Der Fels von Gibraltar
Wir verabschieden uns früh von Tarifa und machen uns auf den Weg nach La Linea. Die Fahrt ist recht unaufgeregt, wir stoppen an einem Aussichtspunkt, schauen über grüne Hügel hinüber nach Afrika und erreichen den Stellplatz im Yachthafen von La Linea gegen Mittag.
Stellplatz in La Linea vor Gibraltar
Ich plaudere mit einem Ehepaar aus England. Die beiden kennen sich aus in der Region, weil sie seit Jahren ein Segelboot hier im Hafen liegen haben. Ich bekomme den Tipp doch unbedingt mit der Seilbahn auf den Berg zu fahren.
Einmal mit dem Rad drumherum
Wir entscheiden uns, Gibraltar mit dem Rad zu umrunden. Wenn man bedenkt, dass Gibraltar zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Welt zählt, ist das vielleicht keine so gute Idee. Doch, da all diese Leute, die auf diesem britischen Felsen wohnen auch Autos haben, ist es auch keine gute Idee, dort noch unser Mobil hinein zu lenken.
Wir radeln mit dem vollgepackten Fotorucksack auf dem Rücken munter los. Zuerst ist die Grenzkontrolle dran. Die Personalausweise werden kontrolliert, wir sind schnell durch, weil wir mit den Rädern an den Autos vorbei dürfen.
Ich schaue nach einer Touristeninfo oder etwas in der Art, weil ich gern eine genaue Landkarte hätte, aber es ist Sonntag und außer dem Supermarkt ist alles geschlossen. In Gibraltar ist Land rar, besonders bebaubares ohne Felsen. So befindet sich die Lande- und Startbahn des Flughafens direkt hinter der Grenze und Fußgänger und Autofahrer müssen bei Starts oder Landungen hinter der Schranke warten. Das kann ein wenig dauern, weil vor jedem Start die Straße von einem Reinigungsfahrzeug gekehrt werden muss, dann fährt das Flugzeug über die Straßenkreuzung ans andere Ende der Startbahn, irgendwann hört man die Turbinen aufheulen, und innerhalb weniger Sekunden saust das Flugzeug vorbei und die Schranken heben sich. Dann beginnt wieder der Auto- und Mopedverkehrslärm. Wir schwingen uns auf die Räder und folgen dem allgemeinen Verkehrsgewusel.
Hilfe – ein steiler Tunnel!
Jetzt ist die Überlegung: Fahren wir rechts herum oder links herum? Wir biegen nach Links ab. Fotografieren dort einen der wenigen Strände und schon wird ein Tunnel angekündigt. Das ist schon mit dem Auto nicht mein Ding. Die Straßen sind eng, stellenweise steil. Noch reichen aber unsere Gänge am Fahrrad. Der Tunnel kommt schneller, als es mir lieb ist. Der ist genauso eng, wie die Straßen es sind, aber stockfinster, es geht mächtig bergauf und es tropft nass von der Decke. Glücklicherweise kommen uns Fußgänger entgegen– obwohl es verboten ist, durch den Tunnel zu laufen. Nun, mir ist es recht, dass die gerade jetzt auftauchen. Ich brauche Infos zur Beruhigung meiner Nerven. »Der Tunnel ist etwa 600m lang und steil, das schafft ihr aber, fahrt ruhig durch«, meint ein freundlicher Engländer. Ok, das beruhigt mich etwas, zumindest sind es keine Kilometer, die wir in diesem kalten Loch verbingen müssen.
Doch der Tunnel ist nicht nur eng, nass und dunkel, in ihm ist es vor allem wahnsinnig laut, weil die Fahrbahn sehr rubbelig ist und die wie dichter Nebel in der Luft hängenden Abgase sind besonders unangenehm und nehmen uns die Luft zum Atmen. Wir schaffen es irgendwann auch im kleinsten Gang nicht mehr, das Atmen fällt schwer, und wir steigen ab und schieben die letzten 200 Meter. Dafür haben wir am anderen Ende des Tunnels endlich wieder frische Luft und eine wunderbare Aussicht.
Die Affen auf dem Fels
Unsere Blicke richten sich nicht nur aufs Meer und den Leuchtturm am Europa Point, schau an, da turnen auch die berühmten Berberaffen in den Stromleitungen herum. Ich muss noch etwas verschnaufen und meinen Puls beruhigen, da nutzen wir die Zeit, den Affen beim Herumtollen zuzuschauen. Ich packe das lange Tele aus dem Rucksack und fotografiere die halbwilden Tiere – sie werden wohl gefüttert und zählen deswegen nicht mehr zu den Wildtieren. Wieso sind die denn überhaupt auf dem Felsen? Gibraltar ist der einzige Ort in Europa, wo »wilde« Affen leben. Woher sie genau kommen ist nicht bekannt. Chuchhill importierte einmal ein paar Affen aus Afrika, weil die Population auf Gibraltar kränkelte. Das half wohl, denn seither geht es der Affenpopulation gut.
Der Leuchtturm am Europa Point
Wir radeln weiter, jetzt dürfen wir kräftig bremsen, denn es geht steil bergab. Der größte Vorteil beim Radfahren: Wir müssen keine Parkplätze suchen, wenn uns etwas gefällt, halten wir an und fotografieren. Es dauert, bis wir den Leuchtturm am Europa Point erreichen. Wir haben Zeit. Der rote-weiße Leuchtturm ist der südlichste Leuchtturm, der von der englischen Leuchtfeuerverwaltung Trinity House betreut wird. Ich vermute mal, dass Europa Point der einzige englische Leuchtturm außerhalb Großbritanniens ist.
Am Leuchtturm kommen wir mit einem Schiffsingenieur ins Gespräch. Der informiert uns über die verschiedenen Redereien, über die Schiffe, die vor Gibraltar liegen und über alles mögliche. Während Gunter und er immer weiter erzählen, laufe ich herum und lichte den Leuchtturm und die gigantische Moschee von allen Seiten ab. Ich bin so in die Arbeit konzentriert, dass ich mit beiden Knien volle Kanne an eine steinerne Sitzbank knalle. Autsch, die werden blau.
Vorsicht in den Kreiseln
Wir radeln weiter, hoch hinaus und wieder steil hinunter. Der Verkehr ist erträglich, nur in den Kreiseln nicht. Da sausen Mopeds von beiden Seiten an uns vorbei. Wir versuchen diese Kreisverkehre zu meiden, wo es geht. Da es Sonntag ist, sind alle Geschäfte in den Fußgängerzonen geschlossen, da radeln wir einfach leicht illegal langsam da durch. Wie es wohl an einem Wochentag hier aussieht? Das zollfreie Shoppen ist eine Lieblingsbeschäftigung der Touristen. Wir genießen die relative Ruhe. Der Sonntag ist sicher der beste Tag für eine Radtour auf Gibraltar.
Durstig geworden, kaufen wir im Supermarkt an der Grenze eine Flasche Wasser – die Temperatur ist auf 27° C gestiegen, der Wind weht aber noch relativ kühl, deswegen spüren wir die Wärme nicht so.
Botanischer Garten statt Seilbahn
Den Tipp der englischen Campernachbarn möchte ich nicht vergessen. Mit der Seilbahn den Berg hinauf. Wir stürzen uns nochmal in den Verkehr, aber es ist schon zu spät. Die Tour nach oben würde für uns beide 30 Euro kosten, doch wir hätten weniger als eine halbe Stunde Zeit auf dem Felsen, oder müssten halt runter laufen. Da schauen wir uns lieber den botanischen Garten an und machen auf gemütlich.
Auf dem Rückweg zum Wohnmobil können wir doch den zollfreien Waren nicht widerstehen: Ein Liter Famous Grouse Whisky kostet nur 6,99 Pfund. Den haben wir uns verdient, da nimmt doch jeder gleich einen Liter mit.
Nachts wird der Fels von Gibraltar von Scheinwerfern angestrahlt. Wir laufen an die Bucht und schauen es uns an. Ja, dieser Fels, er ist extrem touristisch, aber er hat was. Wir sind stolz, einmal drum herum geradelt zu sein.