Um 6:00 Uhr nervte wie immer der Wecker. Draußen war blauer Himmel, und wir sprangen direkt aus dem Bett. Nach dem Regen der letzten Tage fiel das wunderbar leicht. Wir dürsteten nach guten Motiven. Feine, schmale Wolkenbänder umschlangen die hohen Berge. In der Ferne verschwand gerade ein Hurtigrutenschiff unter einem Bogen aus Wolken. Wir hatten es um fünf Minuten verpasst. Die Berge und Wolken blieben wenigstens stehen, glücklich fingen wir die Eindrücke ein. Ein kleines Boot zog seine Bahn über das stille Wasser, der Bootsmotor brummte gemütlich in der ansonsten ruhigen Natur. Anfangs blies eine eiskalte Brise, ich war fast geneigt, wieder den Hügel hinunter zu laufen um die warme Jacke zu holen, da legte sich der Wind.
Wir hatten noch etwas Zeit vor der Fährfahrt und machten einen Abstecher nach Tonnes. Eine 60 m hohe und 180 m lange Grotte ist dort eine der Sehenswürdigkeiten. Schon vom Hafen aus sahen wir das gigantische Loch hoch oben im Berg finster gähnen. Anfangs wanderten, später kletterten wir den steilen schlüpfrigen Felspfad hinauf, wir hielten uns an Büschen und Bäumen fest. Kaum angekommen, waren die Jungs schon auf dem Weg ins Höhleninnere. Ich stieg ihnen nach und bat sie nach einem kurzen Ständchen für ein Video. Da rülpsten sie allerdings nur laut und lachten sich eins. Halbstarke sollte man nicht nach sowas fragen. Amy ängstigte sich um die gröhlenden Jungs. Große Felsen lagen wild verstreut auf dem Boden des Höllenlochs. So lange schienen sie noch nicht da zu liegen. Kaum vorstellbar, dass hier Konzerte und Musikaufführungen gegeben werden.
Am Ende der Grotte entdeckten wir ein in eine Plastiktüte gehülltes Gästebuch, Esra trug uns darin ein.
Auf dem matschigen Weg zurück, stellten wir uns bildlich vor, welche Instrumente die Musiker wohl in der Höhle spielten. Flöte, Geige, Cello, Klavier, Orgel…
Die wunderbare Fährfahrt von Kilboghamn nach Jektvik
Zufrieden und gut gelaunt stellten wir uns in die Schlange an der Fähre von Kilboghamn nach Jektvik, deren Route den Polarkreis überquert. Auf dem Schiff gingen wir uns sofort aufs Außendeck der Fähre, mit kalten Wind und Sonnenschein. Jetzt war die Gelegenheit, die Zeitraffer-Aufnahmfunktion der GoPro zu testen. Wir klemmten dazu den GorillaPod ans Schiffsgeländer, stellten die automatische Bildfolge auf alle 5 Sekunden ein und los gings.
(Hier nochmal das 30 Sekunden lange Filmchen der einstündigen Fährfahrt)
Beim Kapitän auf der Brücke
Die kleine Kamera konnte sich selbst überlassen werden. Ich fragte mich derweil zum Kapitän durch. Wie sieht es wohl auf der Brücke der Fähre aus? Vor allem groß und geräumig. Im Gegensatz zu einem Straßenfahrzeug ist auf dem Schiff massig Platz. Ich traf oben auf zwei uniformierte Männer, der eine saß konzentriert am Steuer. Ich löcherte sie mit Fragen und sie gaben bereitwillig Antwort.
Zehnmal täglich fahren die beiden im Sommer immer diese gleiche Tour, je fünf mal hin und fünf mal her. Langweilig ist das aber nicht, es ist eine der eindrucksvollsten Strecken und sieht bei jedem Wetter anders aus.
„Ist es denn sehr schwierig, so eine große Fähre zu fahren?“ frage ich, wahrscheinlich etwas naiv, denn ich kenne mich überhaupt nicht aus. „Nein, bei ruhigen Bedingungen wie heute ist es ein Kinderspiel. Bei Wind wird es allerdings schwierig, da brauchen wir die volle Konzentration“ antwortet der Kapitän während er nach vorne auf den ruhigen Fjord schaut.
Die Fähre ist symetrisch aufgebaut und die Brücke hat zwei Steuerplätze, einen vorn und einen hinten. Für die Rückfahrt wechselt der Kapitän einfach auf den anderen Platz. So muss die Fähre nicht wenden.
Er erzählt mir noch über einen Grindwal, der seit Jahren im gleichen Fjord ganz allein in der Nähe einer Lachsfarm lebt. Ich schaue mir seine Bilder auf dem Smartphone an und bin begeistert, wie zahm dieser Wal ist. Auf dem Foto scheint er sich am kleinen Boot zu reiben und schaut direkt in die Handykamera.
Nach dem Plausch geselle ich mit wieder zu meinen Männern, Amy und Noah sitzen im Salon der Fähre, in ihre Bücher vertieft, wir schauen uns die Berge und Wolken an. Und natürlich die metallene Weltkugel auf dem Felsen, welche den Verlauf des Polarkreises markiert.
Objektiv kaputt
Mein Objektiv muckt gerade, als es besonders schön ist. Die Blende flackert, die Kamera meldet Error 01. Das Gleiche hatte ich schon mal mit einem Teleobjektiv. Damals war die Reperatur sehr teuer und dauerte ewig. Hmm, schlecht. Das 24-105 mm ist mein meist genutztes Objektiv. Wie viele Fotos ich wohl damit gemacht habe? Einige Hunderttausend bestimmt, an mehreren Kameragenerationen!
Ob unsere technischen Probleme mit der Sonnenaktivität zu tun haben? Sind die Geräte so empfänglich dafür wie wir für das Nordlicht? Später brummte das Handy, der Navi knarzte selbsttätig ohne Grund, der Akku der GoPro war obwohl gerade geladen und unbenutzt, wieder leer, das Licht am Mobil….
Nun, wir bilden uns das wohl nur ein. Was intensiv genutzt wird, stirbt hie und da auch mal.
Grandiose Aussichten auf den Gletscher
Nach dieser Fährfahrt wird die RV17 immer grandioser. Die Berge erheben sich jetzt bis über 1300 m. Das hört sich nicht sonderlich viel an? Doch wir sind ja am Meer, da geht es direkt von 0 au 1300! Wir näherten uns dem Svartisen Gletscher. Hoch oben zwischen den Gipfeln hängt das blaue Eis fast bis in die Täler hinunter. Mit einem Boot kann man zum anderen Ufer des grünblauen Fjords übersetzen und dann zum Gletscher laufen. Wir hatten das vor ein paar Jahren schon mal gemacht und können die Wanderung zum Engabreen unbedingt empfehlen. Dieses Mal verzichteten wir darauf, denn es ist bereits später Nachmittag ist.
Die hohen Berge bieten wenig Möglichkeit für Pässe, so durchqueren wir sie durch zahlreiche, lange Tunnels. Es ist jedesmal spannend zu sehen, was sich am anderen Ende zeigen wird. Das Aussehen der Landschaft und das Wetter wechseln ständig. In einen acht Kilometer langen Tunnel fahren wir bei sonnigem Wetter hinein, bei der Ausfahrt erwarten uns tiefe, schwere, graue Wolken. Das sonnige Wetter war von kurzer, aber intensiver Dauer. Wir haben es aber bewußt und in vollen Zügen genossen.
Lebensmittel müssen besorgt werden, dabei entdeckte Gunter in einem der Läden wieder meine Lieblingswollsocken. Wunderbar! Wir hatten vor vier Jahren im Fühling mehrere Packs davon erstanden und sie seither mit Vorliebe beim Wandern und auch sonst getragen. Inzwischen waren jedoch alle so löchrig geworden, dass wir sie aussortieren mussten.
An einem Rastplatz mit Toilette und Grillmöglichkeiten richteten wir uns für die Nacht ein. Fette Wolken bedeckten den Himmel, dass wir nicht mehr auf Nordlichter zu hoffen brauchten. So schnell kann sich das Wetter drehen.