Anfang Oktober staunte ich nicht schlecht über eine Mail von meinem Professor, der seit Kurzem auch mein Vorgesetzter ist. Ein junger Geowissenschaftler plane gerade eine Forschungsreise nach Griechenland, schrieb er, und es würde noch ein zweiter Mann für die Reise benötigt. Wir sollen Tropfsteinhöhlen in ganz Griechenland erkunden und dort Proben nehmen, los geht es in zwei Wochen. Ob ich denn Interesse hätte, da spontan mitzufahren?
Zwei Wochen später bin ich mit meinem neuen Kollegen Alex in Griechenland. Er hat für seine Dissertation in spanischen Höhlen gearbeitet und bringt mir im Laufe der ersten Tage das Wichtigste bei, was ich für die Probennahme wissen muss. Vor der Reise war ich genau einmal in meinem Leben in einer touristischen Höhle gewesen, mit betonierten Fußwegen und eingebauter Beleuchtung. Jetzt geht es etwas abenteuerlicher zu: Wir müssen oft durch unwegsames Gelände wandern, um zu den Höhlen zu kommen, und dort sind dann verschiedene Kammern nicht mit betonierten Wegen verbunden, sondern mit schmalen Spalten im Gestein, durch die wir kriechen müssen. Kletterpartien gibt es auch praktisch in jeder Höhle, und meistens ist das auf dem rauen Kalkstein mit seiner Formvielfalt auch keine große Kunst – außer, wenn der Fels vor Fledermausscheiße starrt und so glitschig ist, als würden Algen drauf wachsen.
Der Sinn unserer abenteuerlichen Dienstreise ist das Sammeln von Stalagmiten und Flowstones, also Kalzit-Ablagerungen, anhand derer sich Aussagen über die Umwelteinflüsse machen lassen, die während des Kristallwachstums geherrscht haben. So kann man beispielsweise Aussagen über die Niederschlagsmuster während der letzten Warm- und Kaltzeiten machen, oder Rußpartikel im Stalagmiten geben Informationen über bewohnte Phasen der jeweiligen Höhlen preis. Da sich Speläotheme (das ist der Überbegriff für die Höhlenminerale) sehr genau datieren lassen, eignen sie sich besonders gut als Informationsarchive. Ob sich ein Stalagmit letztendlich aber als Forschungsobjekt eignet, erfährt man erst, wenn man ihn aufsägt, datiert, und analysiert. Deswegen nehmen wir aus sehr vielen Höhlen unsere Proben mit nach Hause, um neben den eventuellen „Blindgängern“ noch brauchbare Proben zu haben.
Dass wir gerade in die zweite Corona-Welle geraten mit unserer Reise ist natürlich ziemlich ungünstig. Wir halten aber den Ball weitgehend flach, was Kontakte mit Menschen angeht, mal von den Ortskundigen und den Archäologen abgesehen, die uns hie und da begleiten. Auch in Griechenland steigen die Fallzahlen rasant, und wir halten es genau im Blick, was das Infektionsgeschehen während unserer letzten Tage hier macht. Wenn ich zuhause bin (und eventuell meine Quarantäne absitze…) schreibe ich einen ausführlichen Bericht über dieses Höhlenabenteuer, doch bis dahin lasse ich euch ein paar Bilder hier im Blog. Viel Spaß!
Aktualisierung von Gunter Reichert am 31.10.2020
Esra war gerade auf dem Weg zur Fähre nach Samos, als das schwere Erdbeben mit der Strärke 7.4 mit Epizentrum direkt vor Samos stattfand. Sie sind gut auf Samos angekommen, haben in der ersten Nacht noch ein kräftiges Nachbeben erlebt, es ist ihnen aber nichts passiert und sie sind wohlauf.
In jedem Fall haben die beiden Forscher eine abenteuerliche und abwechslungsreiche Reise. Wir drücken ihnen die Daumen, dass ihnen nichts passiert.