Wir besuchten in den letzten beiden Wochen mehrfach die Strände in Uig. Die Küste dort gefällt uns ausgesporchen gut. Sie bieten unglaublich abwechslungsreiche fotografische Möglichkeiten. Der Himmel war bewölkt, die Sonne zeigte sich nicht. Es passte perfekt zur dramatischen Steilküste.
Küste bei Mangersta, Uig, Isle of Lewis
Vor einem Parkplatz fanden wir den König der Lewis Chessmen überlebensgross wieder. An diesem Strand wurden die Figuren damals gefunden. wir verweilten lange an diesem weiten, hellen Strand – es war Ebbe, die Sandfläche enorm! Auf der Surfer Internetseite wurden für ein paar Strände sehr hohe Surfwellen vorhergesagt. Das hatte uns neugierig gemacht. Am weitläufigen Sandstrand sahen wir keinen nennenswerten Wellen. An den Klippen würde wir sicher welche finden.
Felsen am Sandstrand, Uig, Isle of Lewis
die 5 Reicherts in der Hütte
Hütte in den Felsen, Uig, Isle of Lewis
Je weiter wir Richtung Ende der Straße kamen, desto diesiger wurde es. Über den Bergen hingen schwere, dicke Wolken. Sie regneten in der Ferne ab. Wir blieben verschont. Wir wanderten vom gleichen Startpunkt wie beim letzten Besuch, liefen diesmal jedoch in die andere Richtung. Dort fanden wir weit und breit keinen Sandstrand, dafür Klippen mit abwechslungsreicher Aussicht und natürlich Fotomöglichkeiten. Fotografisch war nur eine Blickrichtung ergiebig, nur dort hingen die dunklen Regenwolken, die sich für die Bildgestaltung eignenten. Wir konnten nicht in die andere Richtung fotografieren, da dort die Sonne zu stark durch die dünne Wolkendecke schien und der Himmel auf dem Foto weiß gewesen wäre. Dieser Umstand schränkte unsere Fotografie jedoch nur wenig ein. Wir machten aufgrund fast fehlender Wellen – ja wo waren die denn jetzt? – Langzeitaufnahmen. Da lag die Wellenvorhersage aber voll daneben! Machte aber nichts!
Unsere Nachbarin Anne hatte uns von einer kleinen Hütte zwischen den Felsen erzählt. Fast hätten wir die kleine Unterkunft übersehen, so gut ist sie in die Felslandschaft integriert. Innen machten wir ein paar Fotos von der ganzen Familie. Es ist erlaubt in der Hütte zu übernachten. Dazu soll man sich vorher bei den Erbauern die Erlaubnis mit genauer Anleitung für den Ofen holen. Ich fand das Klasse und kam ins Träumen. Das wäre doch der perfekte Ort für die sternklaren Nächte gewesen! Keine Lichtverschmutzung, Felsen und das Meer! Jetzt fand ich es zu nass und stürmisch, da würde mir das Schalfen in der hoch auf den Klippen stehenden Hütte wahrscheinlich Angst machen.
Komischerweise war es an diesem Tag fast unangenehm warm. Obwohl wir die warmen Wollpullover im Auto gelassen hatten, kamen wir mächtig ins Schwitzen. Ich lies deswegen der Tag mit einem warmen Bad ausklingen und wusch dabei meinen müden Körper wieder rein.
An dieser Stelle habe ich ausnahmsweise mal ein PS!
PS Als wir vor einigen Tagen mit Uisoean noch zum Tolsta Strand gefahren waren, trafen wir einen „alten“ Bekannten: Roy mit seinem Hund Siggi. Wieder unterhielten wir uns lange. Siggi forderte unsere Kinder ununterbrochen zum Spielen auf. Ich nutzte die Gelegenheit um ein paar Fotos zu machen.
typischer wirf mir das Stöckchen Blick
PPS Es gibt eine neue Funktion im Blog: Die Kommentare können abonniert werden. Ihr bekommt dann eine E-Mail, wenn jemand auf den Kommentar antwortet! Ist vielleicht einfacher als immer wieder nach zu schauen?
Und hier habe ich ein Bild in höherer Auflösung abgelegt, als Bildschirmschoner.
Kalt und windig begann der Tag. Wie immer zog es mich trotzdem in die Natur hinaus. Es könnten sich die Wellen ja ohne mich und meinen Fotoapparat vergnügen. Gegen Mittag fuhren wir Richtung Norden los. Wir erlebten so viel, dass ich mein Geschreibsel für die bessere Übersicht auf zwei Beiträge verteile.
Harris Tweed Schneiderei
Beginnen wir mit dem Harris Tweed. Das auffällig lustige Logo von Rarebird, Harris Tweed Design war mir beim bereits vor ein paar Tagen beim Vorbeifahren aufgefallen. Neugierig parkte ich den Wagen und schaute im Laden hinein. Ein netter Herr begrüßte mich sehr freundlich und stellte sich als Charles Brough, Miteigentümer des Ladens vor. Ich betrachtete in aller Ruhe die ausgestellten Tweed Sachen. Strahlende Farben, modernes Design, außergewöhnliche Accessoires. Das hatte ich – den üblichen, eher braunen Tweed mit den gedeckten Farben im Hinterkopf – nicht erwartet. Eher so die Sachen, die Prinz Charles zum Jagen tragen würde.
Farbenfrohe Harris Tweeds
Vor allem die Farben fingen meinen fotografischen Blick ein. Wir kamen ins Gespräch. Charles Brough gab mir sehr geduldig und ausführlich Auskunft, erklärte vor allem, wie die wunderschönen, kräftigen Farben zustande kommen. Er rollte seinen speziellen Farbtweed aus, um es zu verdeutlichen. Nur die querlaufende Farbe wird gewechselt und all diese völlig verschiedenen Farben entstehen. Ich zeige Euch das besser in den Bildern:
Harris Tweed Farbmischung – diese Tweed Bahn wird nur hergestellt um die Farbmischungen beurteilen zu können. Einige Farben harmonieren nicht, man kann das nur durch ausprobieren herausfinden und so Fehlproduktionen verhindern.
Steven und die Harris Tweed Farbmischung
Steven und die Harris Tweed Farbmischung
So kommt der Harris Tweed auf die Laufstege der Welt
„Wir kaufen den gesamten Bedarf an Tweed bei der Carloway Weberei. Sie ist nur ein paar hundert Meter von hier“ erklärte Steve. „Dieses helle Blau ist unsere ganz eigene Farbe. Wir kaufen die gesamte Charge und die Weberei gibt diese Farbe dann nicht andere Nähereien weiter“, meint Steve. Eigentlich ist das Rarebird, Harris Tweed Design, kein Laden, sondern eine Art Großhandel. Der Großteil der Ware geht an die Museen in Edinburgh und Glasgow und auch in die Geschäfte von Japan! Dorthin fährt seine Frau, die für das Entwerfen der Mode zuständig ist, zu Messen und Modeschauen und bringt so den Harris Tweed auf die Laufstege der Welt.
Steve schneidet den Stoff zu, nebenan in der Halle würde alles zusammengenäht. „Wir können da auch rüber gehen, dann kannst Du da noch ein paar Fotos machen“ Jetzt erwartete ich eine große Halle mit einigen Beschäftigten. Wieder war ich überrascht. Steves Frau machte am Computer die Steuer und eine Angestellte fügte Broschen zusammen. Das wars! Klasse!
Fertigung der modischen Tweed Ware
Wir plauderten noch eine ganze Weile über ganz andere Themen, über Nordlichter und die Insel.
Esra’s Jeans hatte sich an den Knien in Wohlgefallen aufgelöst, ich fragte nach ein paar Stoffresten zum Flicken. Ist doch das beste Souvenir: ein Flicken aus Haris Tweed direkt von der Insel!
Draußen blies der Wind munter weiter. Ich fotografierte eine Weile am Strand Doch die Finger froren mir beim Schrauben der Filter fast ein. Gunter fand es entschieden zu kalt, er fühlte sich nicht ganz so wohl und verbrachte die Zeit musikhörend im Auto.
Auf dem Rückweg kamen wir an der Weberei vorbei. Das mußte ich jetzt natürlich sehen. Steve sagte ich solle es mir nicht entgehen lassen; Norman wäre sehr nett und würde sich immer über Besucher freuen. Es könne sein, dass er nicht da ist, denn er wäre auch Crofter.
Zu Besuch beim Harris Tweed Weber Norman MacKenzie
Nach kurzem Suchen fand ich Norman MacKenzie. Der Schuppen, indem sich der ca. 80 Jahre alte Webstuhl befand, war sehr klein und unscheinbar. Auch hier hatte ich eine große Fabrik erwartet! Nein, ein kleiner Raum und ein einziger Mann reichen aus. Das Weben des Tweeds ist keine Handarbeit, der Webstuhl wird nämlich mit den Füßen betrieben. Strom braucht Norman dazu nicht. „Ich bin in Rente, habe mein ganzes Leben auf dem schottischen Festland gearbeitet. Hier auf der Insel fühle ich mich wohl. Es reicht mir, so ca. 6 Stunden am Tag zu weben. Außer Sonntags natürlich. Ich schaffe so etwa 6-7m in einer Stunde“ erzählte er am Webstuhl sitzend.
Harris Tweed, Norman MacKenzie
Norman MacKenzie am Webstuhl
Dann legte Norman los, flink schoss das Garn hin und her. Ziemlich laut war es auch. Wie bei einer Spieluhr gibt es ein Band, welches in die Machine eingelegt wird, damit die farbigen Fäden automatisch wechseln und das Muster entsteht. Auch Norman bekommt Bestellungen aus aller Welt. Der letzte große Auftrag kam aus Deutschland. Er verschickt sie per Post, eine Webpage hat er nicht.
Eine Frage hätte ich noch: „Warum heisst es „Harris Tweed“? Wir sind doch auf Lewis?“ Norman lachte.“ Ja, der Tweed begann auf Harris und wurde deswegen so genannt. Dann reichte der dort hergestellte nicht mehr aus und auch auf Lewis wurde gewebt. Für kurze Zeit wurde der Name Harris & Lewis Tweed verwendet. Die Leute waren verwirrt, also ging man zum unrsprünglichen Namen zurück. Echter Harris Tweed kann nur auf den Äußeren Hebriden hergestellt werden. Schon die Isle of Skye, die zu den Inneren Hebriden zählt, ist zu weit weg.“ Das erinnerte mich an den Scotch Whisky, der diesen Namen nur tragen darf, wenn er in Schottland hergestellt wird und mindestens 3 Jahre in Schottland reift!
Die Wolle von der Isle of Lewis reiche nicht aus. So wird sie von Schottland (!) geholt.
Fasziniert betrachtete ich das solide, zuverlässige Gerät. Wie effektiv das Ganze doch ist! Je mehr ich über diesen wunderbaren Stoff erfuhr, desto mehr zuckte meine Hand Richtung Portmonee Ich hätte da auch gern ein Kleidungsstück! Aber ein Schal tut es nicht. Es muss schon mehr sein.
Tom Hanks trägt ihn als Robert Langdon im DaVinci Code, Miss Marple ist damit kostümiert, Nike schmückt seine Sportschuh-Sonderserien damit, Vivianne Westwood ist ein großer Fan.
Die Rede ist vom Harris Tweed einem handgewebten, widerstandsfähigen Wollstoff mit dezenter Optik, der exklusiv auf den Äußeren Hebriden hergestellt wird.
Die Ursprünge des Harris Tweed reichen in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurück. Die Einwohner der Hebriden webten einen dichten Wollstoff für den Eigengebrauch, um sich gegen das rauhe Klima zu schützen. Gefärbt wurde die Wolle mit Naturfarben aus Flechten.
Daran hat sich bis heute nicht sehr viel geändert. Handgewebt wird noch immer, nur die Webstühle sind breiter, um den Vorgaben der Modeindustrie Rechnung zu tragen. Und neue Farbstoffe und Designs sind dazugekommen.
Echter Harris Tweed ist am Etikett mit dem malteserkreuzgekrönten Reichsapfel zu erkennen. Er darf ausschließlich auf den Äußeren Hebriden gesponnen, gefärbt und im typischen Webstil handegewebt werden. Die Wolle allerdings kann auch vom schottischen Festland stammen.
Wer sich kein Jacket oder Kostüm aus Harris Tweed zulegen möchte, kann ihn auch als Krawatte, Schal, Mütze, Handtasche und Schuhe (danke Nemi!) erwerben.[/yellow_box]
Als wir vorige Woche bei einer Wanderung auf „unserer“ Insel, Great Bernera, dem Schreiner Uisoean Paterson über den Weg gelaufen sind, erzählte er uns unter anderem davon, dass der den König der berühmten Lewis-Schachfiguren in nahezu Lebensgröße repliziert hätte. Fasziniert von dieser Vorstellung ließen wir uns also seiner Handynummer geben, um ihn zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal kontaktieren zu können; wir wollen seine Schachfigur unbedingt zu Gesicht bekommen.
Lewis Chessman
Dieser spätere Zeitpunkt war vorgestern gekommen, nachdem wir unsere Einkäufe erledigt hatten. Uisoean wartete vor dem Co-op auf uns und nahm uns mit zu sich nach Hause, wo auch sein Arbeitschuppen stand (welcher im Stil einer norwegischen Fischerhütte gebaut war). Hinter den beiden Holztüren empfing uns eine wohlige, von einem winzigen Holzofen ausgehende Wärme und der Geruch von Holz. Überall lagen Werkzeuge herum, an den Wänden hingen Landkarten und inspirierende Bilder, und unter der Decke warteten Angelruten und andere Utensilien auf ihren Einsatz. In der Mitte des Raumes aber stand der eigentliche Blickfang: Ein fast lebensgroßer Schach-König, der finster blickend auf seinem Stuhl saß, mit dem Schwert auf dem Schoss. Ich hatte zuvor schon Bilder von den Lewis-Schachfiguren gesehen und erkannte diese auf Anhieb; Uisoean hatte eine fast perfekte Kopie hergestellt.
Werkzeug
Lasst mich mal kurz ein paar Fakten einwerfen: Bei den Lewis-Schachfiguren handelt es sich um 78 Schachfiguren aus dem 12. Jahrhundert, welche mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit aus Norwegen stammen. Größtenteils sind sie aus Walroß-Stoßzähnen gefertigt, ein paar von ihnen bestehen aber auch aus Pottwalzahn. Sie sind 1831 hier auf Lewis entdeckt worden und befinden sich nun, nachdem sie ein paar mal die Besitzer gewechselt haben, zum größten Teil im British Museum in London; nur ein paar wenige werden im Museum of Scotland aufbewahrt. Sie werden allgemein als einer der wertvollsten kulturellen Schätze Großbritanniens gehandelt, und vor allem auf Lewis stößt man oft auf Bilder und kleine Replikate von ihnen.
Allerdings haben wir noch kaum ein anderes Replikat zu Gesicht bekommen, welches dem von Uisoean Konkurrenz machen könnte. Etwas unter 200 Arbeitsstunden hat er darin investiert, sich mit einem Detail nach dem anderen an das Original heranzutasten.
Lewis Chessman
Esra und der König
Größenvergleich
schachspielen mit dieser Figur wäre keine gute Idee!
Uisoean in seiner Werkstatt
Das Interessante ist, erklärte er uns, dass die Schöpfer der originalen Figuren auch solch große Holzblöcke in ihren Werkstätten hatten. Wenn sie eine neue Figur herstellen wollten, mussten sie immer zuerst ein übergroßes Musterexemplar bauen, welches sie dann kopierten. Man konnte es sich nicht leisten, an so einem wertvollen Material wie Elfenbein herum zu experiementieren, also tat man dies zuerst an einem Holzblock. Elfenbein war bei den Wikingern sogar noch wertvoller als Gold…
Damit wir bessere Bilder hinbekommen konnten, hievte Uisoean den zentnerschweren König nach draußen, wo Gabi und Gunter ihn mit blitzenden Kameras umkreisten. Die Figur bestand aus einem einzigen, sehr großen Block Eichenholz. Zu Beginn könne man Eiche noch mit Leichtigkeit bearbeiten, sagte Uisoean. Er verglich das frische Holz mit Käse, fügte aber hinzu, dass es nach einiger Zeit hart wie Stahl wird. Seine Figur wäre also extrem robust (wenn auch recht schwer), und mit ihrem dicken Schutzanstrich könne man sie auch problemlos in Wind und Wetter stehen lassen.
Hier auf der Insel haben wir noch kein „kleines“ Lewis Schachset gesehen, schade eigentlich. In Amazon habe ich aber das Lewis Schach-Setgefunden.
In Uig, was in relativer Nähe unserer Unterkunft liegt (immer noch 40 km!) suchten wir bereits mehrmals den Strand Mangersta, weil er sehr abwechslungsreich aussah, d.h. Sand und Felsnadeln.
Der Blick aus dem Fenster reichte, raus aus dem Bett und ohne Frühstück rein ins Auto. Gunter musste nicht überredet werden, so gut sah’s aus. Ich ziehe ja auch bei Nieselregen los, will raus, raus, raus immer, nur draußen sein :-) Der Tag war sehr vielversprechend. Nieselregen und Sonne hingen in der Luft. Das bescherte uns außergewöhnliche Stimmungen. Selbst die Regenbögen konnten sich nicht entscheiden, ob sie wirklich bunt oder lieber nur ein Nebelbogen sein wollten. Wir fanden endlich den Strand! Tatsächlich bietet er zahlreiche Fotomotive, und dies sogar in alle Himmelsrichtungen! Mit schwerem Gepäck liefen wir die Hügel rauf, nah entlang der Klippen und wieder runter. Einmal hetzte ich zu schnell hinauf, weil gerade die Sonne raus kam und ich eine Übersicht fotografieren wollte. Uff, im kalten Wind ins Schwitzen kommen ist nicht empfehlenswert. Traumhaft war es, die Aussichten grandios.
Regenbogen über weitem Strand, Uig, Isle of Lewis
Stacks, Uig, Isle of Lewis
Nebelbogen, Mangersta, Uig, Isle of Lewis
Stunden später, mit müden Knochen, machten wir uns auf den Heimweg. Die Kids waren mittlerweile munter, die Küche schön aufgeräumt :-) Wir futterten ausgiebig.
Unsere Nachbarin Anne besuchte uns auf einen Kaffee. Von ihr erfahren wir immer, was wir bei den Wanderungen übersehen haben. Sehr interessant, was diese Insel zu bieten hat. So viel Natur und Geschichte! Anne informiert uns auch, wenn hier in der Region etwas los ist. Leider habe ich gestern einen Termin, eine Kunstausstellung verpasst. Ich verliere den Überblick: was macht es mir, ob es Samstag oder Montag oder was auch immer ist? Wenn das Wetter gut ist – und das ist es meistens – dann ziehen wir los. Und arbeiten auch bis in die Nacht.
Die Wolken und das Licht waren absolut perfekt! Es zog uns raus, keine Ruhe im Hintern…
Jetzt fuhren wir alle zusammen nochmal los. Leider war es etwas zu spät schon wieder…. Es dauert halt immer eine Stunde um an die Strände zu kommen. Wir fuhren nach Dalmore, den Strand kannten wir noch nicht. UND es haute mich komplett aus den Socken! Das war zu viel des Guten! Wie soll ich das denn alles aufnehmen. Ich sah tausend geniale Motive, die alle auf einmal aufgenommen werden wollten. Rauschende, sich staffelnde Wellen im Licht, die Gischt hinter sich herziehend! Spiegelnder, nasser Sand, feine Wölkchen am Himmel, Schaumige Wellen, die Linien hinter sich her ziehen. Der arme Esra stand mit dem Rucksack neben mir und bekam die Hektik zu spüren. Esra, ich brauch das Tele, und das Weitwinkel, fahr doch schon mal das Stativ raus, schneller, und halt doch mal die Kamera, wo ist der Drahtauslöser…… Er assistierte so gut er konnte. Ich hätte gern hunderte von Armen und Köpfen gehabt. Oder am besten die Gabi geklont :-) Das ist diese Art „schneller“, überwältigender Fotografie. Ich mag es lieber ruhig und gemächlich, wenn das Licht ewig anhält. Doch hier hatten wir nur ein paar Minuten an einem „unbekannten“ Strand und dann gleich perfektes Licht! Ich hoffe, es kommt auf den Bildern gut rüber?
In den schottischen Highlands sowie auf den vielen Inseln darum herum lebten die Menschen bis vor wenigen Jahrzehnten noch in sehr, sehr traditionellen Behausungen. Sehr traditionell, weil das Konzept der Blackhouses viele Jahrhunderte alt ist: Doppelte Steinwände mit Erde in den Zwischenräumen zum Isolieren, ein Dach aus Stroh und Gras, und ein offenes Torffeuer in der Mitte. Ein Schornstein war nicht vorgesehen, der Rauch zog einfach durch das lose Dach ab, und das Vieh lebte in den selben vier Wänden wie die Menschen.
Es ist wohl kaum verwunderlich, dass diese Art der Behausung mittlerweile gänzlich ausgestorben ist… allerdings war sie vor nicht allzu langer Zeit auf Lewis noch Gang und Gäbe: Bis in die Siebziger hinein lebten einige Familien noch in den fast mittelalterlich anmutenden Hütten!
Amy und Noah am Torffeuer
das Torffeuer im Blackhouse, Isle of Lewis
Arnol Blackhouse, Isle of Lewis
Dieser Umstand aber ermöglichte es auch, dass man eines dieser Häuser bis zum heutigen Tag in seinem originalen Zustand belassen konnte, sodass es nun besichtigt werden kann… und das haben wir auch vorgestern getan.
Es kam einem schon fast wie eine Zeitreise vor, durch die viel zu kleine und enge Tür des Blackhouses zu treten und sich in einem finsteren, spartanisch eingerichteten Raum voller Torfqualm wiederzufinden. Die Wände bestanden aus rauen, unkompliziert aufgehäuften Steinbrocken, die Böden waren entweder aus Steinplatten oder einfach aus festgetretener Erde, und vom Dach hing Stroh herab. Atmen war, vor allem im Wohnzimmer, wo das Feuer gemächlich aber beständig vor sich hinqualmte, nur bedingt möglich. Das Gefühl, das von dieser vormittelalterlich anmutenden Behausung vermittelt wurde, war tatsächlich so aus einer anderen Ära, dass ein altes und vergilbtes Buch, welches wohl schon seit Jahrzehnten auf einem Schrank sein Dasein fristete, selbst zu einem mysteriösen und unpassenden Artefakt aus ferner Zukunft zu werden schien.
Es bedurfte nicht allzu viel Vorstellungsvermögens um sich klarzuwerden darüber, dass die Bewohner dieser Hütten wohl wirklich von morgens bis abends, tagein tagaus, Woche für Woche und Jahr für Jahr nur damit beschäftigt waren, für ihr Überleben zu arbeiten. Die Schafe, Hühner und Kühe mussten versorgt werden, man musste die Felder bestellen, Essbares herstellen, Torf musste gestochen und das Dach musste jedes Jahr neu gebaut werden. Viel Freizeit kann da nicht abgefallen sein…
Doch trotz all der Unannehmlichkeiten schien diese Art des Lebens zu funktionieren; immerhin war sie viele Jahrhunderte lang gängig in den ländlichen Gegenden Schottlands. Irgendwie schien alles seinen Sinn oder Zweck zu haben: Klar, wenn das Vieh im Nebenzimmer haust und die Hühner einem zwischen den Füßen herumrennen, ist das ein signifikanter Abstrich am Komfort… es hatte aber auch den Vorteil, dass es in dem Blackhouse gleich viel wärmer wurde, und dass man sich das Errichten und Heizen eines weiteren Gebäudes sparte.
Arnol Blackhouse, Isle of Lewis
Auch der dichte Qualm von übelster Geruchsklasse diente nicht lediglich der Verpestung der Atemluft: Stechmücken, Käfer und anderes Ungeziefer hielten es nicht in ihm aus und mussten türmen, die Bewohner blieben von Mückenwolken und den daraus resultierenden Stichen am ganzen Körper verschont. Außerdem gab das Stroh auf dem Dach ein erstklassiges Düngemittel ab, wenn es ein Jahr lang durchgehend mit Torfqualm behandelt worden war.
So lief das Leben für die „Arbeitsklasse“ der schottischen Gesellschaft mehr oder weniger rund und ohne viel Hungerleiden, wenn auch recht rau und ohne Komfort.
Das von uns besuchte Blackhouse gilt übrigens weithin als eines der bei weitem gemütlichsten und angenehmsten Hütten dieser Art… und das will etwas heißen. Die rauen Betten, die wir dort vorfanden, waren keineswegs in jedem solchen Haus eine Normalität; oft wurde einfach auf dem Boden geschlafen, um das Feuer herum.
Als die Bewohner der Blackhouses irgendwann überdrüssig wurden von ihren spartanischen Hütten, zogen sie im Laufe der 50er, 60er, manche sogar erst in den 70ern aus und richteten sich in weitaus wohnlicheren Gebäuden ein, solchen, wie wir sie e heute selbst kennen. Etwas unkreativ in der Namensgebung wurden die neuen Häuser mit der Bezeichnung „White-houses“ bedacht, vielleicht, um ihre Gegensätzlichkeit zu den Blackhouses herauszukehren. (Sehr weiß sind all diese Häuser aber bei weitem nicht… die gängige Farbe eine Gebäudes auf den Hebriden ist Braun oder Grau, ein bunter Anstrich würde bei den hiesigen Witterungsverhältnissen innerhalb kürzester Zeit ruiniert sein, erklärte man uns. Farbe hält auf Lewis nicht)
Ich persönlich fand es höchst interessant, einmal einen Einblick in die Leben der Menschen von Lewis der vorletzten Generation zu bekommen. Die Tatsache, dass das Haus noch in genau dem Zustand ist, in dem es verlassen wurde (nun ja, es standen in jeder Ecke ein paar Feuerlöscher, für alle Fälle…) gab der Sache eine fast greifbare Authentizität.
Heute war es ziemlich trüb, aber halbwegs trocken. Mir gefällt der Blick aus dem Fenster trotzdem immer! Auch, wenn Nieselregen im Wind über die Hügel zieht. Morgens zog ich in der Region umher. Lief den felsigen Strand entlang. Traf wieder den netten Schafhirten Malcom. Die Unterhaltungen mit ihm sind sehr informativ und angenehm.
felsiger Strand, Bernera
Malcom untersucht den Knöchel des Schafs
glückliche Schafe bei der Fütterung, es nieselt
Gegen Mittag fuhren wir über diese engen, kurvigen, hügeligen Straßen los. Gerade hier auf Bernera ist das Fahren sehr anstrengend. Und diese „schlimmsten“ 16 km, fahren wir jeden Tag mindestens zweimal. In einer Kurve kam uns plötzlich ein großer, silberner SUV, eine junge Frau am Steuer, Kinder im Wagen, auf UNSERER Spur entgegen. Sie schaffte es nicht, den Wagen unter Kontrolle zu bringen und wieder auf ihre Seite zu ziehen! Mir blieb in den unendlich langen Sekunden nur eine Wahl: der Graben. Ich bremste ab, steuerte unseren Bus ins Gras am Rand, zum Glück gerade breit genug für uns, und kam mit Herzklopfen zum Stehen! Das war knapp! So knapp wie noch nie in meiner 30 jährigen Fahrpraxis! UFF.
Die Dame kam einige hundert Meter hinter uns auch zum Stehen. Ich wollte aussteigen und mit ihr reden. Nicht mal geschimpft hätte ich, so froh war ich, dass es gut gegangen war! Meine erste Frage war übrigens: bin ich auf der richtigen Straßenseite! War ich. Sie war es nicht! Gunter drängelte, fahr einfach weiter. Nun gut. Der Schrecken saß!
Auf dem Weg nach Uig hatten wir beim letzten Mal zwei Highland Rinder gesehen. Vor dem Zaun hielt ein Defender, hinten schauten mindestens drei der hier so typischen Border Collies raus. Die Kühe wurden mit frischen Heu versorgt. Im Gespräch erfuhren wir, dass die beiden trächtig seinen und deswegen das gute Futter brauchten. Für uns war das ein Geschenk des Himmels, die beiden Kühe waren so nah und beschäftigt. Zuerst wechselte ich das Objektiv gegen ein Weitwinkel, dann noch den Blitz drauf und jetzt hatte ich SPAß! Und was für einen. Knie und Ellenbogen wie immer nass und matschig, aber das ist mir ein gutes Foto immer wert. Mit den großen Hörnern musste ich enorm aufpassen, die waren immer nur wenige Zentimeter von meiner Linse entfernt. Ich war zufrieden und glücklich. Die Bilder habt ihr ja bereits hier gesehen :-)
Wir fuhren diesmal entlang einer Straße, die mit Blick über den weiten Atlantik ausgestattet ist. Ich schrie vor Freude auf. Das Licht, die Wellen, die Gischt und Sicht! Mensch, wie schön die Welt doch ist! Doch was sehe ich da: Hirsche!
Die hatte ich mir gewünscht! Kaum war das 400 mm Tele drauf, kam die Abendsonne raus. Wow! Die Hirsche positionierten sich perfekt vor den Bergen. Das Licht, wie von magischer Hand optimal gesetzt, klickten wir munter, grinsend vor uns hin!
Hirsche im Abendlicht
Wellen in der Nacht
Wir fuhren nochmal zur Kuhweide, wo Gunter letztens von fluchtgefährdeten Kühen belauert wurde. Diesmal hatten wir einen schönen Blick auf die Felsen. Doch das war nicht die Stelle gewesen, die wir gesucht hatten. Schön war es trotzdem. Wir werden in den nächsten Tagen einen weiteren Versuch starten.
Jetzt, erst vom Schrecken gebeutelt, dann vom Glück umspült, fuhren wir weiter entlang dieser engen Straße zum Ende der traumhaften Welt! Es wurde schöner und schöner. Ja, hier könnte ich wohnen! Ein Fest für die Augen!
Nachts lag ich noch lange wach. Was wäre passiert, wenn wir ein paar Sekunden später losgefahren wären? Hätte ich dann noch ausweichen können? Wie schnell kann es vorbei sein? Das war ein aufregender Tag gewesen! Ich fahre jetzt noch langsamer und vorsichtiger – doch immer mit dem rücksichtslosen Verhalten der Anderen zu rechnen ist anstrengend!!
https://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2013/03/GA_1321.jpg312700Gabihttps://www.5reicherts.com/wp-content/uploads/2021/03/Leuchtturm-o.pngGabi2013-03-05 12:36:172021-04-05 18:24:13Suche nach dem Mangersta Strand