kommts noch besser…
Fotografentour zum Bass Rock
Am nächsten Tag kommt die Krönung des Ganzen, ich bin bei der Tour AUF den Bass Rock dabei. Abends packe ich nervös meinen Fotorucksack und stelle den Wecker auf 6:00 Uhr. Nur nicht verschlafen. Gunter läuft mit mir zum Vogelzentrum in den Ort. Wir sind wieder zu früh, noch niemand ist da. Ob die Tour abgesagt wurde? Nach einer Weile kommt eine Frau in meinem Alter mit einem schweren Rucksack und praktischer Outdoor Kleidung im die Ecke. Ich bin beruhigt und wir fangen ein Gespräch an. Sie wartet schon seit Monaten darauf, zum Bass Rock zu fahren. Vier oder fünfmal wurde die Fahrt bereits abgesagt, einmal war sie sogar den langen Weg nach North Berwick umsonst gefahren. Ich realisiere, welches Glück es ist, auf diesen Felsen zu kommen. Weitere Tourteilnehmer treffen ein. Wir sind zu sechst, eine Frau, die auf der Liste steht, taucht nicht auf. Das Fischerboot, welches uns zur Insel bringen wird, startet schon mal den Motor. Das Brummen ist das einzige Geräusch im Hafen, der ein paar Stunden später von Touristen wimmeln wird. Auf der Fahrt erklärt James unser Guide vom Vortag, was wir beachten müssen, wenn wir zum Bass Rock kommen. Die exponierte Lage des Felsens im Meer und das Fehlen eines Landungssteges macht ihn zu dem am schwersten erreichbaren Vogelfelsen in ganz Großbritannien. Der Sturm hat sich glücklicherweise gelegt, das Meer ist ruhig. Der Kapitän fährt gerade auf die Treppenstufen zu und hält das Boot mühsam in dieser Position. Wir halten unser Fotogepäck beisammen und klettern bepackt zum Bug, wo uns James mit helfender Hand auf die glitschige Treppe verhilft.
Wir werden von den Basstölpeln begrüßt. Sie sitzen einfach überall auf der Insel. Jeder freie Fleck ist besetzt. Jame betont, dass wir es ruhig angehen lassen können, weil wir ganze drei Stunden auf der Insel haben. Das kleine Fischerboot ist bereits auf dem Rückweg nach North Berwick und wir sind allein unter Vögeln.
James geht langsam und bedächtig durch die Bassvögel hindurch. Wie Wasser fließen sie von uns weg, kreischend hinunter ins Meer. Die Vögel hier brüten nicht, sie sind noch zu jung. Der Vogelkolonie auf dem Bass Rock geht es sehr gut. Jedes Jahr kommen mehr Vögel zur Insel. Bald wird der mächtige Fels zu klein sein. Forscher kommen zu Beginn der Brutzeit regelmäßig zur Insel um einen Bereich frei von Nestern zu halten. Würden sie das nicht tun, wäre es nicht mehr möglich die Insel überhaupt zu betreten. Doch für Forschungsarbeiten ist das eminent wichtig. Im betretbaren Bereich von Webcams abgedeckt. James zeigt uns die einzige private Ecke, falls einer von uns mal Pipi machen muss.
James schließt eine Tür auf. Das wundert mich sehr, dass hier an diesem menschenverlassenen Ort ein Schloss ist. Wir befinden uns im Leuchtturmbereich. Unser Guide läuft mit einem weißen Karton in den Händen vor. Damit hält der die Basstölpel auf Abstand. Wir folgen ihm dicht auf den Fersen. Ich bin absolut überwältigt. Näher kann man den Basstölpeln wirklich nicht kommen. Ich habe die GoPro rausgekramt und filme den Weg nach oben.
Insgesamt bin ich während der drei Stunden überwältigt, ich tue mich mit der Fotografie schwer. James meint, man solle die erste Stunde nicht fotografieren, sondern die Situation auf sich wirken lassen. Ja, das hätte ich besser auch gemacht. Man muss erstmal ankommen in dieser neuen Welt und es ist nicht einfach, sich in die Motivvielfalt einzugewöhnen. Irgendwann fängt es kurz an zu regnen. Ich wische die Tropfen immer wieder von der Kamera. Da ich in Yorkshire schon Nahaufnahmen von Basstölpeln gemacht habe, konzentriere ich mich hier auf Übersichten. Diese Chance hat man nicht oft und ich versuche das beste draus zu machen: Basstölpel Portraits mit dem Weitwinkel.
Wir dürfen uns frei im markierten Bereich der Insel bewegen, nur trauen wir uns nicht. Kaum sind wir den Pfad nach oben gegangen haben die mächtigen Vögel ihren Platz wieder eingenommen. Die Treppe ist wieder bevölkert. Eine Vogelmutter sitzt auf der Treppe, um sie müssen wir herummanövrieren. Ich achte nur auf diesen Basstölpel und werde von der anderen Seite „angegriffen“. Einer erwischt mich mit dem Schnabel am Bein. Ui, das tut echt weh. Was für ein geniales Souvenir – ein Kratzer und ein blauer Fleck von einem Basstölpel :-)
Irgendwann müssen wir alle wieder nach unten. Wir versinken teilweise knöcheltief im Matsch, ich werde von oben beschissen, die Kameratasche liegt im Dreck. Auf der Insel ist nichts „sauber“. Aber Blick hoch zum Leuchtturm ist beeindruckend.
Das Fischerboot ist zurück und tuckert langsam auf uns zu, wir machen uns fertig zum Verlassen der Insel. Gerade als wir in North Berwick ankommen, kommt die Sonne raus. Müde laufe ich den langen Weg zum Mobil zurück. Was für ein Erlebnis und was für ein Glück, dass ich es auf diesen unter Fotografen begehrten Vogelfelsen geschafft habe. Ich rieche noch tagelang nach Vogelfelsen (=Vogelkacke) und genieße sogar das.